Eine Liebesaffäre zwischen einem noch unverheirateten Adeligen und einer Frau aus einfacheren Verhältnissen hätte an sich kaum größeres Aufsehen erregt, da eine Geliebte einer standesgemäßen Heirat und damit erbberechtigtem Nachwuchs nicht im Wege stand. Die Beziehung zwischen Albrecht III. und Agnes Bernauer nahm aber einen überraschenden, die gesellschaftlichen Konventionen sprengenden Verlauf. Das Auftreten der jungen Frau fiel aus dem gewohnten Rahmen und sorgte für Misstöne. Im Sommer 1432 mischte sie sich selbstbewusst in die Beziehungen zwischen dem Herzog und der Stadt München ein, als sie dafür sorgte, dass ein vor dem Zugriff der städtischen Schergen in die Alte Veste, die herzogliche Residenz, geflohener Pferdedieb festgenommen werden konnte. Sie veranlasste nämlich, dass die Stadt einen Boten an den abwesenden Herzog schickte und um die Herausgabe des Diebes nachsuchte. Albrechts Schwester Beatrix reagierte bei einem Besuch in München empört über dieses in ihren Augen anmaßende Benehmen und sprach öffentlich zornig von »der hoch und grosfaisten Bernawerin« 4(= der hochmütigen und aufgeblasenen Bernauerin). Eventuell war Agnes Bernauer zu diesem Zeitpunkt bereits mit Albrecht verheiratet und sah sich deshalb zu diesem Verhalten berechtigt. Die zeitgenössischen Quellen liefern allerdings keine eindeutigen Beweise für eine Eheschließung, es spricht aber einiges für eine geheim gehaltene Ehe. Vielfach wird der am 7. Januar 1433 urkundlich belegte Kauf einer Hube und Hofstatt in Niedermenzing durch Agnes Bernauer als Morgengabe Albrechts interpretiert, der ihr diesen Kauf ermöglichte. Ein eindeutiger Beweis für eine Eheschließung ist dieser Grunderwerb aber nicht, da solche Käufe häufig zu den üblichen Versorgungsleistungen für eine fürstliche Geliebte gehörten. In dem in der Nähe gelegenen Schloss Blutenburg lebte Albrecht nachweislich ungefähr zwei Jahre mit Agnes Bernauer zusammen. Dass es sich nicht nur um eine uneheliche Verbindung gehandelt haben kann, dafür spricht am eindeutigsten Agnes Bernauers tragischer Tod, da ihre Ermordung sonst weitgehend sinnlos gewesen wäre. Eine solche unebenbürtige Ehe verstieß aber gegen die Standesschranken der mittelalterlichen Gesellschaft. Damals bildeten sich selbst innerhalb des Adels Heiratsschranken aus. Wie sehr diese Verbindung zwischen einem Mitglied des Hochadels und einer Frau »aus dem Volk« dem adeligen Standesbewusstsein widersprach, wird durch die verächtliche Behandlung Albrechts bei einem Turnier am 23. November 1434 in Regensburg deutlich, als ihm die Teilnahme am Turnier verwehrt wurde. Der Herzog wurde »wegen seiner Geliebten, deretwegen er, wie man glaubte, es verschob, eine rechtmäßige Frau zu heiraten, angegriffen und geschlagen« 5. Albrechts Mesalliance verstieß gegen die von Gott gewollte Ordnung der Ständegesellschaft.
Während quellenmäßige Belege für einen längeren zusammen verbrachten Aufenthalt des Paares in der Grafschaft Vohburg ebenso fehlen wie für eine gemeinsame Nachkommenschaft, sieht die Überlieferung für Straubing besser aus. Seit 1434/1435 trat Agnes Bernauer in Straubing als »Herzogin« an der Seite Albrechts auf, der nur noch selten nach München kam. Der bedeutende bayerische Geschichtsschreiber Aventinus schrieb etwa hundert Jahre später, dass sich die Bernauerin selbst als »Gemahlin des bayerischen Fürsten und Herzogin von Bayern« 6bezeichnet habe. Wie Agnes Bernauer selbst ihre Position in Straubing verstand, verrät ihre Altarstiftung im Kloster der Karmeliten zu Straubing. Da das Kloster mit seiner Kirche als Grablege für die Straubinger Wittelsbacher, die wohlhabenden Bürger und den niederbayerischen Adel diente, wollte sie hier ebenfalls im Kreuzgang ihre letzte Ruhestätte finden. Ganz offensichtlich fühlte sie sich als legitime Herzogsgemahlin.
Als Herzog Albrecht im Straubinger Land zunehmend nach einem unabhängigeren Regiment strebte und mehrmals den schuldigen Gehorsam seinem Vater verweigerte, löste dies wachsendes Missfallen bei Herzog Ernst I. aus. Für weiteren Konfliktstoff sorgte Albrechts Wunsch nach Herausgabe des gesamten mütterlichen Erbes. Dass Herzog Ernst hinter dem neuen, für ihn unerfreulichen Verhalten seines Sohnes, der früher wenig Interesse an der Mitregierung in München gezeigt hatte, als die eigentlich Schuldige die Bernauerin vermutete, dafür sprechen seine späteren Ausführungen gegenüber Kaiser Sigismund. Wahrscheinlich hatte Herzog Ernst die Bernauerin zunächst nur als eine vorübergehende Geliebte seines Erben eingeschätzt. Inzwischen sah der alte Herzog jedoch die Erbfolge in Bayern-München durch die unstandesgemäße Verbindung in höchstem Grade gefährdet. Immer wieder war es nach dem Tod von Kaiser Ludwig dem Bayern im Jahr 1347 zu Teilungen der wittelsbachischen Territorien gekommen, und immer wieder gab es auch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Teillinien. Die wittelsbachischen Verwandten in den Herzogtümern Bayern-Ingolstadt und Bayern-Landshut waren in ihrem Interesse an einer erneuten Teilung nicht zu unterschätzen. Durch den unerwarteten Tod von Ernsts Bruder und Mitregenten Herzog Wilhelm III. im September 1435 verschärfte sich die Situation bedenklich, da dieser nur einen schwächlichen Sohn namens Adolf hinterlassen hatte. Zur Sicherung des Fortbestandes des Herzogtums Bayern-München musste Albrecht unbedingt standesgemäß heiraten und legitime Kinder bekommen. Außerdem musste er sich zur Sicherung des Zusammenhalts des Herzogtums mit dem Straubinger Land wieder dem väterlichen Willen fügen. Agnes Bernauer stand all diesen Erfordernissen im Weg, solange sie lebte.
Als Herzog Albrecht im Oktober 1435 einer Einladung von Herzog Heinrich XVI. von Bayern-Landshut zu einer Jagdpartie und einer geheimen Besprechung Folge leistete, nutzte Herzog Ernst I. die Abwesenheit seines Sohnes, um Agnes Bernauer verhaften und am 12. Oktober 1435 in der Donau ertränken zu lassen. Ob es sich bei der Einladung des Landshuter Herzogs um eine mit Herzog Ernst abgesprochene List handelte, um Albrecht bewusst von Straubing fernzuhalten und dessen Vater freie Hand zu verschaffen, muss ungeklärt bleiben. Höchstwahrscheinlich fand kein ordentliches Gerichtsverfahren statt, allenfalls ein Schnellverfahren, bei dem das Urteil von vornherein feststand. Ertränken war eine im ausgehenden Mittelalter gebräuchliche Hinrichtungsart für Frauen. Die der Bernauerin alles andere als wohlgesinnte Stimmung in den führenden Kreisen der Residenzstadt München gibt der dortige Stadtschreiber Hans Rosenbusch nach deren gewaltsamem Ende wieder, indem er geradezu zynisch darüber schreibt, »das man die Bernawerin gen hymel gefertigt hett« 7.
Als der bayerische Erbprinz Albrecht von Agnes Bernauers Tod erfuhr, ging er am 14. Oktober wutentbrannt an den Hof von Herzog Ludwig dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt, der mit seinem Vater verfeindet war. Erste Fehdebriefe wurden zugestellt. Eine latente Kriegsgefahr zwischen den bayerischen Teilherzogtümern bestand allerdings in den letzten Jahren immer, so dass sicherlich nicht nur emotionale Gründe zu diesem Schritt führten, sondern auch Albrechts Erkenntnis, dass sein Vater unter keinen Umständen bereit war, dem Straubinger Land und damit ihm eine größere Selbständigkeit einzuräumen. Um den drohenden Konflikt zu entschärfen, wandte sich Herzog Ernst I. Ende Oktober auch an Kaiser Sigismund. In den Anweisungen, die er seinem Gesandten Friedrich Aichstetter mitgab, findet sich Ernsts offizielle Begründung für die brutale Beseitigung der unerwünschten Schwiegertochter. Er sprach davon, dass sein Sohn »mit einem poesn weyb« 8beladen gewesen sei, das diesen schon seit drei oder vier Jahren bedrückt habe, so dass Albrecht seitdem »nie recht froelich gewesen« sei. Er habe schließlich um das Leben seines Sohnes fürchten müssen. Zudem sei ihm zu Ohren gekommen, dass die Bernauerin einen Giftmord an ihm selbst und seinem jungen Neffen Adolf geplant habe. Da kein Ende für diese unerfreuliche Situation abzusehen gewesen wäre, weil sich die Bernauerin mit »hartnekayt« im Straubinger Schloss behauptet habe, habe er schließlich eingegriffen und diese Frau ertränken lassen. Abschließend verwies Herzog Ernst darauf, dass diese Beziehung seines Sohnes zu der Bernauerin »ein schand und smach« gewesen sei und den Ruf der bayerischen Fürsten im Ausland beschädigt habe. Ernst bat daher den Kaiser, Albrecht dazu zu bewegen, zu seinem Vater zurückzukehren und sich dessen Anweisungen zu fügen. Da sich der Herzogssohn nach einem knappen Dreivierteljahr nach dem Tod der Agnes Bernauer wieder mit seinem Vater versöhnte, hatte der Kaiser vielleicht ja tatsächlich mäßigend auf Albrecht eingewirkt.
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