1Zit. nach Johan Brouwer, Johanna die Wahnsinnige. Ein tragisches Leben in bewegter Zeit, München 1978, S. 16.
2Zit. nach Manuel Fernández Álvarez, Johanna die Wahnsinnige. 1479-1555. Königin und Gefangene, München 2008, S. 43.
3Zit. nach Ebd., S. 43f.
4Zit. nach Ebd., S. 72.
5Zit. nach Brouwer, Johanna die Wahnsinnige, S. 33.
6Zit. nach Fernández Álvarez, Johanna die Wahnsinnige, S. 86.
7Zit. nach Dorothy Gies McGuigan, Familie Habsburg. 1273-1918, 2. Aufl., Bergisch Gladbach 1989, S. 80.
8Zit. nach Fernández Álvarez, Johanna die Wahnsinnige, S. 90f.
9Zit. nach Brouwer, Johanna die Wahnsinnige, S. 101.
10Zit. nach Ursula Tamussino, Margarete von Österreich. Diplomatin der Renaissance, Graz, Wien, Köln 1995, S. 199.
11Zit. nach Fernández Álvarez, Johanna die Wahnsinnige, S. 156.
12Zit. nach Brouwer, Johanna die Wahnsinnige, S. 161.
13Zit. nach Fernández Álvarez, Johanna die Wahnsinnige, S. 206.
14Zit. nach Brouwer, Johanna die Wahnsinnige, S. 193.
Des Ehebruchs verdächtigt
Anna Boleyn
Am Morgen des 19. Mai 1536 schritt Anna Boleyn in der Begleitung von vier Damen vom Towergebäude zur Hinrichtungsstätte auf dem Towerrasen. Unter einem Hermelinmantel trug sie ein loses Gewand aus dunkelgrauem pelzverbrämten Damast sowie einen karmesinroten Unterrock. Eine Kappe aus weißem Leinen bedeckte ihr Haar unter der Haube. Auf das in beschränkter Zahl zugelassene Publikum machte die zweite Gemahlin von König Heinrich VIII. von England einen gefassten und würdevollen Eindruck. Sie sah laut einem Augenzeugen »so frohgemut aus, als ginge sie gar nicht in den Tod« 1. Für diese Hinrichtung hatte der Monarch eigens für vierundzwanzig Pfund einen Henker aus der Region Calais kommen lassen, der einen hervorragenden Ruf für Enthauptungen mit dem Schwert genoss. Offensichtlich lag Heinrich VIII. immerhin daran, dass seine von ihm auf das Schafott geschickte Ehefrau nicht unnötig leiden musste.
Bevor sich Anna Boleyn zur Hinrichtung niederkniete, durfte sie noch eine kurze Abschiedsrede halten: »Ihr Herren, ich unterwerfe mich hier demütig dem Gesetz, da das Gesetz mich verurteilt hat, und was meine Verbrechen angeht, beschuldige ich keinen Menschen. Gott kennt sie; ich empfehle sie Gott und flehe Ihn an, Erbarmen mit meiner Seele zu haben.« Danach rief sie noch Gott an, er solle den König schützen, »den besten, edelsten und mildesten Fürsten, den es gibt« 2. Derartige Loyalitätsbekundungen ausgerechnet für den Mann, der sie wegen angeblichen Ehebruchs und Hochverrats zum Tode verurteilen ließ, muten heutzutage höchst sonderbar an, doch kam derartiges Verhalten im 16. Jahrhundert nicht selten vor, da der Herrscher als »Quelle der Ehre« betrachtet wurde. Nach diesen erschütternden Worten kniete sich Anna Boleyn nieder, ließ sich die Augen verbinden und wurde mit einem Streich geköpft.
Anna Boleyn, die zweite der insgesamt sechs Ehefrauen von König Heinrich VIII. von England, ist in die Geschichte nicht nur als die Mutter der englischen Königin Elisabeth I., einer der machtvollsten Herrscherinnen Europas, eingegangen, sondern spielt auch für die Trennung der Anglikanischen Kirche von Rom eine bedeutende Rolle. Ihr Geburtsdatum ist allerdings ebenso wenig bekannt wie ihr Geburtsort. Entweder wurde sie um 1501 oder 1507 wohl in Blickling Hall in Norfolk geboren. Ihr Vater Sir Thomas Boleyn, der als Diplomat Karriere machte, entstammte einer reichen Kaufmannsfamilie, die in den Adel aufgestiegen war. Ihre Mutter Elisabeth Howard gehörte der englischen Hocharistokratie an. Sir Thomas Boleyn sorgte dafür, dass seine begabte und vielversprechende Tochter Anna eine ausgezeichnete Erziehung am Hof der Statthalterin der Niederlande, Margarete von Österreich, erhielt. Danach kam sie als Hofdame an den französischen Königshof, wo sich bereits ihre ältere Schwester Maria aufhielt. Anna konnte hier ihre Kenntnisse in französischer Konversation, Dichtkunst und Musik sowie in höfischem Benehmen vervollkommnen. Sie spielte mehrere Instrumente und galt als hervorragende Tänzerin. In dieser Zeit wurde auch ihre Vorliebe für französische Mode geweckt. Sie war aber keine oberflächliche junge Frau, sondern interessierte sich auch für religiöse Literatur.
Als Anna Boleyn 1521 nach England zurückkehrte, wo sie ihr Vater vorteilhaft zu verehelichen gedachte, war sie bestens auf das höfische Leben vorbereitet. Wie bereits ihre Schwester Maria wurde sie zur Hofdame von Heinrichs Gemahlin Katharina von Aragón ernannt. Ihr Debüt bei Hof fiel glanzvoll aus. Anna Boleyn war zwar keine große Schönheit, scheint aber über eine starke erotische Anziehungskraft auf Männer verfügt zu haben. Sie beeindruckte vor allem durch ihren Witz, ihre Bildung und Schlagfertigkeit, wodurch sie sich sehr von den meist eher still und unterwürfig auftretenden Damen ihrer Zeit unterschied.
Zunächst interessierte sich Heinrich VIII. mehr für ihre leichtfertigere Schwester Maria, mit der ihn eine zweijährige Affäre verband. Seit dem Karneval 1526 wandte der König seine Aufmerksamkeit jedoch der anmutigen Anna Boleyn zu. Aus den Jahren 1527 und 1528 sind siebzehn eigenhändig verfasste Liebesbriefe Heinrichs in französischer und englischer Sprache an sie erhalten geblieben, obwohl er sonst das Schreiben von Briefen hasste. Von ihrer Hand sind keine derartigen Dokumente überliefert. Anna Boleyn reagierte anfangs zurückhaltend auf die Avancen des Königs. Heinrich versprach ihr daraufhin, sich um keine anderen Frauen mehr zu bemühen, wenn sie ihn erhöre: »Doch wenn Ihr geruht, den Platz einer wahren, treuen Geliebten und Freundin einzunehmen und Euch mit Leib und Seele dem zu schenken, der Euer treuer Diener war und sein will (sofern Ihr es mir nicht streng verbietet), dann verspreche ich Euch, daß Euch nicht nur diese Bezeichnung zusteht, sondern ich Euch als meine einzige Geliebte nehme, alle anderen, die um Euch sind, aus meinen Gedanken und meiner Zuneigung verbanne und nur Euch dienen werde« 3. Die Reserviertheit der jungen Hofdame gegenüber ihrem königlichen Verehrer hing nicht nur damit zusammen, dass sie keine flatterhafte Frau war, sondern findet sicherlich auch seinen Grund in den Schicksalen abgelegter oder verstoßener Mätressen von Fürstlichkeiten, die ihr warnend vor Augen standen. Anna Boleyn lehnte deshalb selbstbewusst den Status einer Geliebten für sich ab und bestand auf einer gültigen Ehe. Außerdem war sie als stolze Frau nicht bereit, sich mit einem Platz hinter der Königin zufriedenzugeben und ihre zukünftigen Kinder mit Heinrich von der Thronfolge ausgeschlossen zu sehen. Dadurch dass sie sich dem König verweigerte, steigerte sie nur noch Heinrichs Liebeswerben, der es sonst nicht gewohnt war, dass seine Wünsche nicht umgehend erfüllt wurden.
Der verliebte König entschloss sich im Mai 1527 zu einer zweiten Heirat und damit für die Möglichkeit, endlich einen legitimen Sohn als Erben zu erhalten. Seit längerer Zeit hatte sich Heinrich VIII. bereits mit der ungelösten Frage der Thronfolge und des Fortbestands seiner erst seit 1485 regierenden Dynastie des Hauses Tudor beschäftigt, da er aus seiner Ehe mit Katharina von Aragón nur eine überlebende Tochter besaß. Als Grundlage für eine Annullierung seiner beinahe zwanzig Jahre währenden Ehe führte er an, dass laut Kap. 20, 21 des 3. Buchs Mose die Heirat mit der Witwe des eigenen Bruders eine Sünde sei und mit Kinderlosigkeit gestraft würde. Katharina von Aragón war vor ihrer Ehe mit Heinrich kurze Zeit mit dessen älterem, aber früh verstorbenen Bruder Arthur verheiratet gewesen. Papst Clemens VII., dem der Fall des Königs vorgebracht wurde, befand sich jedoch in einer Zwickmühle. Abgesehen von den juristischen Schwierigkeiten sah sich der Papst auch dem Druck Kaiser Karls V., dem Neffen von Königin Katharina, ausgesetzt, von dem er abhängig war. Der Papst entschied sich daher für eine Hinhaltetaktik in dieser Frage. Das von zwei päpstlichen Legaten in England geleitete Tribunal zur Annullierung der königlichen Ehe lehnte Königin Katharina als nicht zuständig ab, sondern forderte ihr Fall solle vom Papst in Rom verhandelt werden. Sie pochte auf die Rechtmäßigkeit ihrer Ehe mit Heinrich, da sie noch Jungfrau gewesen wäre, als sie diesen heiratete. Ab 1529 beschäftigten sich verschiedene europäische Universitäten mit der Annullierungsfrage der königlichen Ehe, kamen aber zu keinem einheitlichen Ergebnis. Dass Heinrich VIII. wegen Anna Boleyn auf jeden Fall eine Trennung von Katharina wünschte, war dem kaiserlichen Gesandten Eustace Chapuys nur zu klar: »Des Königs Leidenschaft für die Dame, im Verein mit seinem Starrsinn, war dergestalt, daß keine Möglichkeit blieb, ihn durch Sanftmut oder schöne Worte an sein Pflichtgefühl zu erinnern« 4.
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