„Sie übt mit Myboy, wenn es im Stall noch ruhig ist, früh morgens, oder spät in der Nacht. Konzentration ist alles“, hatte sie gesagt, „tiefe Atmung, Entspannung – und wenn das alles stimmt, dann sendet sie ihre Botschaft und wartet auf eine Antwort. Dafür muss der Kopf vollkommen leer sein, sagt Liberty. Keine Ahnung, wie sie das macht – hast du etwa schon mal einen leeren Kopf gehabt?“ Ich hatte an das bekannte Endlosband denken müssen, das sich automatisch einstellte, sobald ich alleine war, von Leere war da keine Spur, es ging im Gegenteil ziemlich turbulent zu.
„Worüber redet sie denn eigentlich mit Myboy?“
„Das ist mir auch nicht ganz klar“, hatte Carmen zugegeben. „Sie sagt, dass man mit Tieren nur über Naheliegendes sprechen kann. Weil sie keinen Unterschied zwischen Gegenwart und Vergangenheit kennen. Also zum Beispiel über das Futter, aber sie sagt ja nicht Futter, sie sagt: Essen. Liberty spinnt“, hatte Carmen kurz und bündig ihre Ansicht zusammengefasst.
Als wir wenig später mit Nine im Schlepptau zum Stall schlenderten, benutzte Liberty die Gelegenheit, mir Roberto madig zu machen. Sie stieß mich mit ihrem Ellbogen an:
„Hast du gehört – Radio Regenbogen.“
„Ja ...?“ Ich wusste nicht, worauf sie hinaus wollte, bis mir einfiel, dass sie die Radiostation meinte, mit der sich Roberto die Mittagspause versüßte.
„Sperr doch mal die Ohren auf.“
Richtig - aus Robertos Zimmer drang laute Popmusik. Ein Ohrwurm aus dem vorigen Jahrhundert, zum Mitsingen, aber dazwischen ziemlich eindeutige Laute, die sicher nicht aus dem Äther kamen.
„Das also ist Radio Regenbogen?“
Libertys Gesicht verfinsterte sich.
„Du weißt genau, was ich meine! So naiv bist du auch wieder nicht. Statt sich um Taxos zu kümmern“, Liberty zögerte, als suche sie nach den richtigen Worten, „schieben sie da oben eine Nummer – so sagt man doch – oder?“
„Ach“, sagte ich, „Du meinst, dass Marga mit Roberto ...?“
Ich hatte eine Lawine losgetreten.
„Ja, Marga!“ brach es aus ihr heraus. „Jeden Morgen schleicht sie in aller Herrgottsfrühe hinauf. Sie ist verheiratet – aber das ist mir völlig egal. Jeder kann machen was er will, oder? Nur – Roberto bringt Marga auf dumme Gedanken. Er hat ihr damals den Floh ins Ohr gesetzt, Windspell sei zu alt fürs große Viereck! Aber es nicht das Alter, er war ja erst 16 – da geht es um was anderes. Nach dem letzten Turnier hat er keine Erfolge mehr gehabt, das ist es. Und dann ist er an einer Kolik eingegangen – einfach so – ein vollkommen gesundes Pferd! Und schon am nächsten Tag haben sie dir eine freie Box vermietet.“
Ich stand da und wusste nicht, was ich sagen sollte. Und wieder hatte ich dieses flaue Gefühl – aber ging es da wirklich um Marga – was wollte Liberty mir eigentlich sagen? Was war denn dabei, dass sie uns Windspells Box vermietet hatten – das Pferd hatte doch keine ansteckende Krankheit gehabt – oder?
Ich war richtig froh, dass gerade in diesem Augenblick mein Handy summte. Gerson hatte wieder ein paar präzise Aufträge für mich. Ich sollte Rotwein, Spagetti, Espressobohnen und eine Flasche Limoncello von Pronto, dem italienischen Supermarkt, mitbringen. Er läge doch auf meinem Weg zum Stall, da könne ich mich nützlich machen, es sei ja kein Umweg für mich. Es war schon das zweite Mal, dass er mich auf dem Nachhauseweg dort vorbei geschickt hatte. Gersons neue Leidenschaft galt unverkennbar Italien.
„Ciao Liberty, ich muss schnell los“, rief ich, „sonst vergesse ich meinen Einkaufszettel!“
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