1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 Nach Beendigung des Programms händigte er allen die Gage aus und lächelte aufmunternd. Wir sagten ihm offen heraus, dass er ein verdammt cooler Typ sei.
Nur auf Vince’ Stirn zeigten sich Sorgenfalten: „Ich kann nicht glauben, dass es Menschen gibt, die sich tatsächlich ‚Melancholy Baby‘ wünschen. Ich dachte, dass passiert nur in Zeichentrickfilmen.“
Treten Sie ein: Das Rock-Theater beginnt …
Wenige Jahre später, mittlerweile waren wir die erste Band, die als Pioniere eine neue Art Bühnenshow vertraten, machten sich einige Rockkritiker über uns lustig. Sie belächelten die Theater-Darbietung von Rockmusik, hauten uns einige befremdliche Artikel um die Ohren und stellten seltsame Interpretationen an.
Was wussten wir über das Rock-Theater? Nach unserer Auffassung waren wir die Ersten, die so ein Konzept vertraten. Wir kannten die Platten (nur die Platten) von Screamin’ Jay Hawkins, dem gruseligen und mysteriösen Sänger von „I Put A Spell On You“, ahnten aber nichts von seiner Show. Auf der Bühne saß er nämlich in einem Sarg, umgeben von Voodoo-Krimskrams.
Der Ansatz des „Rock-Theaters“ (Hair, Godspell und so weiter) lag noch in der weit entfernten Zukunft, doch wir entwickelten schon eine zunehmende Tendenz, ein Spektakulum aus unseren Auftritten zu machen. Es gab drei Ereignisse, die uns etwas über die Bühnenkunst lehrten.
Inspirierender Event Nummer 1: In der Nacht des 23. Oktober 1964 spielten die Earwigs an der Cortez High bei der Halloween-Tanzveranstaltung Das Pendel des Todes!. Jemand hatte sich ganz offensichtlich von dem B-Movie-Horrorstreifen mit Vincent Price anregen lassen.
Zu diesem Anlass baute der Vater unseres Freundes Scott Ward – wir kannten ihn von der Fotografie – eine funktionierende Guillotine. Allerdings bestand das Fallbeil nicht aus Metall, sondern aus mit silbernem Lack verziertem Holz. Mr. Ward versicherte uns, dass er einige Sicherungen eingebaut habe, damit sie uns nicht die Köpfe absäble.
Die Mädels aus dem Journalismus-Kurs beauftragten wir mit dem Weben gigantischer Spinnennetze aus Wäscheleinen, die man an den Bühnenseiten anbrachte. Vince und ich bastelten einen Sarg aus Hartpappe und malten ihn in der Farbe alten Holzes an.
Inspirierender Event Nummer 2: Fernsehauftritte. Die meisten glauben, dass in den USA der frühen Sechziger alles sauber, rein und geregelt war, doch schon damals fanden sich in der Popkultur allerlei „geschmackvolle“ Absurditäten. Comedians wie Peter Sellers, Ernie Kovacs und sogar Steve Allen arbeiteten an der Grenze zum Surrealen. Auf der lokalen Ebene ging es sogar noch freakiger zu. Bevor man die Fernsehindustrie unter einem großen Hut vereinte und dabei homogenisierte, gab es im ganzen Land regionale Programme bei Lokalsendern. In Arizona war eine winzige TV-Show namens The Wallace and Ladmo Show besonders angesagt, in der sie Sketche und Zeichentrickfilme brachten. Meine Güte, sie fütterten uns täglich aus einem riesigen Kessel des Wahnsinns.
Wallace, der Normale, trug eine Beanie-Mütze mit einem Propeller. Ladmo spielte den blöden Sidekick, trug einen viel zu großen Hut und eine gepunktete Krawatte. Wallace’ und Ladmos Sketche waren überirdisch gut. Natürlich passierten einige unglaubliche Pannen – Requisiten funktionierten nicht, oder Schauspieler vergaßen den Text –, doch was mich anbelangte, konnte es bei der Show gar kein Malheur geben. Die beiden machten sich eine Katastrophe zunutze und blieben letztendlich Sieger. Im Grunde genommen wurde es noch witziger, je mehr Missgeschicke vorkamen!
Eines Tages nahm Vince seinen ganzen Mut zusammen und wählte die Nummer des Senders KPHO. Wallace nahm den Anruf höchstpersönlich entgegen. Vince erzählte ihm von den Earwigs und dass wir gerne in der Show auftreten würden.
„Na klar“, meine Wallace großzügig. „Ich werde euch mit einbeziehen.“
Während der nächsten Wochen beschäftigten wir uns nur noch mit der Vorbereitung der uns zugestandenen zwei Songs. Vince bemalte das Fell von Johns Bass-Drum. Wir trugen schwarze Rollkragenpullover und dazu passend goldene Cordsamt-Jacketts ohne Kragen. Trotzdem gelang es uns, noch gammelig auszusehen.
An dem Tag, an dem die Band das Fernsehstudio betrat, sahen wir voller Überraschung Wayne Newton. Er war ein junger Sänger aus der Gegend, der sich auf alte Standards spezialisiert hatte und uns beim Aufbau beobachtete.
„Stellt euch eng zueinander“, riet uns der zukünftige Mr. Las Vegas mit seiner samtweichen hohen Stimme. „Das hat auf dem Bildschirm eine bessere Wirkung.“ Allen war klar, dass er wusste, wovon er sprach, denn wir hatten schon die Newton Brothers bei Lew King Rangers gesehen.
Da standen wir also, vor unserer Nase die Aufzeichnungskameras, so groß wie Luftschiffe. Als sich Schweinchen Dick verabschiedete („Th-th-that’s all, folks!“) wurde uns kurz und bündig das Prozedere erklärt, und schon donnerten die nervösen Earwigs in das erste Stück. Wir waren so aufgedreht, dass die Nummer einem schnell laufenden Charlie-Chaplin-Film glich. Das zweite Stück verwirrte uns so sehr, dass wir aufhören mussten. Glücklicherweise rettete uns Vince, indem er in die Kamera winkte und „Yabbada-yabbada, that’s all, folks!“ intonierte.
Die Beleuchtung wurde abgedimmt. Unsere Herzfrequenzen näherten sich wieder dem unteren Hunderterbereich an. Wayne schritt locker-lässig an uns vorüber und sagte: „Gut aus der Affäre gezogen.“
1964. Längere Haare waren angesagt. Dadurch wurden wir für die strengeren Lehrer und ihre „Spitzel“, die Flur-Aufsichten, die uns nur allzu gerne verpetzten, zu geeigneten Angriffszielen. Jeder Typ mit langen Haaren musste ganz einfach ein Drogenfresser sein. Was noch hinzukam und die Situation verschlimmerte: Ganz Arizona schien voller mieser Typen zu stecken, denen es einzig und allein darum ging, sich an den Wochenenden bis zum Schielen volllaufen zu lassen und dann andere zu vermöbeln. Einige Langhaarige grün und blau zu schlagen, schien daher ein nettes Freizeitvergnügen zu sein.
Die Parkplätze der Teenager-Clubs verwandelten sich in regelrechte Schlachtfelder. In unserem Fall klappte es aber nicht immer mit dem blöden Anmachspruch der Cowboys: „Bist du ein Junge, oder bist du ein Mädchen?“ Einige der Typen lagen Sekunden später auf dem Boden, alle viere von sich gestreckt und mit blutigen Zähnen, während unser athletischer Freund John Tatum mit einem teuflischen Grinsen über sie gebeugt stand. Auch Glens Fäuste richteten einigen Schaden an.
Wir waren noch nicht so alt, dass uns die Eltern erlaubt hätten, diese Läden zu besuchen, hatten aber schon viel vom beliebtesten Club in Phoenix gehört, der VIP Lounge. Eines Abends tauchten wir dort unangekündigt auf und stellten uns dem Besitzer Jack Curtis vor, der sich zu einem Vorspielen überreden ließ. Jacks Stil ähnelte ganz und gar dem des höchst sympathischen Dick Clark.
Am nächsten Tag hörte er sich nur einige Stücke an und engagierte uns sofort. Doch der Bandname musste seiner Meinung nach gestrichen werden.
„Wir hätten es ohne den Namen nicht so weit gebracht“, warf Glen ein.
„Und wie wäre es mit Spiders?“, schlug Jack vor. „Das hört sich auch im Radio gut an.“
„The Spiders!“, frohlockte Vince. „Ist immer noch ein Insekt. Ich mag es.“
Jack schlug einen neuen, zum Namen passenden Bühnenaufbau vor, der „Spider Sanctum“ [dt. „Das Sanktuarium der Spinne“] heißen sollte.
„Ich habe zwar nicht die leiseste Idee, wie das aussehen soll“, sagte Jack, „doch wir werden es uns zurechtzimmern.“ Einige Tage später traf sich die Band im VIP zum Bau der großartigen Bühnendekoration. In unserem Arbeitseifer ähnelten wir einem Rudel Schimpansen. Mr. Ward, der Dad, der die Guillotine gebaut hatte, kam mit einem Transporter voller Holz. Sogar Mr. Furnier und Mr. Buxton rafften sich auf, um einige Tipps der hohen Ingenieurskunst vom Stapel zu lassen.
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