Aus dem Englischen von Alan Tepper
www.hannibal-verlag.de
Impressum
Deutsche Erstausgabe 2020
© 2020 by Hannibal
Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen
www.hannibal-verlag.de
ISBN 978-3-85445-686-5
Auch als Paperback erhältlich mit der ISBN 978-3-85445-685-8
Titel der Originalausgabe: The Age of Anxiety
© Pete Townshend 2019
ISBN Hardcover: Coronet 9781473622937
Coronet is an imprint of Hodder & Stoughton Ltd, London, UK
Cover Illustration © Luis Toledo at Dutch Uncle
Grafischer Satz in deutscher Sprache: Thomas Auer, www.buchsatz.com
Übersetzung aus dem Englischen: Alan Tepper
Deutsches Lektorat und Korrektorat: Dr. Matthias Auer
Hinweis für den Leser:
Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.
Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.
Inhalt
Buch eins Buch eins
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Buch zwei
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Buch drei
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Postskriptum des Autors
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Für Rachel
Buch eins
Kapitel 1
Licht. Blendendes weißes Licht. Da steht ein Mann mit ausgestreckten Armen, den Rücken uns zugewandt. Er ist bis zur Hüfte nackt. Sein lockiges, schulterlanges Haar schimmert goldfarben. Wir können sein Gesicht nicht erkennen. Als wir uns dem Mann langsam von hinten nähern, beginnt sein Körper, das Licht abzuschirmen. Die Sonne geht unter. Seine Haare bilden einen Lichtkranz. Plötzlich springt der Mann nach vorn, und wir fliegen mit ihm, segeln durch die Luft, über die blaugrüne Landschaft, dem Sonnenuntergang entgegen.
Es ist ein beklemmendes Gefühl, mit dem ich an diesem Juniabend in meinem Adlerhorst sitze, wenige Tage vor meinem 67. Geburtstag im Jahr 2012. Mein Name ist Louis Doxtader, und dies ist meine Geschichte. Ich befinde mich im obersten Zimmer eines Hauses, das hoch auf einem Hügel neben einer geschäftigen Straße liegt, am Rande des heruntergekommenen Bergstädtchens Magagnosc in Südfrankreich. Das Gebäude ist gemietet und wird von einer liebenswerten, aber exzentrischen Frau geführt, die mich einlud, mit ihr den Sommer zu verbringen. Ich bezahle alle Rechnungen, und sie kümmert sich um mich, damit ich schreiben kann.
Nur sie weiß, was mich dazu antreibt, diese Geschichte zu erzählen. Sie kennt mein Geheimnis, da sie die Ereignisse selbst miterlebte, versteht, wie wichtig es für mich ist, deren Verlauf zu schildern, währenddessen sich Wundervolles zutrug – als Resultat einer vergangenen Handlung, die ich zutiefst bedauere. Ich will nicht, dass man mir vergibt, will stattdessen eine Art Erleichterung spüren. Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, es aber auch nicht zulassen, dass ein Missverständnis von damals die Zukunft verändert. Nachdem Sie meine Geschichte gehört haben, werden Sie in der Lage sein, sich ein eigenes Bild zu machen.
An meinem kleinen Schreibtisch sitzend, kann ich von der erhöhten Aussichtsposition aus das Mittelmeer sehen, die entfernt gelegene Bucht von Cannes und den Hafen La Napoule. Unten im Tal liegt in der Nähe die Stadt Grasse, berühmt für ihre Parfümindustrie. Nur wenige der dort produzierten Düfte steigen zu mir auf, doch die von Kiefernduft erfüllte Luft der Berge, die mit ihren Pisten über dem Tal liegen, dringt manchmal zu mir hinab.
Mein Nachname Doxtader stammt vermutlich aus den Niederlanden, doch mein Urgroßvater kam ursprünglich aus Norwegen. Ich habe mein ganzes Leben in Großbritannien verbracht. Mein Vater Edvard – auch als Ted bekannt – wurde nach Edvard Munch benannt, Maler von Der Schrei. In meiner Kindheit war das eine düstere, geradezu prophetische Vorstellung, die mich möglicherweise prägte, wie sich, so hoffe ich, herausstellen wird.
Munch lebte noch, als mein Vater geboren wurde, und meine Großeltern hatten den bekannten Mann getroffen und zeigten sich tief beeindruckt. Mein Vater Edvard war zwischen den Kriegen nach Großbritannien gezogen und hielt sich dort weiterhin auf, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. Meine Mutter hat mir immer erzählt, dass er in dieser Zeit für das Kriegsministerium als Spion tätig gewesen sei, da Norwegen gegenüber Deutschland kapituliert habe. Man hatte ihn auf dem RAF Northolt Airport stationiert, von wo aus er an einigen Flugeinsätzen nach Norwegen teilnahm. Während der letzten Jahre der Feindseligkeiten traf und heiratete er meine englisch-jüdische Mutter Claire, und ich wurde geboren, kurz nachdem man Deutschland gezwungen hatte, den neuen Lebensraum aufzugeben.
Als sich mein Patenkind Walter mit meiner Tochter Rain anfreundete, begann ich, mehr Zeit mit dem Jungen zu verbringen. Sie besuchten schon von frühster Kindheit an dieselbe Schule und wurden im Dezember 1966 geboren beziehungsweise im August dieses Jahres.
Walter ist Musiker. Schon im Alter von acht Jahren spielte er ständig Mundharmonika, blies darauf und sog die Luft ein, oftmals den Kopf in einen Plastikeimer gesteckt, um den Klang zu verstärken und sich von der Welt abzukapseln. Ich war mit Walters Eltern eng befreundet und beeindruckt vom Orchester, mit dem sein Vater auftrat.
Es mag Sie vielleicht interessieren, wie Walter Karel Watts zu seinem mittleren Namen kam. Sein Vater Harry war ein hochtalentierter, klassisch ausgebildeter Musiker, aber auch Science-Fiction-Liebhaber. Karel Ĉapek wiederum war ein tschechischer Dramatiker, der das Stück W.U.R. Werstands universal Robots verfasste. Sein Bruder kam auf den Begriff „Robot“, der im Tschechischen „Arbeitstier“ bedeutet.
Harry hatte große Pläne für Walter, und aus diesem Grund gab er seinem Sohn den mittleren Namen, inspiriert von Karel Ĉapeks scharfsinnigem Theaterstück aus dem Jahr 1920, das von der Machtübernahme durch intelligente Maschinen handelt. In den Augen seines Vaters war für Walter wissenschaftlicher Ruhm vorbestimmt. Stattdessen entschied er sich dafür, Mundharmonika zu spielen.
In ihren späten Teenagerjahren wurde Rain Journalistin, und Walter besuchte eine Gartenbauschule. Doch er konzentrierte sich letztendlich auf die Musik der Lippen und der damit assoziierten Organe. Während er und Rain noch in Ausbildung waren, begann er, mit Auftritten in Pubs und Clubs recht gut zu verdienen. Er zählte schließlich zur sogenannten „Vierten Welle der Rockmusik“, die in den Neunzigern stattfand – und Bands wie Nirvana, Pearl Jam und die Smashing Pumpkins umfasste –, doch Walters Musik war eine Rückbesinnung auf die Post-Punk-Jahre der späten Siebziger: den Pub Rock von Dr. Feelgood, den Stray Cats, den Fabulous Thunderbirds und der Dave Edmunds Band. Das war die einfache und ehrliche Musik, die er wiederbeleben und würdigen wollte. Aber auf welcher Welle er auch ritt, in meinen Augen war Walter K. Watts ein Fifties-Pub-Rocker des 21. Jahrhunderts, und das würde er auch immer sein. Das ist ein schräges Statement. Aber ich neige dazu.
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