Ähnlich wie bei der Das Pendel des Todes!-Tanzveranstaltung auf der Cortez nutzte man Wäscheleinen zur Darstellung von Spinnenweben. Ich malte eine gigantische Spinne auf Johns Bass-Drum-Fell. Glen fand einen mit Pailletten bestickten funkelnden Teppich in verblassendem Braun, den er am Bühnenhintergrund befestigte. Er nannte ihn „Die große Scheißeritis“. Ich befestigte einige Spots in Indigo und Magenta. Wir gingen ein paar Schritte zurück und bewunderten die Höhle der Verdammnis.
Jack hatte sich zwischenzeitlich um einige Radio-Jingles gekümmert, in denen er mit einem Echo „Das Spider Sanctum-sanctum-sanctum“ ankündigte.
Zu diesem Zeitpunkt machten wir eine bedeutende musikalische Entdeckung. Glen besuchte mich und brachte das Yardbirds-Album For Your Love [Compilation mit den Gitarristen Jeff Beck und Eric Clapton] mit. Die Gitarre brachte die einzelnen Songs zum Explodieren. Schneidende Triolen unterstützten die Hauptmelodie und verschwanden mit einem Echo, als glitten sie durch einen Canyon. Glen und ich konnten es gar nicht erwarten, den anderen davon zu erzählen, entschieden uns jedoch zuerst zum Erlernen einiger Songs. Wir verbrachten den Nachmittag damit, die einzelnen Teile abzuhören, hoben die Nadel von der Vinyl, setzten sie wieder auf und spielten jeden Part so lange, bis wir ihn draufhatten. Besonders eine Nummer, ein Song von Mose Allison mit dem Titel „I’m Not Talking“, erforderte unzählige Wiederholungen.
Später, als wir Vince die Scheibe vorspielten, lernte er die Mundharmonika-Parts von Keith Relf recht zügig. Die nasalen Teenager-Stimmen der beiden ähnelten sich, ja, stimmten fast überein.
Da uns eine Gage vom Horizont aus anblinzelte, gingen wir ins Arizona Music Center und kauften neue Fender-Verstärker. Glen legte sich seine Traum-Gitarre zu, eine Gretsch Chet Atkins Tennessean, eine Halbakustik mit einem Single Cut-Out. Vince erwarb Mundharmonikas für alle Tonarten, wobei er nicht auf die schicken chromatisch angelegten abzielte, sondern auf die 3-Dollar Hohner Marine Bands, die auch Paul Butterfield benutze. Er behauptete, die Blues-Noten klängen auf billigen Harps besser. Er stand darauf, „Harps“ zu sagen.
Ich war der stolze Besitzer eines nigelnagelneuen Fender-Bassman-Amps mit zwei hochbelastbaren 12“-Lautsprechern. Der Verstärker roch sogar noch neu. Mir lief ein kalter Schauder den Rücken runter, als mir die voluminösen fetten Noten entgegenschallten. In meiner Vorstellung machte mich allein schon der Amp zu einem waschechten Profi.
Jack schwebte die Idee vor, in seinem Club Nonstop-Entertainment zu präsentieren. Für die Hauptbühne plante er Headliner wie die Byrds oder die Lovin’ Spoonful. Nach deren Auftritten musste sich das Publikum nur umdrehen und sah schon in das dunkle und düstere Spider Sanctum am anderen Ende.
Als die Premiere an einem Freitagband immer näher rückte, stellten wir uns die Ankunft in Limousinen vor. Die Realität? Stattdessen quetschten wir uns an dem Abend in einen Mercury 1956. Da wir vier Stunden zu früh aufliefen, gingen alle in den nahegelegenen Jack-in-the-Box und kauften sich eine Tüte Tacos.
Unser erster Auftritt sollte ganz und gar nicht bescheiden wirken. Jack hatte zwei Suchscheinwerfer gemietet, die er in den nächtlichen Himmel strahlen ließ. Er engagierte sogar zwei Go-Go-Girls, die in den Bühnenecken einen heißen Tanz abzogen.
Langsam füllte sich der Parkplatz. Ein knallrot lackiertes Hot Rod cruiste auf dem Asphalt. Dann kam ein Kleintransporter mit einem Surfboard auf dem Dach. Als Nächstes kreuzte ein staubiger schwarzer Pick-up auf. Aus dem Fenster ragte der Kopf eines Typen, der sich wahrscheinlich mit Whiskey hatte volllaufen lassen und nun brüllte, dass er auf eine Schlägerei aus sei.
Tja, eine ganz normale Nacht in Phoenix eben.
Einige Beamte des Maricopa County Sheriff’s Office schoben hier Dienst und waren bereit, Schlägereien aufzulösen. Zudem hielten sie die Augen nach beschlagenen Autofenstern offen, um ritterlich die Ehre (und besonders die Unschuld) junger Damen zu retten.
Der Einlass begann um 19 Uhr. Peanut Butter, eine lokale Band mit psychedelischen Anklängen, betrat die Bühne. Als sie ihr Programm mit dem Beau-Brummels-Hit „Laugh, Laugh“ beendet hatten, war das VIP bis zum Bersten gefüllt.
Die Lichter verdunkelten sich. Im Spider Sanctum glühte ein Spot. Ich zählte den ersten Song wie bei einem Pferdewettrennen an, und schon galoppierten Johns Drums davon. Die Go-Go-Girls zuckten und tanzten wie Wahnsinnige. Das Publikum drehte sich schnell um, wollte wissen, wer denn den ganzen Krawall machte.
Wir kannten einige der Gesichter, auf denen die Verblüffung über unsere Transformation geschrieben stand. Die unbeholfenen und laienhaften Earwigs gehörten der Vergangenheit an, und an ihrer Stelle stand nun eine frischere und professionellere Band auf der Bühne. Die coolen, super schicken neuen Jacketts und die uns zur Verfügung stehende Lichtanlage halfen dabei, eine selbstbewusste Show zu bringen. John und Glen hatten die blonden Haare modern gestylt – John ahmte Brian Jones von den Rolling Stones nach –, und die Spots ließen sie wie nordische Götter aussahen.
Was mein neues, mysteriöses Image anbelangte: Ich hatte mir die Haare über die Augen gekämmt. Allerdings hoffte ich nur, mysteriös zu wirken, denn ich sah überhaupt nichts mehr.
Eigentlich waren wir daran gewöhnt, von den Cops wegen der langen Haare angemacht zu werden, doch als Glen beim Yardbirds-Song „Shapes Of Things“ eine leidenschaftliche Gitarren-Arbeit ablieferte, entdeckten wir einen über beide Ohren grinsenden Police Officer, der Glen sein Lob mit hochgestreckten Daumen signalisierte. Hey, das war hier kein Cowboy-Song, sondern die kosmische Hymne für den Weltfrieden, angeheizt durch Jeff Becks brennende Gitarren-Soli, die ihn über den Umweg Jupiter direkt nach Marokko führten. Und da stand tatsächlich ein Cop, der groovte und den Sound mochte.
Nach dem Set gratulierte Jack der Band und prophezeite, dass uns eine lange Zukunft als VIP-Hausband bevorstehe. Darüber hinaus durfte die Gruppe den Club zum Proben nutzen. Am meisten freuten wir uns über die Zusage regelmäßiger Schecks.
Von da an spielten wir die VIP Lounge jeden Freitag und Samstag in Grund und Boden, und immer kam der Cop, deutete mit seinem Gummiknüppel in Richtung Glen und bestellte uns eine Runde „Shapes Of Things“.
Der Club war offiziell für 800 Personen zugelassen, doch an guten Abenden drängelten sich hier 1.000 Gäste. Nun schwammen wir in Knete, doch verdammt noch mal – alle Musiker lebten noch bei den Eltern. John Speer legte sich eine alte, spritzige Corvette zu, bei der die Lackierung schon verblasste. Vince kaufte sich einen brandneuen Ford Fairlane Convertible in knalligem Gelb. Er taufte ihn den „Chick-Pleaser“.
Doch dann geschah es: Die Blonde tauchte auf.
Das denkwürdige Ereignis trug sich beim „Back to School Bash“ auf dem Gelände der Arizona Fair zu. The Turtles traten als Headliner auf, und wir gehörten zum Haufen der lokalen Vorbands. Um die lästigen Umbaupausen zu vermeiden, verabredeten wir, dasselbe Equipment zu nutzen. Alles lief reibungslos ab, bis eine Surf-Band mit Namen Laser Beats die Bühne betrat. Die Instrumente mussten zur Seite gestellt werden, um das gigantische Schlagzeug-Podest des Drummers mit dem „güldenen“ Haar aufzubauen.
Ich fand das lächerlich, stand im Publikum und ließ einige dumme Sprüche ab. „Was für eine Knallbirne“, meckerte ich lauthals. „Wozu braucht der denn ein Schlagzeug-Podest? Damit er ‚Wipe Out‘ spielen kann?“ Um den Unmut adäquat auszudrücken, rief ich das mit einer tuntigen Stimme.
Ein vor mir stehendes Mädchen drehte sich blitzschnell um und starrte mir direkt in die Augen. Sie war wunderschön, aber unglaublich sauer. „Er ist keine Knallbirne“, blaffte sie mich an. „Er ist mein Bruder, und er ist der beste Drummer auf der ganzen Welt.“
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