258. Im Jahr der Stadt 669 (85 v.Chr.).
Archelaos redete Sulla zu, mit Mithridates Frieden zu schließen. Da dieser darauf einging, kam folgender Vertrag zustande: Mithridates solle Asien und Paphlagonien räumen, Bithynien an Nikomedes, Kappadokien an Ariobarzanes abtreten, den Römern aber 2000 Talente 57zahlen und 70 erzbeschlagene völlig ausgerüstete Schiffe geben, Sulla dagegen ihn in seinem übrigen Reich bestätigen und zum Bundesgenossen der Römer erklären.
Nach dieser Übereinkunft zog Sulla durch Thessalien und Makedonien an den Hellespont und hatte den Archelaos, den er sehr in Ehren hielt, in seinem Gefolge. Als derselbe bei Larissa gefährlich krank wurde, setzte er mit dem Marsch aus und war um ihn besorgt, als ob er einer seiner Unterfeldherrn oder Kriegsobristen wäre. Dies erregte den Argwohn, dass es in der Schlacht bei Chaironeia nicht mit rechten Dingen zugegangen sei; zumal da er alle Freunde des Mithridates, die seine Gefangenen waren, zurückgab und nur Aristion, einen Feind des Archelaos umbringen ließ, hauptsächlich aber, dass er dem Kappadokier 10 000 Morgen Landes auf Euboia gab und ihn in die Zahl der Freunde und Bundesgenossen der Römer aufnahm.
259. Als von Mithridates Gesandte ankamen und sich zum Übrigen bereit erklärten, Paphlagonien aber nicht abtreten wollten und leugneten, dass über Schiffe überhaupt etwas bedungen sei, wurde Sulla unwillig und erwiderte: »Was sagt ihr? Mithridates will Paphlagonien behalten und mir die Schiffe verweigern? Er, den ich voll Dank zu meinen Füßen erwartete, weil ich ihm die rechte Hand noch ließ, womit er so viele Römer ermordete? Er soll mir eine andere Sprache führen, wenn ich nach Asien hinüberkomme! Jetzt aber mag er in Pergamon sitzen und sich auf einen Krieg gefasst machen, den er noch nicht gesehen hat. Aus Furcht schwiegen die Gesandten; Archelaos aber flehte Sulla an, weinte, drückte ihm die Hand und besänftigte seinen Zorn, indem er ihn veranlasste, ihn selbst an Mithridates abzusenden. Er wolle den Frieden unter seinen Bedingungen vermitteln oder, wenn er ihn nicht dazu bringe, sich selbst entleiben.
260. Sulla hielt zu Dardanos in Troas eine Zusammenkunft mit Mithridates, welcher 200 Ruderschiffe, 20 000 Mann schwerbewaffnetes Fußvolk und 6000 Reiter hatte, während Sulla nur vier Eskorten und 200 Reiter begleiteten. Als ihm Mithridates entgegenkam und die Hand reichte, fragte er ihn zuerst, ob er auf die mit Archelaos eingegangenen Bedingungen den Krieg beilegen wolle.
261. Nachdem Sulla und Mithridates den Frieden abgeschlossen hatten, söhnte er ihn auch mit den Königen Ariobarzanes und Nikomedes aus. Mithridates lieferte 70 Schiffe und sehr viele 58Bogenschützen aus und schickte sich an, mit den Übrigen nach dem Pontos abzusegeln. Als aber Sulla seine Soldaten über diesen Frieden sehr unzufrieden sah – denn es empörte sie, dass der feindlichste König, der 150 000 Römer in Asien an einem Tag hingemordet hatte, aus Asien, das er vier Jahre lang geplündert und gebrandschatzt hatte, mit Schützen und Beute beladen abfahren sollte –, entschuldigte er sich damit, dass er Fimbria und Mithridates, wenn sie sich verbanden, allein nicht gewachsen wäre.
262. Weil Cinna und Carbo sich gegen die ausgezeichnetsten Männer Ungesetzlichkeiten und Gewalttaten erlaubten, flüchteten viele, um ihrer Tyrannei zu entgehen, wie in einen sicheren Hafen in das Lager Sullas, und bald hatte sich eine Art Senat um ihn gebildet.
263. Metellus, von Cinna besiegt, kam zu Sulla und war ihm sehr nützlich; denn der Ruf seiner Gerechtigkeit und kindlichen Liebe bewog viele, die sonst eben keine Freunde Sullas waren, zu ihm überzutreten, in der Voraussetzung, dass ein Mann wie er sich nicht ohne Grund an ihn anschließe und nie eine andere als die bessere und für das Vaterland wirklich nützlichere Partei ergreife.
In das Capitol schlug der Blitz ein, und es gingen nebst anderen die Sibyllinischen Bücher zugrunde.
264. Im Jahr der Stadt 671 (83 v.Chr.).
Gnaeus Pompeius, ein Sohn Strabos, 59den Plutarch mit dem Spartaner Agesilaos verglich, aufgebracht über diejenigen, die in der Stadt geboten, flüchtete, noch nicht einmal zum Manne gereift, in das Picenische, sammelte auf eigene Hand dort, wo sein Vater Statthalter gewesen war, eine Mannschaft und stellte eine Privatarmee auf, mit der er für sich allein etwas Erkleckliches ausrichten konnte. Er schloss sich sodann Sulla an, und er, der so klein angefangen hatte, blieb an Größe nicht hinter jenem zurück und verdiente mit der Tat den Namen des Großen, den man ihm beilegte.
265. Im Jahr der Stadt 672 (82 v.Chr.).
Sulla übergab das Heer einem Mann, der in nicht besonderem Lob stand, obgleich er viele um sich hatte, die von Anfang an zu ihm gehalten hatten und weit mehr Erfahrung und Übung besaßen und welche er auch bis dahin zu allem Nötigen verwendet und treu befunden hatte. Ehe er gesiegt hatte, bedurfte er ihrer und sprach ihre Dienste an; als er aber größere Hoffnung hatte, alles in seine Hände zu bekommen, nahm er keine Rücksicht mehr auf sie. Den schlechtesten Leuten aber und solchen, die sich weder durch Geburt noch durch Verdienste auszeichneten, vertraute er. Denn in diesen sah er für alle, selbst die ungebührlichsten Dinge bereitwillige Vollstrecker, die ihm auch für den geringsten Lohn den größten Dank wüssten und weder jemals übermütig würden noch sich die Ehre der Taten oder Ratschläge anzumaßen suchten. Der Mann von Verdienst dagegen würde zu seinen Ungebühren die Hand nicht bieten, ihm sie vielmehr vorhalten, den Ehrenpreis rühmlicher Taten verdientermaßen für sich ansprechen, ihm, als erhalte er nur, was ihm gebühre, keinen Dank wissen und, was er tue und rate, auf eigene Rechnung schreiben.
266. Sulla hatte jetzt die Samniten besiegt und war bis auf diesen Tag hochgefeiert; er hatte sich durch Feldherrntaten und weise Ratschläge den größten Namen erworben und zeichnete sich durch Menschlichkeit und Ehrfurcht vor den Göttern, wie man glaubte, so sehr aus, dass alle der Meinung waren, das Glück stehe ihm seiner Tugend wegen bei. Von dieser Zeit an aber war er so sehr umgewandelt, dass man seine früheren und seine späteren Handlungen nicht für die ein und desselben Mannes halten sollte. So wenig ertrug er sein Glück. Denn jenes, was er, so lange er noch nicht mächtig war, an anderen tadelte, und viel mehr und Schrecklicheres verübte er jetzt selbst. Längst schon hatte er es gewollt, gab sich aber erst als solcher kund, da er die Macht besaß. Und hierin glaubten einige, die vornehmlichste Ursache seines Unglücks zu finden.
Sobald Sulla die Samniten bezwungen und den Krieg beendigt zu haben glaubte (denn was noch übrig war, schlug er nicht an), war er ein anderer Mensch. Zwar blieb er außerhalb der Stadt, gewissermaßen in Schlachtordnung, überbot aber an Grausamkeit Cinna und Marius und alle, die nach ihm kamen. Denn was er keinem fremden Volk, das gegen ihn Krieg führte, getan hatte, tat er seinem Vaterland an, als ob er es im Krieg überwältigt hätte.
Noch am selben Tag schickte er die Köpfe des Lucius Damasippus 60und seiner Gefolgsleute nach Präneste und ließ sie auf Pfähle stecken, auch richtete er viele von denen hin, die sich ihm freiwillig ergeben hatten, als hätte er sie gefangen genommen. Am folgenden Tag berief er die Senatoren in den Tempel der Bellona, als ob er sich rechtfertigen wollte, und sammelte die Gefangenen in die öffentliche Villa, als wollte er sie in sein Heer einschreiben. Diese ließ er allesamt durch andere töten, und viele Menschen aus der Stadt, die sich unter sie gemengt hatten, kamen mit ihnen um. An jene hielt er eine Rede in den bittersten Ausdrücken.
266. Im Jahr der Stadt 672 (82 v.Chr.).
Dessen ungeachtet ließ Sulla die Gefangenen niedermetzeln. Weil sie in der Nähe des Tempels umgebracht wurden, drangen großer Lärm und lautes Geheul, Wehklagen und Gewinsel bis in den Senat, sodass die Senatoren von beiden Seiten beängstigt wurden; denn bei so verruchten Reden und Handlungen musste gleiches Schicksal auch sie erwarten, und deshalb wünschten diese statt dieser doppelten Beängstigung lieber unter denen zu sein, die draußen geschlachtet wurden, um nur einmal von ihrer Furcht befreit zu werden. Allein ihr Tod war nur aufgeschoben, die anderen aber wurden hingemordet und in den Fluss geworfen. Hatte man des Mithridates Tat, der an einem Tag alle Römer in Asien umbringen ließ, für gräulich gehalten, so war sie jetzt klein gegen die Menge und die Todesart der von Sulla Gemordeten.
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