(19) Crassus erklärte, um ihnen Mut zu machen: »Erschreckt nicht, Soldaten, dass die Brücke zugrunde gerichtet ist, und glaubt nicht, dass dies Unglück bedeute, 2 denn ich schwöre euch, dass ich den Rückzug über Armenien zu nehmen beschlossen habe.« Damit ermutigte er sie wieder, als er aber mit erhobener Stimme weitersprach: »Seid getrost, denn keiner von uns wird auf diesem Wege zurückkehren!«, 3 glaubten die Soldaten hierin eine weitere Vorbedeutung zu vernehmen, verfielen in noch größere Mutlosigkeit und hörten nicht mehr auf seine übrigen Ermunterungen, und dass er die Barbaren verächtlich machte, die Macht der Römer pries, ihnen Schätze und Belohnungen versprach. 4 Sie folgten ihm jedoch, ohne sich durch Worte oder Taten zu widersetzen, war es aus Gehorsam gegen die Gesetze oder weil sie so bestürzt waren, dass sie sich weder raten noch helfen konnten. Auch in allem anderen waren sie, wie von einer Gottheit dem Verderben geweiht, an Geist und Körper gelähmt.
(20) Am empfindlichsten schadete ihnen Abgaros von Osrhoëne zu, der, unter Pompeius den Römern verbündet, jetzt die Partei der Barbaren ergriff. Gleiches tat zwar auch der Araber Alchandonios, der immer auf die Seite des Stärkeren trat. 2 Allein dieser fiel öffentlich ab, sodass man vor ihm auf der Hut sein konnte. Abgaros dagegen hielt es mit den Parthern und gab sich doch als Freund des Crassus aus, schoss ihm reiche Geldsummen vor und entlockte ihm seine Pläne, um sie jenen zu verraten. Fasste jener einen vernünftigen Entschluss, so brachte er ihn davon ab und trieb ihn zu nachteiligen an. 3 Zugleich tat er Folgendes: Crassus wollte gegen Seleukia ziehen, wohin er längs des Euphrats und jenseits desselben mit Heer und Gepäck sicher zu kommen dachte, und von dieser Stadt aus, deren Bewohner er als Hellenen leicht zu gewinnen hoffte, ohne Mühe nach Ktesiphon überzusetzen. 4 Diesen Plan redete er ihm als zu zeitraubend aus und riet ihm, Surena, der mit wenigen Leuten in der Nähe stünde, ein Treffen zu liefern.
(21) Nachdem er hierauf dem einen Verderben, dem anderen den Sieg bereitet hatte (denn er nahm unter dem Vorwand der Kundschaft beständige Rücksprache mit Surena), führte er die Römer, die sich zu nichts Argem versahen, wie zum gewissen Sieg aus und fiel dann in der Schlacht selbst mit jenem über sie her. 2 Dies geschah auf folgende Weise: Die Parther rückten, nachdem sie den größeren Teil ihres Heeres in der unebenen und mit Bäumen bewachsenen Gegend versteckt hatten, gegen die Römer an. Als Crassus, nicht der Vater, sondern der Sohn, welcher zu jenem aus Gallien gekommen war, ihrer ansichtig wurde, hoffte er, mit ihnen allein leichte Arbeit zu haben, sprengte mit der Reiterei auf sie an, verfolgte sie, die geflissentlich flohen, als Sieger und kam zu weit vom Fußvolk ab. Er wurde umringt und eingeschlossen.
(22) Trotz dieses Verlustes wandte sich das römische Fußvolk nicht zur Flucht, sondern drang, um Crassus zu rächen, lebhaft auf die Parther ein, richtete aber gegen die Menge, wegen ihrer Kampfesweise und des Verrats Abgaros’, nichts Bedeutendes aus. 2 Dann drängten sie sich mit den Schiffen aneinander, um sich durch Schließung der Glieder gegen die feindlichen Pfeile zu decken, so griffen sie die Lanzenträger ungestüm an, warfen sie zu Boden oder sprengten sie wenigstens auseinander. Sie zerstreuten sie, um diesen zu begegnen und waren den Pfeilen ausgesetzt. 3 So kamen denn viele bei dem Angriff der Lanzenträger in Unordnung und wurden getötet. Viele wurden von den Reitern abgeschnitten und niedergemacht, andere von den Lanzen zu Boden geworfen oder aufgespießt und fortgeschleppt. 4 Die Pfeile, in dichtem Hagel von allen Seiten zugleich auf sie abgeschossen, streckten viele tödlich verwundet nieder oder machten sie kampfuntüchtig und hielten alle in Atem, da sie ihnen an die Augen, Hände und übrigen Körperteilen flogen und selbst durch Schild und Rüstung drangen, ihnen jeglichen Schutz raubten und sie beständiger Verwundung aussetzten. 5 Während einer einem Pfeile auswich oder einen, der in ihm steckte, auszog, wurde er aufs Neue verwundet. Sie wussten nicht, ob sie sich bewegen oder ruhig stehen sollten; das eine sicherte sie so wenig wie das andere, beides war verderblich, das eine konnten sie nicht, und im anderen Falle wurden sie leichter verwundet.
(23) Solches erlitten sie von den sichtbaren Feinden allein, denn Abgaros griff sie nicht sogleich an. Als aber auch er sie anfiel, hieben die Osrhoëner von hinten auf die Abgewehrten ein und erleichterten den anderen das Niedermetzeln. Denn um sich jenen Mann gegen Mann zu stellen, gaben sie sich im Rücken den Parthern preis. 2 Sie mussten sich jetzt wieder gegen diese, dann gegen jene und wieder gegen diese wenden. Durch solche beständige Wendungen nach dieser und nach jener Seite genötigt, sich immer wieder dahin zu kehren, woher sie verwundet wurden, gerieten sie noch mehr in Verwirrung, rannten einander in die Schwerter und kamen durch sich selbst um. 3 Endlich gerieten sie so ins Gedränge, dass sie gegen die unaufhörlichen Angriffe der Feinde von allen Seiten ihre Blößen hinter den Schilden ihrer Nebenmänner decken mussten und sich nicht mehr rühren konnten. Allein der Menge der Toten wegen vermochten sie auch so nicht festen Stand zu halten und stürzten über diese hin. 4 Hitze und Durst (es war Hochsommer und Mittag) quälten die Übrigen so furchtbar, dass viele unverwundet schon hier niederstürzten.
(24) Sie wären auch alle bis auf den letzten Mann umgekommen, wenn nicht die Lanzen der Barbaren sich verbogen hätten oder zerbrochen wären und die Bogensehnen durch das beständige Schießen zerrissen, die Pfeile verschossen, die Schwerter abgestumpft und vor allem die Kämpfenden selbst vom Morden ermüdet worden wären. 2 So brach die Nacht herein, sie hatten noch einen weiten Weg zu reiten und zogen ab. Denn nie lagern sie in der Nähe selbst der schwächsten Feinde, weil sie sich nicht verschanzen und, im Finsteren angegriffen, mit ihren Pferden und Pfeilen nichts ausrichten können. 3 Sie nahmen jedoch damals keinen einzigen Römer gefangen. Denn da sie dieselben noch in den Waffen dastehen und keinen diese wegwerfen oder fliehen sahen, glaubten sie dieselben noch einigen Widerstandes fähig und scheuten sich, sie weiter anzugreifen.
(25) So zog Crassus nebst den anderen, die es noch vermochten, nach Karrhai, das die daselbst zurückgebliebenen Römer besetzt hielten. Viele Verwundete, die weder gehen noch Wagen oder Führer bekommen konnten (denn die Übrigen waren froh, sich selbst davon zu schleppen), blieben auf dem Schlachtfeld zurück. 2 Einige derselben starben an ihren Wunden, andere töteten sich selbst, die Übrigen wurden mit wenig Mühe gefangen genommen. Von den Gefangenen kamen viele unterwegs, da ihre Kräfte versagten, viele auch später um, weil sie nicht die im Augenblick erforderliche Pflege fanden. 3 Crassus war dergestalt entmutigt, dass er sich nicht einmal in der Stadt sicher glaubte, sondern auf plötzliche Flucht sann. Weil es ihm aber nicht möglich war, bei Tag unentdeckt davonzukommen, versuchte er bei Nacht zu entfliehen. Allein der Vollmond verriet ihn, und er konnte den Feinden nicht entwischen. 4 Sie erwarteten also mondlose Nächte und brachen auf, doch in der Finsternis, in einem fremden und noch dazu feindlichen Land, unter Furcht und Angst, verloren sie einander aus den Augen. Ein Teil wurde bei Tagesaubruch gefangen und niedergemacht, ein anderer aber rettete sich mit dem Quästor Cassius Longinus nach Syrien. Andere flohen mit Crassus selbst in die Gebirge und wollten über dieselben nach Armenien entkommen.
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