226. Im Jahr der Stadt 648 (106 v.Chr.).
Tolosa, welches früher mit den Römern verbündet gewesen war, durch seine Hoffnungen auf den Erfolg des Einfalls der Kimbern aber zum Abfall verleitet wurde und die Besatzung in Fesseln legte, überfielen [die Römer] unversehens bei Nacht. Von ihren Freunden in die Stadt gelassen, plünderten sie die Tempel und raubten überdies viele andere Schätze. Denn die Stadt war von jeher reich und besaß die Weihegeschenke, welche die Gallier auf ihren Zügen unter Brennus aus Delphi geraubt hatten. Jedoch hatten die Römer in der Stadt dabei keinen nennenswerten Vorteil, da die Soldaten sich das meiste davon aneigneten. Auch wurden viele deswegen zur Verantwortung gezogen.
227. Im Jahr der Stadt 649 (105 v.Chr.).
[Quintus] Servilius [Caepio] brachte durch seinen Neid gegen den Mitfeldherrn, dem er zwar an Gewalt gleich–, als einem Konsul aber im Rang nachstand, großes Unglück über das Heer. Nach des Scaurus Tod hatte Mallius dem Servilius entboten, zu ihm zu stoßen. Dieser aber erwiderte, jeder müsste seine eigene Provinz schützen; als er jedoch später befürchtete, er möchte ohne ihn siegen und allein den Ruhm davon haben, kam er zwar, lagerte sich aber weder an demselben Ort noch pflog er Beratung mit ihm, sondern schlug, um noch vorher mit den Kimbern handgemein zu werden und allen Ruhm des Krieges allein davonzutragen, sein Lager in der Mitte zwischen Mallius und den Feinden auf. Anfangs waren sie auch, solange sie die Uneinigkeit derselben nicht wussten, den Feinden so furchtbar, dass dieselben Lust zum Frieden bezeigten. Als sie aber an den Konsul Mallius ihre Gesandten schickten, war Servilius aufgebracht, dass sie sich nicht an ihn wenden wollten, und gab ihnen nicht nur keine versöhnliche Antwort, sondern hätte die Gesandten beinahe ums Leben gebracht.
Die Soldaten zwangen endlich den Servilius, sich zu Mallius zu begeben und mit ihm über das, was zu tun sei, zu beratschlagen. Sie vereinigten sich aber so wenig, dass sie durch diese Zusammenkunft nur noch feindseliger gegeneinander wurden. Es kam zu Zank und Schmähungen, und sie trennten sich auf schimpfliche Weise.
228. Gnaeus Domitius hatte Scaurus vor Gericht geladen, als aber ein Sklave desselben zu ihm kam und versprach, viele schwere Vergehen wider seinen Herrn vorzubringen, nahm er von seiner Angabe nicht nur keine Kenntnis, sondern übergab ihn gebunden an Scaurus.
229. Publius Licinius Nerva, Prätor auf der Insel Sizilien, ließ, auf die Nachricht, dass man die Sklaven misshandle, oder aus Gewinnsucht (denn er war gar nicht unbestechlich) bekannt machen, dass alle, die über ihre Herrn zu klagen hätten, zu ihm kommen und Hilfe finden sollten. Es rotteten sich nun viele zusammen und klagten teils über Misshandlung, teils führten sie anderes gegen ihre Herren an, indem sie glaubten, der günstige Zeitpunkt sei gekommen, wo sie ohne Gefahr alles, was sie wünschten, durchsetzen könnten. Aber auch die Herren traten zusammen, widersetzten sich ihnen und gaben in keinem Stück nach. Weil nun Licinius wegen der Zusammenrottung beider Teile befürchtete, der unterlegene Teil möchte gefährliche Unruhen anfangen, ließ er keinen der Sklaven vor sich, sondern entließ sie mit dem Bedenken, dass ihnen nichts mehr zuleide geschehen würde, in der Hoffnung, dass sie, zerstreut, keine Unruhen anfangen würden. Diese aber, die sich vor ihren Herren fürchteten, weil sie sich überhaupt erkühnt hatten, sich zu beklagen, verbanden sich und wurden Straßenräuber.
230. Im Jahr der Stadt 651 (103 v.Chr.).
Die Messenier (Mamertiner) glaubten nichts befürchten zu dürfen, wenn sie ihre beste und kostbarste Habe dahin (in die Stadt) flüchten. Auf die Nachricht davon aber überfiel sie Athenio, ein Kilikier, welcher unter den Räubern das größte Ansehen besaß. Bei einem öffentlichen Feste, das sie in der Vorstadt feierten, jagte er sie auseinander und tötete viele. Auch hätte er sich beinahe der Stadt selbst bemächtigt. Er verschanzte sich in dem festen Macella und richtete von dort aus im Land großen Schaden an.
231. Im Jahr der Stadt 652 (102 v.Chr.)
Die Barbaren waren besiegt, viele in der Schlacht gefallen und nur wenige hatten sich gerettet. Um seine Soldaten aufzumuntern und zugleich zu belohnen, verkaufte Marius die ganze Beute um ein Geringes an dieselben, damit er nicht den Schein hätte, als ob er sie ihnen ganz umsonst geschenkt habe. Dadurch bewirkte Marius, der bisher bloß bei dem Pöbel, aus dem er ja stammte und von dem er zu Ehren erhoben worden war, in Gunst stand, dass auch die Patrizier, von denen er gehasst worden war, ihn gleich den anderen mit Lobeserhebungen überhäuften. Er erhielt das Konsulat mit dem Willen und der Zustimmung aller, auch für das folgende Jahr, um den Krieg vollends zu beendigen.
Sobald die Kimbern einmal innehielten, verloren sie von ihrem Mut und wurden an Leib und Geist geschwächt und abgestumpft. Schuld daran war, dass sie statt unter freiem Himmel, wie früher, jetzt unter Dächern wohnten, statt der früheren kalten, jetzt warme Bäder gebrauchten, an Leckereien und Süßigkeiten, wie man sie hierzulande genoss, sich ergötzten, sie, die früher rohes Fleisch aßen, und sich gegen ihre Gewohnheit im Wein bis zur Völlerei übernahmen. Dies raubte ihnen den ungestümen Mut und verweichlichte ihren Körper, sodass sie keine Beschwerden und Anstrengungen, keine Hitze, keine Kälte, keine Nachtwachen mehr ertragen konnten.
232. Im Jahr der Stadt 655 (99 v.Chr.).
[Quintus Metellus] des [Quintus] Metellus Sohn flehte für sich und öffentlich alle um die Rückberufung seines Vaters mit solcher Innigkeit an, dass er Pius, d.h. »der gute Sohn«, genannt wurde.
233. Furius grollte dem Metellus, weil er ihm als Zensor das Ritterpferd genommen hatte. Den Publius Furius, welcher wegen dessen, was er als Volkstribun getan hatte, angeklagt war, töteten die Römer in voller Volksversammlung. Zwar hatte er den Tod allerdings verdient (denn er war ein aufrührerischer Mensch, machte früher Partei mit Saturninus und Glaucias, sprang von diesen ab, ging zu ihren Gegnern über und bekämpfte sie mit diesen), doch hätte es nicht auf diesem Wege geschehen sollen. Ihm schien jedoch sein Recht widerfahren zu sein.
234. Zwar gab es auch noch andere Parteihäupter, die meiste Macht aber hatten auf der einen Seite Marcus [Drusus], auf der anderen Quintus [Caepio], beide herrschsüchtig und von unersättlichem Ehrgeiz und eben dadurch sehr zu Streitigkeiten geneigt. Darin waren sie einander gleich. Drusus aber war Quintus an vornehmer Geburt, an Reichtum und verschwenderischer Freigebigkeit gegenüber allen, die seines Geldes bedurften, überlegen. Dieser dagegen war durch seine zuversichtliche Frechheit und Kühnheit, durch seine zuvorkommenden Nachstellungen und die Bosheit, womit er sie vorzubereiten pflegte, gegen jenen im Vorteil; daher war es natürlich, dass sie, durch gleiche wie durch verschiedene Eigenschaften sich das Gleichgewicht haltend, einen langen Zwiespalt pflegten, der selbst nach ihrem Tod noch fortdauerte.
235. Drusus und Caepio, anfangs die besten Freunde und gegenseitige Schwäger, gerieten in Feindschaft und übertrugen diese selbst auf die Staatsverwaltung.
236. Im Jahr der Stadt 661 (993 v.Chr.).
Rutilius, einen höchst vortrefflichen Mann, verurteilten sie aufs Ungerechteste. Er wurde nämlich auf Veranlassung der Ritter durch Quintus Mucius der Bestechung angeklagt und mit einer Geldstrafe belegt. Dies taten sie, weil sie ihm übel nahmen, dass er ihren Bedrückungen bei der Erhebung der Zölle gegenzusteuern suchte.
Rutilius verteidigte sich mit edler Freimütigkeit und verschwieg nichts, was ein rechtschaffener Mann, der verleumdet wird und mehr das Schicksal des Staates als sein eigenes beklagt, nur immer vorbringen konnte. Er wurde aber verurteilt und trat sogleich sein Vermögen ab. Daraus ging nun am deutlichsten hervor, dass seine Anklage unbegründet war; denn es fand sich, dass er weit weniger besaß, als er nach seinen Anklägern in Asien an sich gebracht haben sollte, und dass alles auf gerechte und gesetzliche Weise erworbenes Besitztum war. Solches Unrecht erlitt er; auch Marius hatte einige Schuld bei seiner Verurteilung. Denn ein so verdienstvoller und angesehener Mann musste ihm jedenfalls gefährlich sein. Weshalb jener auch, da es auf diese Art in der Stadt herging und er mit einem solchen Menschen nicht zusammenleben wollte, freiwillig Rom verließ und in demselben Asien eine Zeit lang zu Mytilene lebte. Als dieses aber im Mithridatischen Krieg sehr mitgenommen war, begab er sich nach Smyrna, wo er seine Tage beschloss und nicht wieder nach Rom zurückkehren wollte. Auch wurde ihm weder sein Ruhm noch sein Vermögen dadurch geschmälert; denn vieles gab ihm Mucius, noch mehr die Städte und Könige, mit denen er früher zu tun gehabt hatte, sodass er weit mehr als sein früheres Vermögen besaß.
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