Die Youngs prahlen nicht – zumindest nach außen hin – mit ihrem Reichtum, trotz eines unvorstellbaren Vermögens, von dem niemand geträumt hätte. Wenn sie sich auf der Straße blicken lassen, latschen sie immer noch in dem für Glasgow typischen „Griesgram-Gang“ – Kopf nach vorne gebeugt, Hände in den Hosentaschen, und geduckt, als müssten sie sich verteidigen. Es kommt nicht selten vor, dass sie irgendwo in der Welt in einem kleinen Laden auftauchen, sich Zigaretten kaufen und dabei billige Klamotten tragen, als wären sie durchschnittliche Typen von nebenan.
Anthony O’Grady und der Angels-Gitarrist John Brewster gehörten zu den Mitgliedern des privaten Concord Golf Club im Westen Sydneys. Mehrere Male trafen sie sich mit Malcolm und George zu einer freundschaftlichen Partie. Während eines der Spiele verriet George O’Grady, dass AC/DC „über 20 Millionen Alben“ von Back In Black abgesetzt hatten und nun die größte Band der Welt sind.
„Kurz nachdem mir George das gesteckt hatte, fragte mich Malcolm in aller Ernsthaftigkeit: ‚Das ist ein wirklich guter Golfclub, nicht wahr? Wie viel musst du für die jährliche Mitgliedschaft bezahlen?‘ Ich kann mich nicht mehr an den Beitrag erinnern und antwortete irgendwas um die 1.500 Dollar. Und er antwortete: ‚Hey, du musst aber reich sein! Ich bin bei Massey Park [einem nahe gelegenen, öffentlichen Golfplatz].‘ Ich gaffte ihn an: Ein Mann, der sich halb Florida inklusive aller Golfplätze kaufen konnte! Sie wussten ganz genau, dass man sie beobachtete, und wollten nicht als Angeber da stehen. Die wussten das ganz genau.“
Swan weiß von einer ähnlichen Story über Angus zu berichten, der damals in Kangaroo Point am südlichen Vorortrand von Sydney lebte. Er fuhr mit einem Mercedes mit hohem Kilometerstand durch die Gegend, während sich Swan, der im benachbarten Sylvania lebte, einen neuen Jaguar angeschafft hatte. Er fragte Angus, warum er so eine „beschissen alte“ Karre führe, wenn er sich doch jeden Autotraum erfüllen könne.
„Er antwortete: ‚Mit dem Wagen ist doch alles in Ordnung. Wovon redest du denn da? Es ist ein absolut gutes Auto.‘ Ich entgegnete: ‚Ja, aber du bist jetzt unglaublich reich.‘ Angus antwortete: ‚Das hat doch damit nichts zu tun. Es ist ein guter Wagen. Ich mag ihn.‘ In der Gegend herumzukurven und mit ihrem Wohlstand anzugeben – das haben sie nicht nötig. Das kann man auch über ihre Schuhe sagen. Die haben mich echt angemacht, weil ich schicke Sportschuhe trug und sie einfache Dunlops. Siebzehn Dollar das Paar! Und ich trug ein Paar, für das ich 200 blechen musste. Und die machten sich darüber lustig: ‚Aha! Schau mal! Da hat ja einer Kohle!‘“
„Es sind wirklich gute Menschen“, meint Opitz, „jedoch sehr auf ihre Privatsphäre bedacht.“
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Für Leser, die eine eher konventionelle Biografie suchen, in der die Lebensgeschichte der Youngs angemessen dokumentiert wird (oder zumindest der Versuch einer Dokumentation gemacht wird) eignen sich folgende Bücher: Clinton Walker Highway To Hell: The Life And Death Of AC/DC Legend Bon Scott, Mike Evans’ Autobiografie Dirty Deeds – Meine wilde Zeit mit AC/DC, Murray Engleheart – AC/DC – Maximum Rock ’n’ Roll, John Tait – Vanda & Young: Inside Australia’s Hit Factory, Phil Sutcliffe: AC/DC: High Voltage-Rock ’n’ Roll: Die ultimative Bildbiografie, Susan Masino – Die AC/DC Story: Let There Be Rock, und Mick Walls AC/DC: Die Bandgeschichte. Es gibt noch zahlreiche weitere Publikationen, in verschiedenen Sprachen und unterschiedlicher Qualität, von denen die meisten eher stark chronologisch-biografisch ausfallen oder zu den illustrierten Leitfäden zählen mit wenig oder keinen kritischen Bemerkungen (einige von ihnen grenzen an eine journalistische Fellatio). Meist wird wenig zur Musik und der Wirkung geschrieben, und viele enthalten einige krasse Fehler.
Zum Beispiel: In dem Band von Wall befindet sich ein Foto eines alten Mannes in einer Schuluniform, der 1976 mit AC/DC in London abhängt. Es gehört zu der bekannten Serie Dick Barnatts, in der auch Angus Young zu sehen ist, der direkt aus einer Milchflasche trinkt. Der Name des geheimnisvollen Mannes wird mit Phil Carson angegeben, einer der wichtigsten Protagonisten der AC/DC-Geschichte, da er sie unter Vertrag nahm. Es ist ein wichtiges Detail, besonders weil er auch für das Buch interviewt wurde. Tatsächlich ist es aber Ken Evans, ein Australier, der als Programmdirektor für Radio Luxemburg arbeitete und zuvor für die Piratensender Radio Caroline und Radio Atlanta tätig war. Für die Promotion von AC/DC nahm er ein Interview mit ihnen auf, woraufhin sie sich bedankten, indem sie ihn bei den Vorbereitungen zu seinem Geburtstag unterstützten. Als ich mit ihm zu Beginn des Jahres 2013 sprach, erinnerte er sich kaum noch an den Tag, bestätigte aber, dass er zu „einer der Begegnungen“ gehörte, die er mit der Band hatte. Evans verstarb im darauf folgenden Jahr.
In einem kurzen E-Mail-Wechsel mit Stevie Young, der während der US-Konzerte der Blow Up Your Video-Tour erstmalig Rhythmusgitarre spielte (als Malcolm sich ernsthaft mit seinem Alkoholproblem auseinandersetzen musste), merkte ich an, dass es zahlreiche Fehlinformationen in Büchern und auf Fan-Seiten gibt. Ich selbst fiel diesen Fehlinformationen zum Opfer und dachte aufgrund des Gelesenen, Stevies Vater wäre Alex Young. Er antwortete: „Ja, es gibt sie. Aber ich finde das witzig … mein Vater war Stevie Young, ihr ältester Bruder.“ Stevie Senior, geboren 1933, war das erste von acht Geschwistern in der Familie Young. Alex’ Sohn trägt den gleichen Namen wie der Vater und lebt in Hamburg.
Wie der Vater, so der Sohn. Ich hoffe, in dem Buch eigene Fehler vermieden zu haben. Details zur Familie müssen hier nicht aufgewärmt werden, und auch das Nacherzählen der hinlänglich bekannten Geschichte gehört nicht zu den hier angesprochenen Themen. Ich wollte nicht wie ein Besessener alte Musikmagazine nach Zitaten aus zweiter Hand durchforsten, um die Seiten zu füllen. Es lag nicht in meiner Absicht, alte Informationen von Leuten abzufragen, die schon bis zum Erbrechen interviewt worden waren oder die des Redens überdrüssig sind und sich nur unter großem Leidensdruck öffnen. Nichts ist so fade und langweilig. So viele Bücher über AC/DC beschränken sich darauf, auch ein Titel wie das gnädigerweise kürzere von Anthony Bozza – Warum AC/DC die Größten sind. Der amerikanische Autor meint zur Band, dass sie in Australien „erzogen und von den charakteristischen [durch viele Nationen geprägten, A.T.] kulturellen Zusammenflüssen beeinflusst wurden, die die Insel so einzigartig macht.“ Er geht sogar so weit, zu behaupten, „dass [sie] sich mit weit aufgerissenen Augen wie gesetzlose Jugendliche aus einem Land [verhalten], das ehemalige Sträflinge gründeten“, und merkt an, dass „AC/DC aus den Schützengräben“ emporstiegen und dass die Musiker „nicht das Rad neu erfunden haben – sondern es wie waschechte Motherfucker mit einer irren Geschwindigkeit ankurbeln“.
Die Ausrichtung des Buches ist leicht zu verstehen. Trotz des geringen Seitenumfangs [im Original 160 Seiten, A.T.] lässt sich dieser geballte Fan-Quatsch nur schwer lesen. Bozza, dem gute Intentionen unterstellt werden können, gab später zu, den Titel nur in der Hoffnung verfasst zu haben, von AC/DC als offizieller Band-Biograf ernannt zu werden. So liest sich der Text auch: Es grenzt an eine Heiligengeschichte. Wie dem auch sei – der Titel des Bandes provoziert eine Antwort. Man kann Bozza den Hinweis auf ein wichtiges Thema zuschreiben.
Allerdings muss man deutlich darauf hinweisen, dass nicht alle AC/DC-Veröffentlichungen gut sind. Tatsächlich lassen sich einige sogar als eindeutig mies beschreiben. (Das reicht von Einzeltiteln wie „Hail Caesar“, „Danger“, „The Furor“, „Mistress For Christmas“, „Caught With Your Pants Down“ und „Safe In New York City“ bis hin zu Alben, die man lieber schnell vergisst: Fly On The Wall, Blow Up Your Video und Ballbreaker. Einige Songs gehören [besonders aufgrund der Texte] in die Kategorie „derb und flach“: „Let Me Put My Love Into You“, „Cover You In Oil“, „Sink The Pink“. Auch wenn die Texte schlecht sind oder einen fragwürdigen Geschmack widerspiegeln, klingt die Musik immer gut. Die Riffs enttäuschen den Hörer nie. Es ist ironisch für eine Band – die Bon Scott einmal als „Album-Band“ bezeichnete –, dass von 16 Original-Studio-Alben (die Live-Scheiben werden nicht mitgezählt) nur vier in einem größeren Kontext wirklich essenziell sind: Let There Be Rock, Powerage, Highway To Hell und Back In Black. Ihr letztes überragendes Album wurde 1980 aufgenommen.
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