215. Gracchus gab Gesetze zugunsten derer, die vom Volk Kriegsdienste taten, übertrug das Richteramt vom Senat auf die Ritter und knetete und warf alles Bestehende durcheinander, um sich daraus einige Sicherheit zu verschaffen. Als ihm aber auch dabei nichts gelang, seine Amtszeit zu Ende ging und er sich mit Niederlegung desselben seinen Feinden preisgegeben sah, bemühte er sich, sich auch für das folgende Jahr mit seinem Bruder zum Volkstribun, seinen Schwiegervater Appius Claudius aber zum Konsul wählen zu lassen, und ließ es für diesen Zweck nicht an Worten und Versprechungen fehlen. Oft legte er sogar Trauerkleider an und führte seine Mutter und seine Kinder vor das Volk, um mit ihm zu flehen.
216. Im Jahr 625 (129 v.Chr.).
Publius Scipio Africanus hatte mehr Ehrgeiz, als ziemlich war oder mit seinen sonstigen Vorzügen übereinstimmte, und doch freute sich niemand selbst von der Gegenpartei über seinen Tod, 52auch wünschten sie ihn, obgleich sie ihn für ihren größten Widersacher hielten, zurück. Denn sie sahen, dass er dem Gemeinwesen gut anstand, und befürchteten auch für sich nichts Schlimmes von ihm. Mit seinem Fall sank wieder die Macht der Nobilität, sodass die Landverteiler ungestraft ganz Italien, sozusagen, plündern durften.
Dies scheinen auch die Menge von Steinen, die vom Himmel auf einige Tempel fielen und mehrere Menschen töteten, und die Tränen Apollos vorbedeutet zu haben. Denn er weinte – weinte drei Tage lang, sodass die Römer auf den Rat der Wahrsager beschlossen, seine Bildsäule zu zerschlagen und ins Meer zu werfen.
217. Gaius Gracchus hatte dieselben Grundsätze wie sein Bruder, nur dass dieser von der Tugend in Ehrgeiz und von diesem auf die Abwege des Lasters geriet; er dagegen, von Natur ein unruhiger Kopf, handelte aus freier Entschließung schlecht. Als Redner übertraf er ihn weit, zeigte aber deswegen auch in seinen Anschlägen mehr Bosheit, in seinen Unternehmungen mehr Kühnheit und größere Anmaßung in allem, was er tat. Er war der Erste, der während seiner Reden an das Volk auf- und niederging, der Erste, der den Arm entblößte, sodass seit ihm keines von beiden mehr für unanständig galt. Da er mit großer Gedrängtheit der Beweise und mit viel Nachdruck der Worte sprach und oft so hingerissen wurde, dass er auf ganz anderes abschweifte, als er sagen wollte, nahm er einen Flötenspieler mit sich, nach dessen Takt er sich stimmte und mäßigte. Und wenn er auch dann sich noch vergaß, hielt er inne.
218. Im Jahr der Stadt 631–633 (123–121 v.Chr.).
Als ein Mann von solchem Charakter griff er die Staatsverfassung an; und weil er sich stellte, als ob er etwas Unerlaubtes weder spreche noch tue, stand er bald bei Volk und Rittern in höchstem Ansehen und hätte bei längerem Leben den ganzen Adel und Senat zugrunde gerichtet. Durch übermäßige Herrschsucht aber selbst seinen Anhängern verhasst, ging er durch seine eigenen Künste unter.
219. Im Jahr der Stadt 635 (119 v.Chr.).
In das sechshundertfünfunddreißigste Jahr der Erbauung Roms fiel die hundertvierundsechzigste Olympiade.
220. Im Jahr der Stadt 640 (114 v.Chr.).
Die Priesterinnen der Vesta hatten zwar die Strafe und die Schande selbst zu büßen, machten aber auch viele andere unglücklich. Die ganze Stadt kam durch sie in Unruhe. Denn bedachte man, dass das sonst durch Gesetze Unverletzliche, durch Religion Geheiligte, durch Furcht vor Strafe rein Erhaltene befleckt wurde, so hielt man nichts mehr für zu schändlich und ruchlos, dass es nicht verübt werden könnte. Es wurden daher nicht nur die Überwiesenen, sondern, aus Abscheu vor dem Verbrechen, auch alle anderen Angeklagten zur Strafe gezogen; und man schien nicht so sehr über das Verbrechen der Frauen bekümmert, sondern das Ganze für ein Verhängnis göttlichen Zorns anzusehen.
Drei derselben hatten sich zu gleicher Zeit mit Männern eingelassen. Eine von ihnen, Marcia, hatte nur mit einem Ritter zu tun gehabt und wäre vielleicht unentdeckt geblieben, wenn nicht die strenge Untersuchung gegen die anderen auch sie hineingezogen hätte. Aemilia und Licinia aber hatten eine Menge Buhlen und gaben sich, eine um die andere, denselben hin. Anfangs hatten sie nur mit wenigen Einzelnen und insgeheim Umgang und stellten sich, als wäre jeder der allein Begünstigte, später aber ließen sie jeden, der Verdacht schöpfen und sie verraten konnte, um ihn zum Stillschweigen zu nötigen, an ihrem Umgang teilnehmen. Ihre älteren Liebhaber, obgleich die es bemerkten, ließen es sich gefallen, um sich nicht durch ihren Unwillen zu verraten. So gaben sie sich bald mit einem, bald mit vielen, bald einzeln, bald gemeinschaftlich ab, Licinia aber vornehmlich mit dem Bruder der Aemilia und Aemilia mit dem der Licinia.
Lange Zeit blieb die Sache verborgen. Obgleich viele Männer und Frauen, Freie und Sklaven darum wussten, blieb es doch sehr lange verschwiegen, bis ein gewisser Manius, der bei dem ganzen Frevel den vornehmsten Unterhändler und Helfer gemacht hatte, die Sache verriet, weil er seine Freiheit und andere Vorteile, auf die er gehofft hatte, nicht erhalten hatte. Wirklich besaß er auch nicht nur zum Kuppeln, sondern auch zur Verleumdung und zum Hetzen besonderes Geschick.
221. Im Jahr der Stadt 642 (112 v.Chr.).
Schon dies allein hatte Marcus Drusus Ruhm gebracht. Catos frühere Niederlage, und weil er die Soldaten mit großer Milde behandelte, bewirkten aber, dass sein Sieg, wie es schien, zu hoch veranschlagt wurde und er mehr Ehre erntete, als seine Taten verdienten.
222. Im Jahr der Stadt 646 (108 v.Chr.).
Metellus forderte von Iugurtha, der ihm Frieden anbot, vieles, aber jedes einzeln und immer so, als ob er sonst nichts weiter fordern wollte. So erhielt er von ihm nach und nach Geiseln, Waffen, die Elefanten, die Gefangenen und die Überläufer. Letztere ließ er alle töten. Doch kam es nicht zum Frieden, weil Iugurtha, aus Furcht, gefangen genommen zu werden, sich weigerte, zu ihm zu kommen, und weil auch Marius und Gnaeus den Frieden hintertrieben.
223. Marius, überhaupt ein unruhiger, aufrührerischer Kopf, ein Freund des gemeinsten Pöbels, aus welchem er selbst stammte, befeindete alles, was Adel hieß. Wo immer er durch Reden, Versprechungen, Lügen und Meineid seinen Vorteil zu finden hoffte, bedachte er sich nicht lange. Verleumdung der Besten und Lob der Schlechtesten waren für ihn ein Spiel. Kein Wunder, dass er bei solchem Charakter lange Zeit sein Wesen trieb; denn durch listige Kniffe und sein Glück, das ihm überall treu blieb, wusste er sich sogar den Ruhm wahren Verdienstes zu erwerben.
Den Metellus zu verleumden, wurde ihm leichter, weil derselbe Patrizier und als Held bekannt war, er selbst aber aus niedriger Dunkelheit erst vor das Volk zu treten begann. Denn die Menge war geneigt, den einen aus Neid zu demütigen, den anderen wegen der Versprechungen, die er machte, emporzuheben; besonders aber trug dazu bei, dass das Gerücht ging, Metellus habe zu Marius, als er ihn zu der Wahlversammlung beurlaubte, gesagt: »Du darfst froh sein, wenn du mit meinem Sohn – der damals noch ein sehr junger Mensch war – Konsul wirst.«
Gauda 53grollte dem Metellus, weil er von ihm auf seine Bitte weder die Überläufer noch die Leibwache römischer Soldaten erhielt oder auch deshalb, weil er ihn nicht nahe bei sich sitzen ließ, eine Ehre, die sonst die Konsuln Königen und Fürsten immer zu erweisen pflegten.
224. Im Jahr der Stadt 647 (107 v.Chr.).
Als Cirta gegen Bedingungen übergegangen war, schickte Bocchus 54Gesandte an Marius. Anfangs verlangte er Iugurthas Reich als Lohn seines Übertritts; später, als er dies nicht erhielt, bat er einfach um Frieden. Marius schickte die Gesandten nach Rom; Iugurtha hingegen begab sich in die verlassensten Gegenden seines Landes.
225. Im Jahr der Stadt 648 (106 v.Chr.).
Marius nahm zwar die Gesandten des Bocchus an, erklärte aber, dass er sich nicht früher auf Unterhandlungen einlasse, bis er ihm den Iugurtha ausgeliefert hätte. Und dies geschah auch.
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