„Unerwarteterweise haben wir noch freie Plätze in unserem Zugrestaurant.“ (Dieser Ansager hat wohl noch nie dort speisen müssen. Den Schuhbeck habe ich auch schon lange nicht mehr in der Bordküche gesehen.)
„Im Speisewagen ist leider die Heizung kaputt. Falls Sie ein Getränk einnehmen möchten, bringen Sie ein paar warme Gedanken mit!“
„Meine Damen und Herren, zwischen Hannover und Wolfsburg verkaufen wir Ihnen heute vorrübergehend eine kleine Zwischenmahlzeit.“ (Drive-by-eating?)
„In Kassel steigt unsere frische Brezelverkäuferin zu.“ (Ein Evergreen.)
„Die auf dem Gegengleis zu Schaden gekommene Person ist ein Wildschwein.“ (Speisekartenergänzung?)
Abschließend noch ein Wort eines Minibaristas: „Habe ich nicht gesagt: Minibar, Servus! Habe ich gesagt: Minibar-Service!“
Nun zur Abteilung „Warum einfach, wenn’s doch kompliziert geht?“ Eine Durchsage: „Heute konnten wegen Defektes einer Druckmaschine keine Platzreservierungen vorgenommen werden. Reisende mit Platzreservierungen bitten wir, auf Ihrem reservierten Platz Platz zu nehmen. Reisende, die auf diesem Platz sitzen, werden gebeten, diesen zu räumen.“ (Können Sie das bitte wiederholen, wenn möglich, mehrfach?) Oder so:
„Dieser Zug ist ein Ersatzwagenpark, der in Innsbruck zusammengestellt wurde, weil in Italien gestreikt wird. Deswegen können wir Ihnen leider den gewohnten Komfort nicht bieten. Auch die Sitzplatzreservierung konnte leider nicht vorgenommen werden, weil dieser Zug ein Ersatzwagenpark ist.“
Mit den elektronischen Reservierungssystemen sind solche Probleme natürlich Makulatur. Jetzt schmiert gleich das komplette System ab. Nachhaltig.
Manchmal, im Halbschlaf, geht auch schon einmal die Fantasie mit dem Reisenden durch: „In Hamm wird der Zug geteilt. Der vordere Zugteil fährt als ICE 740 weiter nach Köln, der hintere Zugteil startet vom Flughafen Düsseldorf als LH 2490 ohne Halt bis Lanzarote.“
Warum nicht auch: „Als besonderen Service setzen wir diesen Zug nun in Bewegung.“
Glorreich wird der Tag, wenn es heißt: „Betrunkene Kinder im Gleisbereich.“
„Dieser Zug hält in Treis, Cochem, Alf und Wittlich und gerne auch einmal auf offener Strecke zur Aufnahme von Verspätungen.“
„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich unser Dortmunder Zugteam wegen des Ausscheidens der Borussia gestern in der Champions-League in einer depressiven Grundstimmung befindet.“
Zurück in die Realität, dort hat sich immerhin der Tonfall geändert, das Zugpersonal wurde anscheinend in Richtung „gefühliges Neusprech“ gebrieft. So entschwebte im Zug zwischen Neustadt/Schw. und Freiburg dem Lautsprecher folgender Wunsch: „Wir wünschen Ihnen eine spannende Reise!“ Und so geht es weiter:„Schönen guten Morgen, Hallo und herzlich willkommen!“ (Oder entsprechend „Tschüss und auf Wiedersehen!“)
„Der Ausstieg in Schwäbisch-Gmünd heute für Sie auf der linken Seite.“
„In unserer 1. Klasse werden Sie persönlich von unserem Herrn Klotz bedient.“
Gegen Ende eine Ansage aus Bonn: „Wegen eines Polizeieinsatzes am Zug erreichen wir Bonn mit einer 10-minütigen Verspätung.“ In Koblenz hingegen heißt es: „ um wenige Minuten verzögern, es müssen noch technische Maßnahmen an einem unserer Fahrzeuge vollzogen werden ... Grund ist, dass der Zug zwischen Düsseldorf und Koblenz beschossen wurde!“
Oder auch: „Die Abfahrt verzögert sich, wir müssen hier noch einen Vandalismusschaden beseitigen.“ (Und hoffentlich die Vandalen ...)
Auch diese Ansage habe ich keineswegs geträumt: „Heute wenden wir uns an diejenigen Fahrgäste, die wegen der Verspätung in Siegburg versehentlich in diesen Zug gestiegen sind. Nächste Fahrtmöglichkeit nach Frankfurt ab Köln wäre um 10:38 h.“
Die südlichen Nachbarn sind auch nicht schlecht: Rapperswil, Schweiz: „Meine Damen und Herren, wegen starker Besetzung müssen wir Sie bitten, auch im Gepäckwagen Platz zu nehmen.“
In der Münchner S-Bahn: „Wir wünschen einen guten Weiterflug.“
Und im vollen Zug bei Anfahrt auf den Frankfurter Hauptbahnhof: „Wenn Sie nach vorne durchgegangen wären, hätten Sie auch einen Sitzplatz gefunden.“
„Dieser Zug endet hier. Wir verabschieden uns von allen Fahrgästen, die dort aussteigen.“
Oder auch: „Bitte alle aussteigen, der Zug verendet hier.“
An diese hier aber kommt keine ran: „Eine Durchsage für Herrn Pommer: Ihre Frau wird wahrscheinlich am nächsten Bahnhof aussteigen!“
Walzehuusebähnli
Es ist ungemütlich, Februar halt. Parallel zum Gleis die vierspurige Autobahn, die den Geräuschpegel dominiert. Dahinter eine Lärmschutzwand, Böschung, der kleine Rhein, Österreich am anderen Ufer. Das Bähnli sieht aus, als wäre es einst aus einem Kinderkarussell desertiert und seither nicht so recht glücklich geworden. Es bietet nur eine Klasse, und die hat Klasse, und zwar aus Holz. Der Wagenführer muss etwa dreißig Meter von einer Bedienerplattform zur anderen bewältigen. Wer auf die Railbar hofft, hofft vergeblich, obwohl die etwa 24 Sitze schnell bedient wären. Die eher kurze Fahrzeit von sechs Minuten bergauf (und neun zurück), also eher wie beim Kinderkarussell, sollte man lässig ohne Proviant überstehen. Vor allem sollte man nicht müssen müssen, es wäre schade um die Aussicht. Obwohl die Bahn die ersten Meter, nachdem sich der Wagen eingeklinkt hat ins Zahnradsystem, gleich hinter der Racing-Garage, als U-Bahn unterwegs ist.
Gemsengleich gewinnt der Wagen an Höhe, schon sind wir raus aus dem Tunnel, nun rasch den Kopf gedreht, voilà, der östliche Teil des Bodensees, Bregenz, Lindau, Friedrichshafen, alles ganz nah und doch beruhigend weit weg. Höher und höher geht es, an sich wäre es an der Zeit für Sauerstoffmasken. Das ist das klassisch urschweizerische Erlebnis: Natürlich könnte man es sich drunten im Rheintal gemütlich machen, den Bürgern von Rheineck, Altstätten oder Buchs gelingt das schließlich auch. Doch dann stehen sie vor einem Massiv und denken bei sich hin: Da sollten wir dringend eine Bergbahn hochklöppeln, um mal zu sehen, was die Appenzeller von Ausserrhoden so treiben, besser, man hat ein Auge auf diese Menschen. Umgekehrt denken die Ausserrhoder: Besser, wir hängen da mal so ein Adlernest ins Gestein, dann können wir die da unten besser beäugen, von oben herab, man weiß ja nie. Also haben sie ein Zweitausendseelendorf an den Steilhang geklatscht, wie Reisterrassen, nur halt mit Häusern. Sie nennen es „Balkon über dem Bodensee“, und der schwebt 300 Meter über dem Rheintal und sie sind stolz, leben sie doch in einem der wenigen Dörfer mit eigener Bahnlinie. 1,96 Kilometer sind das, damit erreicht man zwei Drittel des Zugnetzes von Laos. Vom Frühstücksraum des Hotels sieht es aus, als würde die Bahnlinie drunten im Tal in der wirklichen Welt von Autobahn und Rhein ins Unendliche verlängert.
Die Rückfahrt. Das Bähnli steht einsam und verlassen im Bahnhof Walzenhausen Grand Central Metroplex. Wie von Zauberhand – zehn Minuten vor der Abfahrt – springt das Licht an. Der Wagenführer erscheint: „Sie hätten ruhig schon einsteigen können! Hinten ist der Gepäckraum!“, sagt er freundlich und schnappt sich meinen Koffer. Keine Ahnung, ob das zum täglichen Service gehört oder ob ich heute morgen so alt aussehe, wie ich mich fühle (und tatsächlich auch bin). Als Nächstes kontrolliert er die Billette, bevor er sich an seinen tatsächlichen Arbeitsplatz begibt. Das ist so, als würde die Flugbegleiterin auf dem Pilotensitz Platz nehmen bzw. der Pilot den Tomatensaft bringen. Ich erfreue mich noch an dem Schild „Das Betreten des Geleises ist verboten!“ und schon setzen wir uns in Bewegung. Das Arbeitsaufkommen erscheint übersichtlich, vorsichtshalber haben sie aber vorne unter dem Fenster einen Fahrplan angebracht.
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