(40) Ehe sie indessen völlig eingeschlossen waren, entließ Vercingetorix die Reiter, teils aus Mangel an Futter für die Pferde, teils damit sie, in ihre Heimat zurückgekehrt, ihm Lebensmittel und Hilfe brächten. 2 Als diese aber zu lange ausblieben und den Belagerten der Mundvorrat auszugehen begann, trieb er Frauen und Kinder und was sonst nicht wehrhaft war, aus der Stadt, in der eitlen Hoffnung, die Römer würden sie als Beute betrachten und am Leben erhalten, oder dass wenigstens die Übrigen mit den Lebensmitteln derselben sich länger halten könnten. 3 Caesar aber, welcher selbst nicht Lebensmittel genug hatte, um noch andere unterhalten zu können, und auch durch ihre Rückkehr den Mangel der Feinde zu vermehren hoffte (denn er erwartete, dass sie sie auf jeden Fall wieder aufnehmen würden), trieb sie alle zurück. 4 So kamen sie, zwischen Stadt und Lager, von keinem Teile aufgenommen, aufs Jämmerlichste um. Zwar gelangten Reiter und andere Hilfstruppen nahe an die Stadt, wurden aber nach einem Reitertreffen mithilfe der Germanen besiegt. 5 Als sie darauf in der Nacht noch einmal versuchten, sich durch die Verschanzungen in die Stadt durchzuschlagen, litten sie großen Verlust, denn die Römer hatten an den der Reiterei zugänglichen Stellen verborgene Gruben gegraben, spitze Pfähle daselbst eingeschlagen und die Oberfläche dem anderen Boden so gleich gemacht, 6 dass Mann und Pferd unvorsichtig hineinstürzten und zugrunde gingen. Doch ließen sie nicht eher ab, als bis sie in einem Treffen bei den Verschanzungen selbst nebst denen, die aus der Stadt einen Ausfall machten, unterlagen.
(41) Vercingetorix konnte, weder gefangen noch verwundet, entkommen; in der Hoffnung aber, von Caesar, mit dem er einst in Freundschaft gestanden hatte, Verzeihung zu erhalten, kam er ohne vorherige Unterhandlung zu ihm und stand, während dieser auf dem Richterstuhl saß, so plötzlich vor ihm, dass einige in Schrecken gerieten. Er war ein sehr großer Mann und nahm sich in den Waffen stattlich aus. 2 Als nun alle schwiegen, stürzte er, ohne ein Wort zu sprechen, die Hände gefaltet, auf seine Knie und flehte, dies stimmte, bei der Erinnerung an sein früheres Glück und den gegenwärtigen Anblick, die anderen um Mitleid an. Caesar aber machte ihm gerade dies, worauf er seine Hoffnung auf Verzeihung baute, zum Vorwurf, 3 und erklärte, dass die frühere Freundschaft sein jetziges Unrecht nur noch vermehre. Deshalb versagte er ihm sein Mitleid, ließ ihn auf der Stelle in Fesseln legen und ihn, nachdem er ihn später im Triumphzug vorgeführt hatte, mit dem Tode bestrafen.
(42) Dies geschah jedoch erst später. Jetzt unterwarf er sich die einen derselben teils durch Vergleich, teils besiegte und unterjochte er sie. Denn die angrenzenden Belger leisteten ihm unter dem Atrebaten Commius lange Zeit Widerstand und lieferten mit unterschiedlichem Erfolg zwei Reitertreffen; und noch im dritten, an welchem auch das Fußvolk teilnahm, war der Erfolg anfangs ungewiss, bis die Reiterei ihnen unverhofft in den Rücken fiel und sie zum Weichen brachte. 2 Nun verließen die Übrigen in der Nacht ihr Lager, steckten einen Wald, durch den sie kamen, in Brand und ließen ihre leeren Wagen zurück, um durch diese und das Feuer die Feinde aufzuhalten und sich selbst unangefochten zurückziehen zu können. 3 Ihre Erwartung aber täuschte sie; denn die Römer setzten, sobald sie ihrer Flucht gewahr wurden, denselben nach, und als sie an das Feuer kamen, löschten sie es oder hieben die Bäume um. Ein Teil drang mitten durch die Flammen, holte sie unerwartet ein und machte viele derselben nieder.
(43) Dies hatte zur Folge, dass sich ein Teil ergab; der Atrebate aber entkam und ruhte auch so noch nicht, sondern versuchte, Labienus in einen Hinterhalt zu locken. 2 In einem Treffen besiegt, ließ er sich zu einer Unterredung mit ihm bewegen; bevor man sich aber vereinigte, wurde er von einem Römer verwundet, weil man nicht glaubte, dass es ihm mit der Unterhandlung ernst sei. Er entfloh und machte den Römern erneut zu schaffen, bis er selbst, an einem glücklichen Erfolg verzweifelnd, denen, die zu ihm hielten, unbedingte, und für sich (wie einige berichten) unter der Bedingung, keinem Römer wieder vor Augen zu kommen, Verzeihung erwirkte. 3 So kam es mit ihnen zum Frieden; die anderen ergaben sich entweder freiwillig oder wurden durch Waffengewalt zur Unterwerfung gebracht; und Caesar wusste durch Besatzungen, Strafen, Brandschatzungen und Auflagen die einen niederzuhalten, die anderen zu bezähmen.
(44) So wurden diese Kriege unter den Konsuln Lucius Paulus und Gaius Marcellus beigelegt. Caesar hätte nun wegen der Gallier und der ihm zum Oberbefehl bewilligten Zeit Gallien verlassen und nach Rom zurückkehren müssen; denn seine Zeit war beinahe abgelaufen und der Krieg beendet, sodass er keinen angemessenen Grund mehr hatte, die Entlassung der Legionen und die Niederlegung des Oberbefehls zu verweigern. 2 Weil aber die Stadt in Parteien zerrissen, Crassus gefallen war und Pompeius nach dreimaligem Konsulat, und nachdem er die Verlängerung seines Oberbefehls in Spanien auf weitere fünf Jahre durchgesetzt hatte, wieder einen Gipfel seiner Macht erreicht hatte 3 und nach dem Tod des Kindes, das noch allein ihre Freundschaft zusammenhielt, mit ihm nicht mehr befreundet war, war er besorgt, er möchte, seiner Soldaten beraubt, seiner und seiner anderen Feinde Willkür preisgegeben sein, und entließ sie nicht.
(45) In denselben Jahren nämlich waren in der Stadt viele Unruhen, besonders bei den Wahlen, vorgefallen, sodass kaum endlich im siebenten Monat Calvinus und Messala zu Konsuln ernannt wurden. 2 Und auch diese Wahl wäre nicht zustande gekommen, wenn nicht Quintus Pompeius Rufus, obgleich Sullas Enkel und Volkstribun, vom Senat ins Gefängnis gesetzt worden wäre. Dieselbe Strafe wurde auch gegen alle anderen, die Böses im Schilde geführt hatten, ausgesprochen und Pompeius bevollmächtigt, wider sie einzuschreiten. 3 Zuweilen mochten wohl auch die Vögel die Wahlen aufhalten und den Interrex nicht begünstigen; die Volkstribunen aber, welche die Verwaltung der Staatsangelegenheiten an sich rissen und statt der Prätoren die Festspiele selbst hielten, hatten die meiste Schuld bei der Verhinderung der Wahlen. Das brachte auch Rufus ins Gefängnis, 4 und dieser ließ später den Ädil Favonius einer unbedeutenden Ursache wegen, um einen Gefährten seiner Schande zu haben, eben dahin führen. Außer anderen Hindernissen, welche die Volkstribunen insgesamt den Wahlen in den Weg legten, schlugen sie auch vor, statt der Konsuln Kriegstribunen zu wählen, damit, wie früher, mehreren die höchste Macht übertragen würde. 5 Als man aber nicht auf sie hörte, behaupteten sie, dass man dann wenigstens den Pompeius zum Diktator wählen müsste, und zögerten unter diesem Vorwand lange Zeit die Wahlen hinaus. Denn Pompeius war abwesend, und von den Anwesenden fand es jeder gleich bedenklich, für die durch Sullas Grausamkeit allgemein verhasste Regierungsform zu stimmen und – aus Furcht vor Pompeius – sie diesem zu verweigern.
(46) Als er endlich, wenn auch ziemlich spät, in der Stadt erschien, schlug er freilich die ihm angebotene Diktatorenwürde aus und ließ Konsuln wählen; aber auch diese konnten sich, wegen der durch beständige Mordtaten entstandenen Unruhe keine Nachfolger geben, obgleich sie das Senatorengewand ablegten und in Trauerkleidern, wie es bei großen Unglücksfällen zu geschehen pflegte, den Senat versammelten. 2 Sie fassten den Beschluss, dass keiner nach der Verwaltung der Prätur oder des Konsulats, vor Ablauf des fünften Jahres, eine auswärtige Provinz erhalten sollte, um zu versuchen, ob sich nicht der Kampf um die Ehrenstellen legen würde, wenn die Leute nicht sogleich zur Macht gelangten. Denn man kannte weder Ziel noch Maß 3 und kämpfte durch Bestechungen, noch öfter mit den Waffen, gegeneinander, sodass selbst Konsul Calvinus einmal verwundet wurde. Weder Konsuln noch Prätoren noch Stadtpräfekten hatten ihre Nachfolger; vielmehr herrschte in der Stadt die erste Zeit des Jahres gänzliche Gesetzlosigkeit.
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