5.4Kommunikation (humanistisches Modell)
Der Blick auf die Beispiele nach dem humanistischen Ansatz
5.5Weitere Entwicklung
5.6Grenzen (strukturelles Modell)
Der Blick auf die Beispiele nach dem strukturellen Ansatz
5.7Hypothese, Zirkularität, Neutralität (strategisches Modell)
Der Blick auf die Beispiele nach dem strategischen Ansatz
5.8Weitere Entwicklung (konstruktivistische Ansätze)
5.9Kooperation (lösungsfokussiertes Modell)
Der Blick auf die Beispiele nach dem lösungsfokussierten Ansatz
5.10Erzählen, fantasieren, externalisieren (narratives Modell)
Der Blick auf die Beispiele nach dem narrativen Ansatz
5.11Fazit
Teil III: Beispiele aus der Praxis
6Der Schulsozialarbeiter als systemischer Berater
6.1Ein ganz normaler Tag?
Antworten von Schulsozialarbeitern und Schulsozialarbeiterinnen
6.2Systemische Beratung für Eltern – Leistungsproblem in der Grundschule (Schulsozialarbeiterin Edith K., 49 Jahre, berichtet)
6.3Systemische Familienberatung – Aggressives Verhalten eines Zwölfjährigen? (Schulsozialarbeiterin Helene H., 45 Jahre, berichtet)
6.4Systemische Einzel- und Familienberatung – Jugendliche nach der Trennung (nochmals: Schulsozialarbeiterin Helene H., 45 Jahre, berichtet)
Teil IV: Wirksamkeit und Fortschritt
7Systemische Evaluation
8Resümee
9Ausbildung für eine systemische Schulsozialarbeit
Literatur
Über die Autorin
Schulsozialarbeit findet nicht im luftleeren Raum statt. Ganz im Gegenteil, kaum eine andere Disziplin der Sozialen Arbeit ist in ein derart komplexes organisatorisches, institutionelles und systemisches Umfeld eingebunden. In diesem Sinne ist Schulsozialarbeit zu einem nicht unerheblichen Teil vor allem Schnittstellenarbeit zwischen Schülern und ihren Familien, Schulen und ihren komplexen staatlichen und juristischen Arrangements, Trägerorganisationen mit spezifischen Interessen und Jugendämtern. Schulsozialarbeiter vor Ort werden dadurch mit unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Interessen, Motivationslagen und professionellen Aufträgen konfrontiert, deren Bearbeitung nicht nur fachwissenschaftliches Arbeiten, sondern in zunehmendem Maße auch systemische Basiskompetenzen voraussetzt. Schulsozialarbeit, verstanden als Arbeit mit komplexen Systemen und Netzwerken, befindet sich in einem andauernden Spannungsfeld von Unterschiedlichkeiten, die es zu differenzieren gilt. Das setzt zwingend eine systemische Haltung voraus, die durch Wertschätzung, Allparteilichkeit und ein vertieftes Verständnis der Motivationslagen der unterschiedlichen am »System Schule« beteiligten Akteure gekennzeichnet ist.
Diese Zusammenhänge erfordern von der Profession, aber auch von den Professionellen der Schulsozialarbeit ein erhebliches Maß an Kreativität, einen hohen Toleranzbereich sowie eine maximale Duldungskompetenz – insbesondere dann, wenn gutgemeinte Interventionen an Systemgrenzen umliegender Systeme zu scheitern drohen. Schulsozialarbeit ist in diesem Sinne einerseits eine unmögliche Profession, andererseits aber auch eine Ermöglichungsprofession, solange sie die Perspektive der netzwerkorientierten, auf Kooperation zielenden Arbeit nicht außer Acht lässt.
Im neoliberal geprägten wohlfahrtsstaatlichen Arrangement der gegenwärtigen Zeit wird Schulsozialarbeit vor allem dann als sinnstiftende Profession erlebt, wenn aufgrund zunehmender Komplexität der Problemlagen an Schulen bei gleichzeitig ökonomischer Mangelausstattung die eher pädagogisch-didaktisch ausgerichtete Expertise der Lehrkräfte an ihre Grenzen zu kommen droht. Alle am »System Schule« Beteiligten stehen unter – auch ökonomisch bedingtem – Handlungs- und Vollzugsdruck. Dazu tragen Kinder mit z. T. extremen Verhaltens- und Lernschwierigkeiten bei, Eltern in sozioökonomisch prekären Lebenssituationen, eine Marginalisierung durch Ausgrenzung wie auch rechtspopulistisches und rechtsextremes Gedankengut. Hinzu kommen in der Folge der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention genormte inklusive Bestrebungen: »Systemsprenger« sollen nun im gemeinsamen Unterricht integrativ beschult werden, die Zahl der Förderschulen sinkt. Mittelknappheit macht auch vor dem Handlungsfeld Schule nicht Halt und verschärft die Situation noch. Insofern stellt das Arbeitsfeld Schule an Sozialarbeiter hohe Herausforderungen:
•Sie sollen sich eine möglichst unparteiliche Haltung bewahren – was durch das doppelte Mandat Sozialer Arbeit erschwert wird.
•Sie brauchen Netzwerkkompetenz – was durch eine überkomplexe Diffusion von Interessen und Verantwortlichkeiten erschwert wird.
•Sie sollen eine systemische Haltung einnehmen – was durch den individualpädagogischen (Lehrer-)Blick auf den einzelnen Schüler erschwert wird.
Die eigentliche systemische Kunst besteht darin, nicht den kritischen Blick zu verlieren, sich nicht einer der involvierten Institutionen anzudienen und zugleich einen Kontext zu schaffen, in dem Lernen gelingen kann. In diesem Sinne ist auch Lernen ein systemisches Phänomen: Lernen von Schülern, Lernen von Lehrern, Lernen von Eltern und Sorgeberechtigten und allen weiteren komplementären Institutionen. Schulsozialarbeit ist dabei eben vor allem eines: eine unmögliche Ermöglichungsprofession. Sie ist nicht vorrangig dann gelungen, wenn sich der einzelne Schüler bildungs- und systemkonform verhält, sondern wenn Veränderungen auf allen Systemebenen unvermeidlich sind.
Annette Just gelingt es mit diesem Band, Leuchttürme zu errichten, Orientierungspunkte für gegenseitige Lernprozesse zu setzen und mit den Impulsen der Schulsozialarbeit koevolutionäre Lernprozesse anzustoßen. Nur so kann erfolgreiche Schulsozialarbeit gelingen.
Prof. Dr. Ingo Zimmermann
Olsberg, Februar 2017
Systemisches Denken in der Schulsozialarbeit ist für alle Beteiligten in der Schule nutzbringend und zugleich ein innovativer Ansatz für Schule selbst, wenn sie die Beziehungs- und Kommunikationsebenen konstruktiv beleben und fördern sowie Sinn herleiten möchte.
In der sozialen Arbeit findet die Zeit nach dem Studium und der fortgeschrittenen Praxis statt in unterschiedlichen Dienstleistungsbereichen wie Pflege- und Erziehungsdienst, Senioren- und Behindertenarbeit (betrifft Menschen mit Beeinträchtigung), in Altenpflege, Erwachsenenbildung, Verwaltung, in psychiatrischen Einrichtungen ebenso wie im Gesundheitswesen, in sozialen Diensten der Justiz und der Kommunen und – in der jüngeren Zeit – in der Schule als Schulsozialarbeit. Lüssi (2008, S. 75) sagt: »Der Sozialarbeiter kann optimale Sozialarbeit nur leisten, wenn er systemisch denkt und handelt.« Wenn von »Beratung« gesprochen wird, wovon in der sozialen Arbeit zum großen Teil auszugehen ist, ist auch die Frage danach zu stellen, was genau darunter verstanden wird. Im Kontext der Schulsozialarbeit findet sich der Leitgedanke »Beratung für Schüler, Lehrer und Eltern«. Nach welchem Konzept geht die Schulsozialarbeiterin vor, wenn sie »Klienten« in der Schule berät? Woran ist Qualität wie zu erkennen, und wie bindet sie theoretische Grundlagen, Kompetenzen und Kontextwissen in ihr spezifisches Arbeitsfeld ein? Wonach richtet sich die Reflexion ihrer Arbeit, und woran erkennt sie, ob sie gute Arbeit leistet? Und schließlich darf die Frage gestellt werden, nach welchen Gesichtspunkten die Schulsozialarbeit als »Kooperation Jugendhilfe und Schule« nicht nur unterschiedliche Aufgaben- und Konfliktfelder bedient, sondern ihre Position im »System Schule« benennt und spezifiziert. Wie ist ihr Auftrag formuliert, und wer sind ihre Auftraggeber?
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