Aber selbst hier blieb das Übel nicht stehen, wie durch ein Feuerzeichen verbreitete sich das Blutbad von hier durch die Stadt, über das Land und über alle Städte Italiens. Denn viele hasste Sulla selbst, viele seine Freunde teils wirklich, teils vorgeblich, damit sie die gleiche Gesinnung bestätigten, um nicht durch eine Verschiedenheit in den Verdacht der Missbilligung seiner Handlungsweise und dadurch selbst in Gefahr zu kommen. Sie brachten auch alle um, die sie durch Reichtum oder sonst etwas gegen sich im Vorteil sahen, die einen aus Neid, die anderen ihres Geldes wegen. In diesem Fall waren auch sehr viele der Parteilosen, [die keinem Teil geholfen hatten], sondern darum dem Tode verfielen, weil sie sich durch Verdienst, Geburt oder Reichtum vor anderen auszeichneten. Nirgends fand einer Sicherheit vor denen, welche die Macht in Händen hatten, wenn sie ihm schaden wollten.
268. Solches Unglück kam über Rom. Wer könnte all die Misshandlungen gegen die Lebendigen erzählen! Viele wurden an Frauen, viele an Knaben aus den edelsten Häusern, als wären sie Kriegsgefangene, verübt. So schrecklich all dieses war, so schien es doch wegen der Ähnlichkeit früherer Gewalttaten denen, die nichts dabei litten, erträglich. Sulla ging aber weiter und begnügte sich nicht mit dem, was auch andere vor ihm getan hatten. Es kam ihn die Laune an, auch an Mannigfaltigkeit der Mordarten alle zu übertreffen, als ob eine Ehre darin läge, auch in der Grausamkeit niemandem nachzustehen. Um auch hierin neu zu sein, stellte er eine weiße Tafel auf, auf welche er die Namen der Geächteten schrieb. 61
Nichtsdestoweniger ging alles wie bisher fort und diejenigen, welche nicht auf der weißen Tafel standen, waren darum noch keineswegs sicher. Denn viele, die teils noch lebten, teils schon tot waren, wurden mit auf die Liste gesetzt, um ihre Mörder der Strafe zu entziehen, sodass sich die Sache von dem Früheren in nichts unterschied und durch ihre Härte und Ungewöhnlichkeit jedermann empörte. Denn die Ächtungstafeln wurden wie Senatoren- oder Soldatenlisten aufgestellt, und alles, was gerade in der Nähe war, lief neugierig hin, als ob sie eine erfreuliche Bekanntmachung enthielten; da fanden viele ihre Verwandten, einige sich selbst auf der Liste der Schlachtopfer und wurden durch die plötzliche Gefahr in Angst und Schrecken versetzt. Viele wurden schon dran erkannt und umgebracht. Außer Sullas Anhang war niemand sicher. Trat einer an die Tafel, wurde er der Neugier beschuldigt, trat er nicht hin, der Unzufriedenheit. Las oder fragte einer, wer darauf stünde, war er verdächtig, als sei er um seiner selbst willen oder wegen seiner Freunde besorgt. Las oder erkundigte er sich nicht, so kam er in Verdacht, dass er darüber unwillig sei, und wurde deshalb gehasst. Weinen oder Lachen wurde auf der Stelle mit dem Tode bestraft. Viele wurden, nicht weil sie etwas sprachen oder taten, was verboten war, sondern wegen ihres finsteren oder lächelnden Gesichtes umgebracht: So genau wurden die Mienen belauert. Keiner durfte seiner Freunde wegen wehklagen oder über das Schicksal des Feindes frohlocken. Auch diese wurden, als ob sie jemanden verhöhnte, niedergestoßen. Selbst die Familiennamen wurden manchen zum Verderben. Denn da einige die Geächteten nicht kannten, legten sie deren Namen allen bei, welchen sie wollten, und viele mussten auf diese Art anstelle anderer sterben. So entstand denn oft großer Lärm, wenn die einen die, denen sie zufällig begegneten, nannten, wie sie wollten, die anderen aber sich diesen Namen nicht geben lassen wollten.
Die einen wurden umgebracht, ohne zu wissen, dass sie sterben sollten, andere wussten es und liefen, wo immer sie gerade waren, dem Tod in die Arme. Kein Ort war so heilig, dass er eine sicher Asylstatt bot. Diejenigen, die plötzlich, bevor sie von dem drohenden Unglück erfuhren, oder gleichzeitig mit dieser Kunde den Tod fanden, waren noch die Glücklicheren, denn ihnen blieb doch die beängstigende Furcht erspart. Die aber, die die Gefahr im Voraus wussten und sich versteckten, waren am schlimmsten dran. Denn sie wagten weder, sich zu entfernen, um nicht entdeckt zu werden, noch zu bleiben, um nicht verraten zu werden. Sehr viele kamen – von denen, bei welchen sie sich befanden, ja selbst von den liebsten Freunden, verraten – ums Leben. Und in dieser beständigen Erwartung des Todes lebten nicht nur die, welche auf der Ächtungsliste standen, sondern auch alle Übrigen.
Die Köpfe der überall Getöteten wurden nach Rom ins Forum gebracht und auf der Rednertribüne zur Schau gestellt, sodass dasselbe wie bei den Ächtungstafeln auch beim Anblick der Köpfe geschah.
269. Sulla ließ sich selbst »den Glücklichen« nennen. Als einmal ein Schauspiel gegeben wurde, soll Valeria, die Schwester des Redners Hortensius, welche hinter Sulla ging, die Hand ausgereckt und ein Stückchen von seinem Gewand abgerissen haben. Als er sich umwendete, sprach sie: »Ich wollte nur einen kleinen Anteil an deinem Glück haben, Imperator!« Diese Rede soll ihm so sehr gefallen haben, dass er sich bald darauf, da Metella bereits gestorben war, mit ihr vermählte.
270. Als Sulla und Marius sich bekriegten und den Staat tyrannisierten, verfolgte Sulla nach Marius’ Tod seine Gegner mit aller Macht, sodass mit des Marius Tod nicht das Ende, sondern ein bloßer Wechsel der Tyrannei eintrat. Denn er verfuhr mit großer Grausamkeit, sodass er zuletzt mehrere ihres Reichtums oder ihrer Güter wegen zugunsten seiner Freunde zur Strafe zog. So soll ein angesehener, gutmütiger und ruhiger Mann, Quintus [Aurelius], der es mit keiner Partei gehalten hatte, als er unerwartet seinen Namen auf der Ächtungsliste erblickt hatte, ausgerufen haben. »O, ich Unglücklicher, mich richtet mein Albaner Gut zugrunde.«
271. Im Jahr der Stadt 676 (78 v.Chr.).
Als Sulla sah, wie sich Pompeius über die Wahl des Lepidus zum Konsul freute, sagte er: »Gott segne deinen Eifer, junger Mann, dass du dem Lepidus vor Catulus, dem besten aller Bürger, den Vorzug gabst. Nun sieh dich vor, dass du den Gegner, dem du aufgeholfen hast, niederkämpfst!« Dies sprach Sulla wie in prophetischem Geiste; denn bald darauf wurde Lepidus, als er sich in seinem Amt übermütig benahm, des Pompeius Feind.
272. Im Jahr der Stadt 684 (70 v.Chr.).
Als die Kreter an die Römer Gesandte schickten und hofften, dass sie ihnen nicht nur die alten Verträge erneuern, sondern auch für die Erhaltung des Quästors und seiner Soldaten Dank wissen würden, gaben ihnen diese, mehr aufgebracht über deren Gefangennahme als über ihre Schonung, nicht nur keine freundliche Antwort, sondern verlangten außer allen Gefangenen und Überläufern noch Geiseln von denselben. Überdies forderten sie eine große Summe Geldes sowie die Auslieferung ihrer größeren Schiffe und ihrer angesehensten Männer, ja sie erwarteten nicht einmal die Antwort von der Insel, sondern schickten sogleich den einen Konsul ab, das Verlangte in Empfang zu nehmen und sie, wenn sie sich, wie es auch der Fall war, weigerten, mit Krieg zu überziehen. Denn da sie sich von Anfang an, ehe etwas der Art von ihnen verlangt wurde und ehe sie gesiegt hatten, zu keinem Vergleich entschließen wollten – wie hätten sie sich nach dem Sieg die Auferlegung so vieler und schwerer Bedingungen gefallen lassen sollen? Da dies die Römer wohl wussten und überdies den Verdacht hegten, die Gesandten möchten es versuchen, einige zu bestechen, um den Feldzug zu verhindern, so fassten sie einen Senatsbeschluss, dass niemand ihnen etwas borgen solle.
273. Im Jahr der Stadt 685 (69 v.Chr.).
Als die Konsuln losten, fiel dem Hortensius der Krieg gegen die Kreter zu. Weil dieser aber lieber in der Stadt bleiben und den Gerichten beiwohnen wollte, wo er nach dem Cicero unter allen seinen Zeitgenossen am meisten vermochte, trat er seinem Amtsgenossen freiwillig den Oberbefehl ab und blieb daheim. Metellus fuhr gegen Kreta aus und bezwang später die ganze Insel, obgleich er von Pompeius dem Großen, der damals schon über das ganze Meer und drei Tagreisen landeinwärts gebot, vielfach gehindert worden war, weil auch die Inseln, wie er behauptete, in seinen Bereich gehörten. Metellus aber ließ sich nicht stören, beendigte den Kretischen Krieg, hielt einen Triumph und bekam den Beinamen Creticus.
Читать дальше