Jürgen Holtkamp
Verblöden unsere Kinder?
Jürgen Holtkamp
Verblöden unsere Kinder?
Neue Medien als Herausforderung für Eltern
Butzon & Bercker
für Jana, Lea und Miriam
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. |
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ISBN 978-3-7666-1286-1
E-BOOK ISBN 978-3-7666-4103-8
EPUB ISBN 978-3-7666-4104-5
© 2009 Butzon & Bercker GmbH, 47623 Kevelaer, Deutschland, www.bube.de
www.religioeses-sachbuch.de
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlagfoto: © Nicole Effinger – Fotolia.com
Umschlaggestaltung: Christoph Kemkes, Geldern
Satz: Schröder Media GbR, Dernbach
Einleitung
1. Kinder und Jugendliche in der Mediengesellschaft
„Medienkids“
Aufwachsen in der Mediengesellschaft
So nutzen unsere Kinder Medien
Jugendliche sind multimedial vernetzt
2. Wenn „Sex und Crime“ den Alltag beherrschen
Die Suche nach den Medienwirkungen
Wie unser Gehirn Medienbilder verarbeitet
Macht Fernsehen dumm und dick?
3. Wie Handys unser Leben verändern
„Nichts geht ohne mein Handy“
Mobbing, Gewalt und Pornografie – die andere Seite der Handynutzung
Brauchen Kinder und Jugendliche eine Handykompetenz?
4. Im Sog der Computerspiele
Wenn das Blut in Strömen fließt – Ego-Shooter
Spielplatz Internet
Wie gefährlich sind Computerspiele?
5. Das neue Internet (Web 2.0)
Communities erobern das Netz – SchülerVZ, StudiVZ und Co.
Elektronische Briefe und ICQ
Die Tophits aus dem Netz
„Mein Tagebuch im Internet“ – die Blogger
„Mein zweites Leben“ – Second Life
Vom Konsumenten zum Produzenten – Foto, Video und Audio
„Findest du mich nett?“ – Chatten
Schnäppchen oder Falle? – Kaufen im Internet
Werbeplattform Internet
6. Die hässliche Seite des Internets
Vorsicht: Datenklau und Spionage
Falsche Freunde – Cybermobbing
Hetze und Pornografie
Gewalt – nicht nur Quotenjäger im Fernsehen
Diagnose: Computersüchtig!
7. Leben in der Mediengesellschaft
Gibt es die „heile“ Kinderwelt?
„Lesen kommt vor Zocken“
Das „Wissen der Welt“
Schlau durch Computer und Internet?
Damit Eltern den Anschluss an die Mediengesellschaft nicht verlieren
Medienerziehung ist notwendiger denn je
Werteorientierung im Mediendschungel
8. Die Trauer bleibt! – Zum Amoklauf in Winnenden
Anhang
Eigene Mediennutzung
Fragebogen Kindersendungen
Persönliche Medienvorlieben
10 Tipps zum Umgang mit dem Fernsehen
Kommentierte Links
Fernsehen
Computerspiele
Handy
Medienkompetenz
Medienforschung
Schule
Internetportale für Kinder
Jugend
Jugendschutz
Beratung
Glossar
Ausgewählte Literatur
„Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß.
Die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los.
In die Ecke, Besen! Besen! Seid’ s gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
Erst hervor der alte Meister.“
Der Zauberlehrling von Johann Wolfgang von Goethe
Noch vor 25 Jahren, wenn – was selten der Fall war – im Unterricht ein Lehrfilm gezeigt wurde, war das für die meisten Schüler aufregend. Gemeinsam gingen sie in einen speziellen Vorführraum, in dem ein großer Filmprojektor stand, und unter der Anleitung des Lehrers durfte der Auserwählte den Film „einfädeln“. Wie von Geisterhand zog der Projektor die Filmrolle automatisch über mehrere Spulen durch, bis die Filmrolle am anderen Ende des Projektors herauskam und vom Schüler in die leere Filmspule eingelegt werden konnte. Dann wurde das Licht ausgeschaltet, der Projektor lief los, der Ton war zwar meistens nicht so gut und doch war die „Kinoatmosphäre“ spürbar.
Für die Medienkinder von heute gehören Filmrollen und Projektoren längst der Filmgeschichte an, sie kennen vielleicht noch die VHS-Kassette, auf jeden Fall DVD. Filme werden heute mit modernster Technik hoch auflösend und digital gedreht. Große TFT-Bildschirme und Beamer sind die neuen Fernseher. Das „Heimkino“ ist in die deutschen Wohnzimmer eingezogen.
Der Buchtitel „Verblöden unsere Kinder?“ fordert Sie, liebe Leserinnen und Leser (nur um des besseren Leseflusses verwende ich im Folgenden nur die männliche Form), zu einer Antwort auf. Vielleicht revidieren diejenigen, die die Frage mit „Ja“ beantworten, ihre Meinung am Ende dieses Buches. Diejenigen, die spontan mit „Nein“ antworten, werden – so hoffe ich – zögerlicher.
Unsere Kinder mögen in technischer Hinsicht die neuen Medien „beherrschen“ und damit der Elterngeneration überlegen sein, doch genügt dies keineswegs; was sie benötigen, sind ethische und moralische Maßstäbe. Sie benötigen ein Wertesystem, das ihnen hilft, Gutes von Schlechtem und Nützliches von Schädlichem zu unterscheiden, und sie sind auf Menschen angewiesen, die ihnen Kompetenzen und Strategien vermitteln, wie sie sich in der Mediengesellschaft kompetent zurechtfinden.
Täuscht etwa der Eindruck, dass die „Mediengeister“ analog zu denen, die der Zauberlehrling (in Goethes Ballade) rief und nicht mehr bändigen konnte, sich heute selbstständig gemacht haben? Kennen wir überhaupt die notwendigen Zaubersprüche? Bei Goethe gibt es einen Zaubermeister (Hexenmeister), der die Geister in die Schranken weist. Doch: Wer ist der Zaubermeister im 21. Jahrhundert? Sind es die Eltern oder vielleicht die Lehrer? Angesichts der technischen Kompetenzen heutiger Jugendlicher könnten dabei durchaus Zweifel angebracht sein. Oder zähmen etwa unsere Kinder schneller und effektiver die „Mediengeister“?
Wenn dem so ist, dann gibt es eine Umkehrung der Verhältnisse zwischen den Generationen. Die „Jungen“ sind die Experten und die „Alten“ die Lehrlinge! Ganz so abwegig ist der Gedanke nicht, immerhin können viele Kinder und Jugendliche schneller und effektiver mit dem Handy umgehen als ihre Eltern, kennen viel mehr Tricks am Computer und sind wahre Cracks im Internet.
Fragt sich nur, ob sie die Mediengeister, die – einmal gerufen – sich nun immer rascher verselbstständigen, in die Schranken weisen können. Zweifel sind angebracht, denn unsere Mediengesellschaft ist nicht nur viel komplexer, um mit einem Zauberspruch alles wieder ins Lot bringen zu können, sondern Kinder wie Jugendliche stehen oftmals hilflos vor den Mediengeistern.
Oder zähmen etwa Kindergarten, Schule und Politik die Mediengeister? Zu klären wäre, ob diese Institutionen über den notwendigen Überblick, die Kompetenzen, das Know-how und die richtigen „Zaubersprüche“ verfügen, um alles wieder geradebiegen zu können. Denkbar wäre ebenfalls, dass es gar keinen „Zaubermeister“ gibt. Diese Vorstellung wäre nicht nur ausgesprochen pessimistisch, sondern würde uns vor Augen halten, was in unzähligen Science-Fiction-Filmen gezeigt wurde: Medien regieren die Welt, Roboter beherrschen die Menschheit, Technik macht uns zu Sklaven.
So wie der Zauberlehrling fühlen sich viele: Grundschullehrerinnen, die am Montagmorgen die Horrorfilme von ihren Viertklässlern erzählt bekommen, die diese am Wochenende (im Fernsehen) gesehen haben. Eltern, die keine Zeit für ihre Kinder haben und ihre Kinder stundenlang vor dem Babysitter „Fernsehen“ parken. Jugendliche, die nach immer neuen Gewaltexzessen in Onlinespielen suchen und nur noch in der virtuellen Welt leben. Junge Frauen und Männer, die sich Tag und Nacht in Onlineforen verlieren, um ihre Sehnsüchte und Ängste erzählen zu können, nur: Eine Besserung ist nicht in Sicht. Nicht zu vergessen, extremistische Organisationen, die im Zeitalter des Internets mit aller Macht ihre rassistischen und ideologischen Pamphlete veröffentlichen und junge Menschen anlocken.
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