Zwar hat es während seiner Karriere eine Reihe solcher Behauptungen gegeben, aber dennoch betrachten sie einige seiner Mitarbeiter als unangebracht. Schlagzeuger Rivkin räumte zwar ein, dass Bandmitglieder bei den Proben öfter eigene Riffs erschufen, sagte aber auch, dass es letztlich Prince war, der aus diesen rohen Vorgaben fertige Songs formte. „Es wird oft vergessen, dass ein Riff oder ein Motiv etwas ganz anderes ist als Songwriting“, meint er. „Der Songwriter ist es, der den Text und die Musik erdenkt. In neunundneunzig Prozent der Fälle, bei denen Prince sagt, dass er den Song geschrieben hat, ist das auch so.“ Owen Husney ist der Ansicht, dass sich Cymones Anspruch nur schwer beweisen lässt, vor allem angesichts der Art und Weise, wie die fraglichen Songs entstanden. „Bei Jamsessions fließen die Ideen von einem zum anderen“, sagte er. „Wenn Prince und André jammten und etwas Cooles dabei herauskam, dann war Prince derjenige, der die Idee für Schallplatte und Radio umsetzen konnte. André nicht.“
Dennoch finden sich reichlich viele Beispiele dafür, dass Prince zumindest nicht allzu bereitwillig anerkannte, wenn andere Beiträge zum Songwriting und zur Produktion geleistet hatten. Toningenieur David Z. Rivkin, der bei der Produktion seines Debüts eine große Rolle spielte, wurde auf der Rückseite des Covers nicht einmal erwähnt und bekam nur ein allgemeines Dankeschön auf der Innenhülle der Platte. Und 1986, als Rivkin und Mark Brown beide stark an der Entstehung des Hits „Kiss“ beteiligt waren, wurde Rivkin lediglich als „Arrangeur“ genannt, Brown hingegen gar nicht. Als Rivkin und der Bassist und Gitarrist Levi Seacer Jr. mit Prince gemeinsam den Song „Well Done“ erarbeiteten, wurden sie überhaupt nicht erwähnt, als der Titel auf dem Album Heaven Help Us All von der Gospelgruppe The Steeles erschien. „Da hat sich sein Ego wieder einmal selbstständig gemacht, nehme ich an“, sagte Rivkin. „Levi und ich waren darüber nicht sehr glücklich. Prince ist sehr stolz, und für ihn ist es ziemlich schwer, jemand anderem die gebührende Anerkennung zuteil werden zu lassen. Das ist nun mal so.“
Rivkin, der damit zufrieden war, dass er eher hinter den Kulissen an der Karriere von Prince mitwirkte, tat es vermutlich als typische Unart des Musikgeschäfts ab, wenn er derart übergangen wurde. Aber für Cymone war das wesentlich schmerzhafter. Nach der Tour zu Dirty Mind führte eine Reihe von Brüskierungen dazu, dass er die Band verließ: Er hatte den Eindruck, dass seine Beiträge nicht geschätzt wurden, und ärgerte sich darüber, dass er im Studio wenig Einfluss hatte; zudem hoffte er auf eine erfolgreiche Solokarriere. „André konnte einfach schlecht die zweite Geige spielen und kam nur eine gewisse Zeit damit zurecht, Anweisungen von anderen zu bekommen“, meinte Bobby Rivkin. „Er ging immer davon aus, dass er eines Tages genauso berühmt sein würde wie Prince selbst.“
Ein weiteres Problem lag darin, dass Cymone meinte, er verdiente schon allein deshalb eine bessere Behandlung, weil seine Mutter so viel für Prince getan hatte. „André war gekränkt“, erkannte Dickerson. „Er war der Ansicht, Prince wäre gar nicht dorthin gekommen, wo er war, wenn er und seine Familie nicht gewesen wären.“
Mai 1981: Europatournee
Während Dirty Mind von den Kritikern gefeiert wurde, reiste Prince das erste Mal für einige Konzerte und Promotiontermine nach Übersee. Die historischen Sehenswürdigkeiten des alten Kontinents ließ er dabei komplett links liegen und verwendete vielmehr seine ganze freie Zeit darauf, sich mit der europäischen Popkultur vertraut zu machen. In London ging er mit Steve Fargnoli zu einer in einem Club veranstalteten Geburtstagsparty von Steve Strange, der zu den führenden Musikern und Szenegrößen der so genannten New-Romantic-Bewegung zählte, einer Seitenlinie des New Wave, die vor allem für ihre ausgefallene Mode bekannt war. Anschließend reiste Prince mit der Band nach Amsterdam, wo sie vor einem kleinen Publikum ihr erstes Konzert in Europa gaben. Auch beim Gig in Paris kamen nur wenige Leute, darunter hauptsächlich Insider aus der Plattenindustrie.
Prince ging weiterhin viel in Nachtclubs und ließ sich immer stärker von der breit gefächerten Mischung von dem Stil und Sound beeinflussen, die man in Europa favorisierte. „Ich glaube, er wusste besser als die Leute von den Plattenfirmen, was man auf der Straße hören wollte“, erinnerte sich Mark Brown, der nach der Dirty Mind-Tournee André Cymone am Bass ersetzte. „Er fuhr nach Europa und studierte genau, was dort lief, und das wollte er in die Staaten transportieren.“
Die Frage war jedoch, ob Amerika dazu bereit war. Zwar hatten die Kritiker bereits den Eindruck, dass Prince sich mit Dirty Mind als Künstler etabliert hatte, der sowohl die R&B- als auch die Rockfans erobern konnte, aber die Verkaufszahlen wiesen zunächst noch darauf hin, dass er auf dem Popmarkt weder als Fisch noch als Fleisch gehandelt wurde. Nach drei Alben hatte er es gerade auf einen bescheidenen Singleerfolg gebracht („I Wanna Be Your Lover“), und seine Karriere war zumindest kommerziell noch nicht in Schwung gekommen.
Zwar war er mit der Reaktion der Kritiker sehr zufrieden, aber trotzdem blieb Prince dieses Problem nicht verborgen. Als Brown Anfang 1981 für die Band vorspielte und nach dem Nachfolger zu Dirty Mind fragte, wirkte Prince ebenso nachdenklich, wie er es auch kurz zuvor bei seiner Unterhaltung mit Dickerson im Restaurant gewesen war. „Er sah mich an und meinte: ‚Mit dem nächsten Album müssen wir es schaffen‘“, erinnerte sich Brown. „Musikalisch wusste er ganz genau, was er tat, aber ich glaube, er war sich nicht sicher, ob es auch funktionieren würde. Er fürchtete wohl, dass man ihn bei Warners fallen lassen würde, wenn sich die nächste Platte nicht verkaufte.“
Dennoch gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass Prince seinen neuen Kurs auch nur im Geringsten infrage stellte. Er hatte sich inzwischen ein Haus im grünen Stadtteil Lake Riley in Minneapolis gekauft (und es prompt lila angestrichen) und ließ sich nun von Don Batts im Keller ein Sechzehnspurstudio einrichten. Das Equipment war technisch besser als das, mit dem er Dirty Mind aufgenommen hatte, und hatte einen etwas polierteren Klang. Da nun mehr Platz war, konnte sein Klavier, das er auf Dirty Mind überhaupt nicht benutzt hatte, im Wohnzimmer aufgestellt und per Kabel mit dem Studio unten verbunden werden.
Bei den Vorbereitungen für das vierte Album, das den Titel Controversy tragen sollte, zeigte sich ein Mix neuer Einflüsse in seinem Songwriting. Kalte, elektronische Klangmuster, im Stil von New-Wave-Bands wie Kraftwerk und Devo, tauchten in dieser Musik auf, die mehr als je zuvor eine Vielzahl von Genres in sich vereinte. „Controversy“ verband ein kratziges Gitarrenriff nach James-Brown-Manier mit einer rockigen Synthesizerfigur und im Mehrspurverfahren eingesungenem Harmoniegesang, bei dem Prince auch die tieferen Bereiche seiner Stimme auslotete, die er auf den vorigen Alben bisher kaum eingesetzt hatte. Das funkige „Sexuality“ war ähnlich gelagert und zeigte erneut, dass er die verschiedensten Klänge aus seinen Stimmbändern herauskitzeln konnte.
Bei seinem Management und bei Warner Bros. war man sich nun fast überall darüber einig, dass dieses neue Material Prince als eine Kultfigur etablieren konnte, die möglicherweise in den verschiedensten Genres Erfolge feiern würde. „Ich hielt die Platte für brillant“, sagte Marylou Badeaux, die damals bereits spürte, dass sich der brodelnde Zorn in seiner Musik und seinen Texten perfekt mit der kommerziell immer erfolgreicheren New Wave verzahnen könnte.
Der größte Teil des neuen Materials entstand zwar in seinem neuen Haus, aber er arbeitete auch in zwei Studios in Los Angeles, dem Hollywood Sound und dem Sunset Sound. Im Sunset nahm er den Titel „Private Joy“ auf, das erstmals eine ganz neue Herangehensweise beim Aufbau der Rhythmustracks zeigte. Statt ein live gespieltes Schlagzeug einzusetzen, verwendete Prince den Linn LM-1, den ersten Drum-Computer, der mit Samples von echten Schlagzeugkomponenten arbeitete. Während die ersten Drum-Machines noch billig und nach Plastik geklungen hatten, hörte sich der Linn fast wie ein echtes Instrument an.
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