Sich ohne genaue Kenntnis der Machtmechanismen in den Kampf um eine herausgehobene Stellung einzulassen, konnte mitunter tödlich enden, wie dies zum Beispiel das tragische Schicksal der Baderstochter Agnes Bernauer beweist. Dass eine Intrige nicht zwangsläufig zuungunsten des ins Auge gefassten Opfers ausgehen musste, beweist das Schicksal der Katharina von Braganza. Im Gegensatz zu einer anderen, wesentlich bekannteren englischen Königsgemahlin, Anna Boleyn, musste sie den gegen sie erhobenen, dabei aber völlig haltlosen Hochverratsvorwurf nicht mit ihrem Leben bezahlen. Bei ihr hatten sich die Verschwörer sozusagen »verrechnet« und den Rückhalt, den sie in führenden Kreisen und vor allem bei ihrem Ehemann König Karl II. genoss, falsch eingeschätzt. Bei Anna Boleyn hingegen war König Heinrich VIII. selbst die treibende Kraft hinter den Anschuldigungen, so dass diese geradezu zwangsläufig den Weg des Opfers zum Schafott ebneten. In ihrem Fall wirkte es sich außerdem fatal aus, dass sie sich in den Zeiten ihres Glanzes nur wenig Freunde gewonnen hatte. Schwächen im falschen Moment zu zeigen und nicht auf der Hut vor möglichen Gegnern zu sein, trug bei vielen politischen Intrigenopfern zum Scheitern bei. So manches Opfer musste die bittere Erfahrung machen, dass seine Feinde und Gegenspieler aus dem allerengsten Umfeld kamen.
Während bei Männern im Allgemeinen ein lockerer, ja sogar ein ausschweifender Lebenswandel nicht schadete, stellte für Frauen ihr Ruf meist ihre Achillesferse dar. Frauen waren daher über Jahrhunderte hinweg besonders leicht mit dem Vorwurf der Sittenlosigkeit zu Fall zu bringen. Erschien ihre Reputation kompromittiert wie im Falle der dänischen Königin Caroline Mathilde, konnte dies für sie schreckliche Folgen haben. Und selbst wenn die angegriffenen Frauen die sprichwörtliche Ehrbarkeit in Person waren, konnten sich geschickt gesteuerte Rufmordkampagnen als erfolgreiche Aktionen erweisen. Manon Roland, Gattin eines führenden Ministers in der Zeit der Französischen Revolution und selbst einflussreicher Mittelpunkt der girondistischen Gruppe, sah sich wie die von ihr verachtete skandalumwitterte Königin Marie Antoinette von Frankreich einer solchen öffentlichen Diffamierung ausgesetzt. Ihre politischen Gegner zogen ihren Namen gnadenlos mit Hilfe von Lug und Trug in den Schmutz, bevor sie schließlich unter der Guillotine endete.
Der vorliegende Band versammelt bekannte und weniger bekannte Schicksale von Frauen aus der europäischen Geschichte, die aus politischen Gründen auf unterschiedliche Art und Weise Opfer von Intrigen wurden. Die Auswahl dieser Biografien aus dem 15. bis 20. Jahrhundert muss dabei letztlich immer nach subjektiven Kriterien getroffen werden. Ziel war es, eine möglichst große Bandbreite an solchen von Intrigen überschatteten und gestalteten Lebensgeschichten aufzuzeigen, auch mit welch unterschiedlichen Taktiken und Strategien gegen diese Frauen vorgegangen wurde und wie deren Reaktionen darauf ausfielen.
Mord aus Staatsräson
Agnes Bernauer
Der zeitgenössische Chronist Andreas von Regensburg, der gewöhnlich als gut informiert gilt, berichtet über den gewaltsamen Tod der Agnes Bernauer am 12. Oktober 1435 in Straubing: »Am 12. Oktober [wurde] auf Befehl Herzog Ernsts eine gewisse schöne Frau, die Geliebte Herzog Albrechts, genannt Bernawerin, von einer Donaubrücke gestürzt. Mit Hilfe eines Fußes, der nicht gefesselt war, schwamm sie ein Stück und kam dem Ufer nahe, wobei sie unter heiserem Röcheln rief: ›Helft, helft!‹ Der Henker aber, der sie von der Brücke gestürzt hatte, lief am Donauufer herzu, und, weil er den heftigen Zorn Herzog Ernsts fürchtete, wickelte er eine lange Stange in ihr Haar und tauchte sie wieder unter« 1. Diese dürre Notiz wurde wohl um 1444 verfasst, neun Jahre nach den dramatischen Ereignissen. Lediglich der Tod der häufig nur »die Bernauerin« Genannten durch Ertränken ist damit zweifelsfrei dokumentiert. Andreas von Regensburg äußert sich weder über einen vorausgegangenen Prozess noch über Beteiligte an dieser Hinrichtung. Prozessakten sind in der Tat auch nicht überliefert, wie überhaupt die Quellenlage zum Schicksal der Agnes Bernauer, dieser berühmten Frauengestalt aus der bayerischen Geschichte, bemerkenswert dürftig ist.
Üblicherweise wird die Reichsstadt Augsburg als Geburtsort von Agnes Bernauer genannt. Hier soll sie um 1410 als Tochter des Baders Kaspar Bernauer geboren worden sein. Die Existenz dieses Baders konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Er taucht weder im Bürgerverzeichnis der Reichsstadt noch in den städtischen Steuerlisten des 15. Jahrhunderts auf. Vielleicht betrieb der Vater von Agnes nicht eigenständig ein Bad, sondern arbeitete als Geselle oder Baderknecht. Ebenso wenig eindeutig verbürgt wie die familiäre Abstammung sind das Geburtsjahr und der Geburtsort der Bernauerin. Die frühesten Hinweise auf den Vater und Augsburg stammen aus den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts. Eine erste Mitteilung darüber, welcher beruflichen Tätigkeit Agnes Bernauer selbst nachging, liefert der Humanist Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II., der als Teilnehmer am zeitgleich zu den Ereignissen in Straubing stattfindenden Basler Konzil entsprechenden Klatsch aufschnappte. Er berichtet daher 1456: »Herzog Albrecht von Bayern war heillos in ein Mädchen, eine Badewärterin, verliebt« 2.
Wenn Agnes Bernauer tatsächlich die Tochter eines Baders oder Barbiers war und selbst als Bademagd arbeitete, entstammte sie einfacheren Verhältnissen. In der mittelalterlichen Gesellschaft gehörten Bader vielfach zu den ehrlosen Ständen, die von vielen bürgerlichen Rechten ausgeschlossen waren. In Augsburg allerdings begannen die Bader und Barbiere seit dem 15. Jahrhundert gesellschaftlich aufzusteigen. Falls Agnes’ Vater als selbständiger Bader arbeitete und ein eigenes Bad besaß, so gehörten er und seine Familie doch eher der ehrbaren mittleren Bürgerschicht der Reichsstadt an.
Die beliebten Badestuben dienten im 15. Jahrhundert nicht allein der Körperreinigung und der medizinischen Versorgung, sondern waren gelegentlich auch Orte der Prostitution. Für Augsburg gibt es jedoch kein Verbot wegen Badeprostitution. Es kann daher nicht verallgemeinernd von Sittenlosigkeit in den Bädern des Mittelalters gesprochen werden, vielmehr waren sie beliebte gesellschaftliche Treffpunkte. Im 15. Jahrhundert ging es in den Bädern sogar eher züchtig zu, völlig nackt badeten oft nur die Kinder.
Wesentlich besser ist erwartungsgemäß der biografische Kenntnisstand bei dem bayerischen Herzogssohn Albrecht, dem man später den Beinamen »der Fromme« gab. Der einzige legitime Sohn des regierenden Herzogs Ernst I. von Bayern-München und der Herzogin Elisabeth, einer Visconti aus Mailand, wurde am 27. März 1401 geboren. Seine standesgemäße Erziehung erhielt er am Prager Königshof bei seiner Tante Sophie, die mit dem böhmischen König Wenzel IV. verheiratet war. Im Alter von etwa sechzehn Jahren kehrte Albrecht an den Münchner Hof zurück. Zeitlebens hatte er eine ausgeprägte Vorliebe für die Jagd, Musik und Literatur, außerdem galt er als »ain liebhaber der zarten frawen« 3. In Turnieren und in kriegerischen Auseinandersetzungen tat er sich als mutiger Kämpfer hervor. Bereits 1424 hatte ihm seine Mutter die Grafschaft Vohburg an der Donau zusammen mit Pfaffenhofen an der Ilm, Geisenfeld und Hohenwart abgetreten, weshalb sich Albrecht auch Graf von Vohburg nannte. Im Januar 1433 setzte ihn sein Vater zum Statthalter des 1425/1429 an Bayern-München gefallenen Straubinger Landes ein.
Wo und wann sich die als außergewöhnlich schön bezeichnete Baderstochter und der bayerische Erbprinz erstmals begegneten, darüber informieren die zeitgenössischen Quellen nicht. Da Herzog Albrecht III. als Teilnehmer an einem Turnier im Februar 1428 in Augsburg genannt wird, wird gemeinhin angenommen, dass er bei dieser Gelegenheit Agnes Bernauer wohl bei einem Besuch der väterlichen Badestube kennen lernte und bald darauf nach München holte. In einer in die zweite Hälfte der zwanziger Jahre zu datierenden Münchner Steuerliste taucht unter dem weiblichen Gesinde des herzoglichen Hofs eine »Pernawerin« auf. Tatsächlich ist dies bis heute der erste quellenmäßige Beleg für die Existenz der Agnes Bernauer überhaupt. Aus Äußerungen von Herzog Ernst vom Oktober 1435, dass sein einziger Sohn seit drei oder vier Jahren ein böses Weib gehabt habe, kann man aber auch schließen, dass das Verhältnis zwischen dem Herzogssohn und der Bernauerin erst um 1431/1432 seinen Anfang nahm. Da sich Albrecht zu dieser Zeit überwiegend in München aufhielt, könnte er auch dort eine Beziehung mit Agnes Bernauer angeknüpft haben, die zu dieser Zeit ja bereits ein Mitglied des Hofgesindes war.
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