»Kennen Sie das Buch, das er geschrieben hat?«
»Er hat ein Buch geschrieben?«, fragte Dr. Ritter erstaunt.
Siebels erklärte ihm kurz, worum es in dem Buch ging.
»Dieser Typ ist wirklich unglaublich. Ich habe ihn überprüfen lassen, als ich erfahren habe, dass er eine Beziehung zu Frau Sydow pflegte. Er nannte sich Makler und Vermögensberater. Was soll ich Ihnen sagen, er war ein Fall für das Sozialamt. Abgebrochenes Studium der Germanistik. Danach Gelegenheitsjobber. Und dann der Aufstieg zum Playboy. Darin war er wohl ganz gut. Soweit ich weiß, war Frau Sydow sein erstes Opfer. Danach kamen wohl noch einige andere Damen. Aber als die Geschichte zwischen ihm und Frau Sydow erledigt war, habe ich mich nicht weiter um seine Umtriebigkeiten gekümmert. Glauben Sie, er hat sie ermordet?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dann sein Buch dort liegengelassen hätte«, antwortete Siebels nachdenklich.
»Vielleicht hat er es gar nicht dort liegen lassen? Vielleicht wollte Ihnen jemand einen Hinweis geben und hat das Buch dort platziert?«
»Wer? Sarah Fischer? Nadja Sydow? Sie?«
»Ich bestimmt nicht.« Dr. Ritter hob abwehrend die Hände und lächelte ein gequältes Lächeln. »Nadja bestimmt auch nicht. Sie ist ein sehr direkter Mensch. Sie hätte die Polizei verständigt und Ross und Reiter beim Namen genannt. Vielleicht Frau Fischer. Ich weiß es nicht, es war ja auch nur eine Vermutung. Vielleicht hat der Herr von Mahlenburg ja auch einen an der Klatsche und will ein Spiel mit Ihnen spielen und hat sein Buch am Tatort aufgestellt? Er heißt übrigens Jens Schäfer im wirklichen Leben.«
»Ich weiß. Der Grund meines Besuches ist aber eigentlich Nadja Sydow. Stimmt es, dass Sie als Treuhänder über ihren Erbanteil verfügen?«
»Das ist richtig. Ihr Vater war nicht nur mein Mandant, wir waren auch gute Freunde. Er wusste schon länger, dass sein Herz nicht mehr richtig funktionierte, und hat frühzeitig seine Hinterlassenschaft geregelt. Er hat seine Firma verkauft und einen Großteil des Erlöses in Investments gesteckt. Außerdem hat er in seiner beruflichen Laufbahn einige Erfindungen hervorgebracht und patentieren lassen. Das spielt bis heute regelmäßig große Summen ein.«
»Das Haus am Lerchesberg hat er aber seiner Frau hinterlassen?«
»Ja, das Haus und einen größeren Betrag. Damit hatte Frau Sydow ausgesorgt. Nach dem Tod ihres Mannes hat sich Frau Sydow ja auch noch am Geschäft von Frau Fischer beteiligt.«
»Und Nadja? Wo wohnt sie? Wie sehen ihre finanziellen Spielräume aus?«
Dr. Ritter zupfte sich am nicht vorhandenen Schnurrbart. »Nadja wohnt in einer Eigentumswohnung. Auch diese Wohnung hat ihr Vater ihr noch zu Lebzeiten beschafft. Nadja hatte damals gerade mit ihrem Studium begonnen. Die Wohnung befindet sich ebenfalls auf dem Lerchesberg, nur ein paar Gehminuten vom Haus ihrer Eltern entfernt. Nadja bekommt ein monatliches Taschengeld von 2.000 Euro. Voraussetzung dafür war, dass sie ihr Abitur macht und ein Studium beginnt. Ihr Abitur hat sie mit einer glatten Eins bestanden. Ihr Psychologiestudium wird sie in Kürze beenden. Wenn sie das Studium erfolgreich beendet hat, bekommt sie die freie Verfügung auf ihre Konten.«
»Wie viel Geld liegt auf diesen Konten?«
Dr. Ritter schwieg einen Moment und Siebels bekam Lust auf eine Zigarette. »Wir sprechen von zirka drei Millionen Euro«, sagte Dr. Ritter dann leise.
Siebels zog die Augenbrauen nach oben. »Das ist viel Geld für eine junge Frau.«
»Ja, deswegen hat ihr Vater auch darauf bestanden, dass sie erst darüber verfügen kann, wenn sie ein Studium abgeschlossen hat.«
»Ist das rechtlich einwandfrei?«
»Ja, wenn Nadja einen anderen Weg gewählt hätte, hätte ich mit dem Geld eine Stiftung gegründet. Das war der Wille von Herrn Sydow. Ich muss dazu sagen, dass Nadja hochbegabt ist. Das Studium ist kein Problem für sie. Sie ist ein kleines Wunderkind und wird auf das Geld aus dem Erbe wahrscheinlich nie angewiesen sein.«
»Davon hat mir auch Frau Fischer schon berichtet. Ein hochbegabtes Kind, das allerdings Probleme im sozialen Bereich hat.«
»Das ist Quatsch«, fuhr Dr. Ritter Siebels an. »Nadja war Schulsprecherin, sie ist im Tierschutz aktiv tätig und pflegt eine Vielzahl von sozialen Kontakten. Mit ihrer Stiefmutter war sie vielleicht nicht immer ein Herz und eine Seele, aber es gab auch keine größeren Diskrepanzen zwischen den beiden. Nadja war schon sehr früh sehr selbstständig. Wie gesagt, sie bezog sofort nach dem Abitur eine eigene Wohnung. Dort wohnte zuvor ein früherer leitender Angestellter von Herrn Sydow, der damals in eine andere Stadt gezogen ist.«
»Hat Nadja einen festen Freund?«
»Nicht, dass ich wüsste. Warum wollen Sie so viel über Nadja wissen? Sie glauben doch nicht etwa, dass sie etwas mit dem Tod ihrer Stiefmutter zu tun hat?«
Siebels zuckte mit den Schultern und dachte wieder an eine Zigarette. Aber bei Dr. Ritter wurde anscheinend nicht geraucht. »Sie wird erwähnt. Im Buch von Herrn von Mahlenburg. Herr von Mahlenburg vermittelt darin den Eindruck, als wäre sie sexuell sehr aufgeschlossen.«
»Sie ist 27 Jahre alt und ungebunden. Was erwarten Sie von einer intelligenten, attraktiven, jungen Frau? Dass sie in Keuchheit lebt?«
»Ich versuche mir nur, ein Bild zu machen.«
»Dann sprechen Sie doch besser selbst mit Nadja. Ich bin nur ihr Treuhänder, nicht ihr Seelsorger.«
»Das werde ich tun. Können Sie mir ihre genaue Adresse aufschreiben?«
Dr. Ritter beschrieb einen Zettel und reichte ihn Siebels. Siebels sah auf seine Uhr. Es war gerade einmal eine halbe Stunde her, seit er seine letzte Zigarette geraucht hatte, und nun drängte es ihn schon wieder nach Nikotin.
Anekdoten des Philipp von Mahlenburg
Nach der Episode im Pool war das harmonische Verhältnis zwischen Bea und mir nachhaltig gestört. Während meine Gedanken fortwährend um Nadja kreisten, bedachte mich Bea nur mit eisigen Blicken. Sie saß am Abend schweigend vor dem Fernseher. Sie bereitete weder ein Abendessen, noch zeigte sie irgendwelche Anstalten, mich in ihr Bett zu locken. Kurzum, sie ließ jedwegliche Reize vermissen, mit denen sie mich in den letzten Wochen gekonnt geködert hatte. Gelangweilt saß ich in ihrem großen Haus vor der Glotze und rauchte eine Zigarette. Fünf Wochen hatte ich es mit ihr ausgehalten. Der einen oder anderen kleinen Auseinandersetzung folgte die Versöhnung in ihrem Bett. Doch nun schien unser Verhältnis endgültig zerrüttet zu sein. Mir war es nur recht, mein goldener Käfig wurde mir allmählich zu eng. Ich sehnte mich nach meiner Freiheit und nach der Jagd auf das schwache Geschlecht. Ich hatte keine Zeit, mich um Beas Befindlichkeiten zu kümmern. Selbst wenn ich sie noch einmal um den Finger wickeln würde, die kleinen Geschenke würden nun immer kleiner werden und die Vorwürfe immer größer.
»Es tut mir leid«, sagte ich zu Bea. Sie ignorierte mich.
»Bist du mir immer noch böse?«, wagte ich einen neuen Versuch.
»Ich hätte gleich auf Sarah hören sollen«, nuschelte sie beleidigt vor sich hin.
»Wir hatten doch eine schöne Zeit«, säuselte ich ihr lieblich zu.
»Sarah hat mich von Anfang an vor dir gewarnt.«
»Jetzt lass doch diese blöde Zicke aus dem Spiel«, konterte ich.
»Du würdest doch liebend gerne in ihr Bett hüpfen«, giftete Bea weiter.
»Ach, bist du jetzt eifersüchtig?«, sagte ich und lachte dabei. Doch das machte Beas Stimmung nicht besser.
»Arroganter Scheißkerl«, bekam ich zur Antwort.
»Vielleicht sollten wir unsere kleine Affäre einfach beenden«, sagte ich und hoffte, aus der Nummer raus zu sein.
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