(60) Caesar, welcher sich ohnehin nur schwer entschlossen hätte, nach einem so ansehnlichen und langen Oberbefehl in den Privatstand zurückzutreten, und zugleich fürchtete, vor seinen Feinden wehrlos gemacht zu werden, bereitete sich darauf vor, auch wider ihren Willen denselben zu behaupten, warb neue Soldaten an, sammelte Geld, sorgte für Waffen und suchte sich der Ergebenheit seiner Leute zu versichern. 2 Damit es aber schiene, als wollte er nicht alles mit Gewalt, sondern auch auf dem Wege der Güte durchführen, wünschte er in Rom selbst sich Freunde zu machen und beschloss, sich mit Curio auszusöhnen. Denn dieser war aus dem Geschlecht der Curionen, besaß Scharfsinn und große Beredsamkeit, war bei dem Volk sehr beliebt und scheute keinen Geldaufwand, wenn es galt, entweder den eigenen Vorteil wahrzunehmen oder etwas für andere durchzusetzen. 3 Diesen gewann Caesar dadurch, dass er ihm große Hoffnungen machte und ihn von allen seinen Schulden, die seines großen Aufwands wegen bedeutend waren, befreite. Denn um seinen Absichten Erfolg zu geben, scheute er keine Kosten, da sie ihm eine reiche Hilfsquelle werden mussten, und verhieß anderen noch viel mehr, wovon er übrigens nicht den geringsten Teil zu halten gesonnen war. 4 Aber nicht nur frei Geborenen, sondern auch Sklaven, die bei ihren Herren etwas vermochten, schmeichelte er so, dass selbst auf diesem Wege viele Ritter und Senatoren für ihn gewonnen wurden.
(61) Curio war jetzt zwar Caesars Freund, trat aber nicht sogleich als solcher auf; denn er suchte einen schicklichen Vorwand, um sich das Ansehen zu geben, als sei er nicht freiwillig, sondern gezwungen übergetreten; auch glaubte er, je länger er sich zu Caesars Feinden als ihr Freund halte, desto mehrere und wichtigere Geheimnisse von denselben zu erfahren. 2 Daher hielt er seine Gesinnung lange Zeit geheim, und um jeden Verdacht einer Sinnesänderung zu vermeiden, als ob er nicht mehr in Gesinnung und Rede einer der ersten und hauptsächlichsten Widersacher Caesars wäre, sprach er seit dem Antritt seines Tribunats wider ihn vor dem Volk und machte viele ungereimte Vorschläge. 3 Vieles schlug er auch gegen den Senat und die mächtigsten Männer vor, die es selbst mit Pompeius hielten, nicht weil er wünschte und hoffte, etwas davon durchzusetzen, sondern um nach ihrer Verwerfung auch gegen Caesar, gegen den schon viele Anträge gestellt worden waren, nichts durchgehen zu lassen und dies zum Vorwand seines Übertritts zu nehmen.
(62) Nachdem er bald unter diesem, bald unter jenem Vorwand die Zeit hatte verstreichen lassen, ohne dass etwas bestätigt wurde, stellte er sich unwillig und verlangte die Einschaltung eines Monats zur Durchsetzung seiner Gesetze. Dies geschah zwar, so oft es nötig war, 140aber jetzt war es nicht der Fall, wie er selbst als Pontifex wohl wusste. 2 Dennoch bestand er darauf und suchte seine Pontifikatsgenossen scheinbar zu überschreien. Als er sie nicht dazu bewegen konnte, ihm beizustimmen (was er ja auch nicht wünschte), ließ er auch nichts anderes zur Abstimmung bringen. Jetzt fing er an, Caesars Sache öffentlich zu verteidigen, 3 und weil er nichts gegen ihn hatte ausrichten können, nun für ihn Forderungen zu machen, die unmöglich gewährt werden konnten. Besonders drang er darauf, dass entweder alle, die unter den Waffen standen, diese niederlegen sollten oder dass man auch Caesar nicht entblößen und den Heeren seiner Gegner preisgeben dürfte. 4 Dies schlug er aber nicht vor, weil er etwa gewollt hätte, dass es Caesar tue, sondern weil er wusste, dass sich Pompeius nicht dazu verstehen würde. So erhielt auch jener einen vernünftigen Vorwand, seine Soldaten nicht zu entlassen.
(63) Wie nun Pompeius sah, dass er auf anderem Wege nichts ausrichtete, griff er unverhohlen zu härteren Mitteln und trat offen mit Wort und Tat wider Caesar auf, ohne jedoch etwas zu bewirken; 2 denn außer vielen anderen standen auch Lucius [Aemilius] Paulus, Marcellus’ Amtsgenosse, und sein Schwiegervater, der Zensor Lucius Piso, auf seiner Seite. Denn Zensoren waren um diese Zeit Appius Claudius und Piso, der Letztere wider seinen Willen. 3 Dieser nahm der Verwandtschaft wegen Caesars Partei; Claudius dagegen, welcher zu Pompeius hielt, war zwar gegen Caesar, aber nützte ihm selbst gegen seinen Willen. Er strich nämlich sehr viele Ritter und Senatoren aus der Liste, indem er die Zustimmung seines Amtsgenossen erzwang, und machte sie dadurch alle zu Anhängern Caesars. 4 Piso, der überhaupt nicht gern Ungelegenheiten hatte und seines Schwiegersohnes wegen vielen freundlich tat, nahm nichts der Art vor, widersetzte sich aber auch dem Appius nicht, als dieser alle Freigelassenen, aber auch Männer aus sehr vornehmen Geschlechtern, darunter den Geschichtsschreiber Gaius Sallustius Crispus, aus dem Senat stieß. 5 Nur Curio, der gleichfalls gestrichen werden sollte, bat er, unterstützt von Paulus, seinem Verwandten, los.
(64) Deshalb strich ihn nun Appius zwar nicht aus der Senatsliste, sprach aber die Meinung, die er von ihm hatte, öffentlich dort aus, sodass jener vor Unwillen seine Kleider zerriss. Marcellus ergriff ihn jetzt und ließ, in der Hoffnung, der Senat werde gegen Curio und seinetwegen gegen Caesar einen strengen Ausspruch tun, über ihn abstimmen. 2 Curio widersetzte sich anfangs der Abstimmung über ihn, als er aber bemerkte, dass der größte Teil der anwesenden Senatoren teils wirklich für Caesar war, teils ihn fürchtete, ließ er es geschehen 3 und sprach nur folgende Worte: »Ich bin mir bewusst, dass ich bei allem, was ich tat, immer nur das Wohl und den Nutzen des Vaterlands wollte, und übergebe euch Leib und Leben, beschließt darüber, was ihr wollt!« Marcellus hoffte bei seiner Anklage ihn jedenfalls verurteilt zu sehen, 4 wie er aber von der Mehrzahl freigesprochen wurde, entrüstete er sich, sprang aus der Curie, eilte zu Pompeius in die Vorstadt und übertrug ihm, auf eigene Faust, ohne vorherigen Beschluss den Schutz der Stadt und den Befehl über zwei Bürgerlegionen. Diese Soldaten waren schon zu diesem Zweck versammelt und damals gegenwärtig.
(65) Pompeius hatte früher Caesar, als er noch mit ihm befreundet war, eine der für ihn ausgehobenen Legionen gegeben, da er selbst keinen Krieg führte, jener aber Soldaten brauchte. 2 Als sie sich aber entzweiten, wollte er nicht nur diese von ihm zurückerhalten, sondern ihm unter dem Vorwand, dass Bibulus sie gegen die Parther brauche, eine zweite nehmen. Damit keine neuen Aushebungen nötig würden (denn die Sache habe Eile, und man habe Legionen genug), veranlasste er den Beschluss, dass beide, er und Caesar, ihm jeder eine abgeben sollten. 3 Von den eigenen Leuten aber gab er keine, sondern befahl denen, die mit der Suche beauftragt waren, von Caesar die früher diesem Abgetretenen zurückfordern. So schickten dem Schein nach beide, im Grunde aber Caesar zwei Legionen ab. 4 Obwohl dieser seine Absicht durchschaute, gehorchte er dennoch, um sich nicht des Ungehorsams schuldig zu machen; auch konnte er unter diesem Vorwand noch weit mehr Soldaten an deren Stelle werben.
(66) Diese Legionen standen also bereit, gegen die Parther geführt zu werden; weil man sie aber nicht mehr brauchte, befahl Marcellus zunächst in der Besorgnis, sie könnten Caesar zurückgegeben werden, sie in Italien zurückzuhalten, übergab sie aber jetzt, wie ich schon vorhin erwähnte, dem Pompeius. 2 Weil aber das Jahr zu Ende ging und eine solche Verordnung ohne Bewilligung des Senats oder Volkes nicht gültig blieb, eilte er mit den für das nächste Jahr designierten Konsuln, Cornelius Lentulus und Gaius Claudius, zu Pompeius und ließ auch sie ihn damit beauftragen. 3 Zu Staatsämtern designierte Männer konnten nämlich damals sowohl Verordnungen bekannt machen, als auch andere ihr künftiges Amt betreffende Verfügungen noch vor dem Antritt desselben erlassen. Daher glaubten sie sich auch hierzu ermächtigt. Pompeius, der sonst alles mit größter Strenge beobachtete, nahm sie, da er nun derselben bedurfte, ohne lange zu fragen, wie und von wem er sie bekam, unbedenklich an. 4 Dieser kühne Schritt aber hatte keine entsprechenden Folgen, sie hatten nur ihre feindselige Gesinnung gegen Caesar an den Tag gelegt und gaben diesem, ohne selbst eine kräftige Maßregel für sich zu treffen, einen anständigen Vorwand, seine Soldaten zu behalten. 5 Curio machte darüber den Konsuln und Pompeius vor dem Volk die heftigsten Vorwürfe und eilte, gleich nach Niederlegung seines Amtes, geradewegs zu Caesar.
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