Bsp.:Der gewerbsmäßig handelnde T bricht in einen Geschäftsraum ein und stiehlt dort Bargeld. G hat ihm im Vorfeld eine Skizze des Tatorts übergeben. – T macht sich nach §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 strafbar. Da G Kenntnis vom Tatort besaß, haftet er nach h. M. entsprechend den Grundsätzen des § 27 quasiakzessorisch für das tatbezogene Merkmal des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, so dass die Indizwirkung bereits deshalb eintritt. Hinsichtlich § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 haftet er nicht, weil gemäß § 28 Abs. 2 (analog) das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit bei ihm nicht vorliegt. Zu einem entsprechenden Ergebnis gelangt die Tatbestandslösung. Die h. M. „überprüft“ das Ergebnis aber im Wege einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für § 46 von Bedeutung sind; der BGH vollzieht sogleich die Gesamtwürdigung.
142 b)Für mittelbare Täter und Mittätergelten §§ 25 Abs. 1 Var. 2, 25 Abs. 2 (entsprechend) 363, so dass etwa bei einem Exzess eines Beteiligten das Regelbeispiel den anderen Beteiligten nicht zugerechnet werden kann. Die h. M. nimmt aber auch hier eine Gesamtwürdigung vor 364.
143Bei Versuchskonstellationen kann zunächst die Frage Bedeutung erlangen, wie sich das (etwaige) Vorliegen eines Regelbeispiels auf den Versuchsbeginn auswirkt. Ferner kann zu erörtern sein, wie Konstellationen zu behandeln sind, in denen § 242 oder ein Regelbeispiel des § 243 nicht vollendet ist.
144 a)Liegt schon kein unmittelbares Ansetzen zu § 242vor, so kommt § 243 von vornherein nicht zur Anwendung. Der Beginn der Verwirklichung eines Regelbeispiels begründet dabei noch kein unmittelbares Ansetzen zu § 242 365, weil Grundtatbestand und Strafschärfung – nicht anders als bei Qualifikationstatbeständen – insoweit getrennt zu betrachten sind 366. Auch können Merkmale wie die Gewerbsmäßigkeit i. S. d. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, die nicht die Tatausführung selbst betreffen, für das unmittelbare Ansetzen von vornherein keine Bedeutung erlangen 367. Stuft man § 243 als Strafzumessungsregel ein, so wäre ein anderes Ergebnis auch im Hinblick auf das Analogieverbot bedenklich, da für das unmittelbare Ansetzen nach § 22 der gesetzliche Tatbestand maßgeblich ist 368.
Bsp. (1): 369T beginnt mit dem Aufbrechen des Seitenfensters einer Gaststätte, um dort einzudringen und mitnehmenswerte Gegenstände zu entwenden; der Einbruch misslingt jedoch.
Bsp. (2): 370T hebelt die Terrassentür eines Einfamilienhauses auf, um stehlenswerte Gegenstände zu entwenden. Nach dem erfolgreichen Aufhebeln wird er entdeckt und flieht.
Bsp. (3): 371T möchte einen Zigarettenautomaten aufbrechen, um Zigaretten und Bargeld zu entnehmen. Er verhüllt ihn mit einer Plane, um Geräusche beim Aufbrechen zu dämpfen. Jedoch findet er keine Steckdose, um den bereits gelegten Trennschleifer in Betrieb zu nehmen.
In allen drei Fällen kommt mangels Wegnahme einer Sache nur ein versuchter Diebstahl in Betracht, wobei sich die Frage stellt, ob überhaupt ein unmittelbares Ansetzen zu § 242 vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn der Angriff auf den Schutzmechanismus bereits begonnen hat (und nicht lediglich vorbereitet wurde) und anschließend aus Sicht des Täters der ungehinderte Zugriff auf die in Aussicht genommenen Gegenstände erfolgen kann; nicht erforderlich für das unmittelbare Ansetzen zur Wegnahme ist, dass der angegriffene Schutzmechanismus auch tatsächlich erfolgreich überwunden wird. In Bsp. 1 liegt entgegen der dort vertretenen Ansicht des BGH 372damit noch kein unmittelbares Ansetzen zur Wegnahme vor, weil nicht ersichtlich ist, dass nach Aufhebeln des Fensters ohne weitere Zwischenakte die Wegnahme von Stehlenswertem erfolgen konnte. Entsprechendes gilt auch in Bsp. 2, wobei der BGH hier zutreffend darauf verweist, dass das Aufbrechen dann der Wegnahmehandlung zeitlich und räumlich unmittelbar vorgelagert sein und aus Sicht des Täters ohne weitere Zwischenschritte in die Diebstahlshandlung münden muss, was letztlich eine Frage des Einzelfalles ist 373. Daher hat der BGH in einem anderen Fall zu Recht ein unmittelbares Ansetzen zur Tat verneint, in dem der Täter mit dem Aufbohren der Terrassentür gescheitert ist 374. In Bsp. 3 wird man dem ein unmittelbares Ansetzen bejahenden BGH hingegen folgen können, da mit der Abdeckung des Automaten bereits der Aufbruch begonnen hatte, so dass der Zugriff auf konkretisierte Gegenstände unmittelbar anschließend erfolgen konnte und weitere Zwischenschritte – wie die Suche nach Diebesbeute – nicht erforderlich waren 375. Soweit der Täter sein Einbruchswerkzeug jedoch lediglich ausgepackt hätte, wäre hierin nur eine straflose Vorbereitungshandlung zu sehen gewesen.
145Liegt zwar ein unmittelbares Ansetzen zum Grundtatbestand vor, so folgt daraus umgekehrt ebenfalls nicht zwingend der Versuchsbeginn hinsichtlich eines Regelbeispiels. Vielmehr ist das unmittelbare Ansetzen auch insoweit gesondert zu beurteilen 376.
146 b)Die Problematik von Versuch und Regelbeispiellässt sich am besten anhand eines Vergleichs zwischen dem Einbruchsdiebstahl gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und dem Wohnungseinbruchsdiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 (Abs. 4), der bis zum 6. StrRG 1998 noch von § 243 erfasst wurde, darstellen. Dabei sind drei Konstellationen zu unterscheiden:
147 aa)Recht unproblematisch ist die Konstellation des versuchten Grunddelikts und des vollendetes Regelbeispiels.
Bsp.:T bricht in einen Geschäftsraum i. S. d. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ein; bevor er die Beute an sich nehmen kann, wird er gestellt, so dass es nicht mehr zur Wegnahme und damit zur Vollendung kommt.
148Wird die Indizwirkung nicht widerlegt, so liegt ein versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 22, 23 vor 377. Dabei ist die Strafe richtigerweise gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 zu mildern 378. Hierfür spricht, dass sich § 243 auf den § 242 insgesamt, mithin auch auf die in Absatz 2 geregelte Versuchsstrafbarkeit bezieht 379. Wäre der Täter statt in einen Geschäftsraum in eine Wohnung eingebrochen, so läge entsprechend ein versuchter Wohnungseinbruchsdiebstahl nach §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 3 (Abs. 4), 22, 23 vor.
149 bb)Im Unterschied zur ersten Konstellation ist bei der zweiten Konstellation neben dem Grundtatbestand auch das Regelbeispiel nur in das Versuchsstadiumgelangt. Dabei ist zu beachten, dass es nach h. M. auch hier um die Frage nach einem versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall geht; den „Versuch eines besonders schweren Falles“ soll es nicht geben 380.
Bsp.:T war gerade dabei, in den Geschäftsraum einzubrechen, als er bemerkt, dass die Tür offen teht. Er wird von der Polizei überrascht, bevor er etwas mitnehmen kann.
150 (1)Die h. M. lehnt es ab, die Indizwirkung bereits an die versuchte Verwirklichung des Regelbeispiels zu knüpfen. Dies wird überwiegend damit begründet, dass ein Versuch eines Regelbeispiels nicht existiere, weil gemäß § 22 nur das unmittelbare Ansetzen zur Verwirklichung eines Straftatbestandes einen Versuch begründen könne 381. Es stelle eine von Art. 103 Abs. 2 GG verbotene Analogie dar, § 22 auf Strafzumessungsregeln anzuwenden 382. Aus der Gegenschlusswirkung der Regelbeispiele folge zudem, dass der Unrechtsgehalt eines vollendeten Regelbeispiels nicht erreicht sei 383.
151 (2)Die Gegenansicht bejaht hingegen die Indizwirkung 384, da aus § 23 Abs. 2 folge, dass für eine versuchte Tat grundsätzlich dieselbe Strafdrohung gelte wie für eine vollendete Tat 385. Die Regelbeispiele seien zudem tatbestandsähnlich und unterschieden sich nicht tiefgreifend von selbstständigen Qualifikationstatbeständen 386. Besitzt der Täter bei § 244 Abs. 1 Nr. 3 (Abs. 4) Tatentschluss hinsichtlich der Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals, dann macht er sich wegen eines versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls strafbar, wenn er unmittelbar hierzu ansetzt. Vom Standpunkt der Tatbestandslösung ist die Annahme der §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 22 sogar zwingend. Der Einwand, dass damit der bloße Tatentschluss, der im Schweregehalt hinter einem vollendeten Regelbeispiel zurückbleibt 387, sanktioniert wird, überzeugt nicht, weil der Strafrahmen des § 243 nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 gemildert werden kann 388. Mit § 243 wird dem gegenüber § 242 erhöhten Handlungsunrecht hinsichtlich des versuchten Regelbeispiels Rechnung getragen 389, mit der hierauf bezogenen Strafmilderungsmöglichkeit dagegen dem gegenüber der Vollendung verringerten Erfolgsunrecht. Die neuere Rechtsprechung des BGH, wonach der Versuch des Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Var. 1 die Indizwirkung nicht herbeiführt, kann nicht verallgemeinert werden, da dort das Regelbeispiel ausnahmsweise selbst den Eintritt des Erfolges verlangt 390.
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