»Das ist ein anständiger Kerl, der genau weiß, was er kann und was nicht. Ich mag ihn sehr, es hat ein wenig gedauert, aber wir haben uns damals ganz gut zusammengerauft. Ich hoffe doch, Sie sind auch froh, mich wieder hier zu sehen.«
»Aber ja, Herr Werner, wie können Sie nur so etwas fragen.«
In diesem Moment unterbrach das Telefon im Vorzimmer das Geplänkel. Karin Stigel nahm den Hörer ab, sagte etwas und winkte ihm sofort heftig zu. Dann hielt sie mit der linken Hand die Hörmuschel zu und rief: »Frau Schwarzer, sie hat den Krämer vom Finanzministerium in der Muschel. Der will eigentlich den Nehmer sprechen, der ist aber nicht da, die Pauli auch nicht, und sie weiß nicht, was sie tun soll.«
»Sie soll ihn einfach durchstellen.«
Niels Werner trank noch einen Schluck Tee, räusperte sich und nahm den Hörer ab.
»Werner.«
»Dieter Krämer hier, guten Tag, Herr Werner. Ist Peter Nehmer nicht erreichbar?«
»So ist es, Herr Staatssekretär, eine Vorsorgeuntersuchung im Herzzentrum hat unseren Chef in Beschlag genommen. Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
»Ich denke schon. Wir hatten ja ein Nachfolgemeeting beim letzten Mal bereits angedeutet. Dieses Meeting ist nun terminiert auf Freitag nächste Woche um 17 Uhr im Bundeskanzleramt. Die fehlende Absprache tut mir leid, aber ich hoffe, Sie können den Termin trotzdem möglich machen. Von unserer Seite werden teilnehmen mein Finanzminister, der Bundeskanzler, der Wirtschaftsminister und natürlich ich. Ich bin deswegen dabei, weil bei einem positiven Votum ich, zusammen mit Ihnen, mit der Implementierung des Staatsfonds befasst sein würde.«
»Wir werden selbstverständlich den Termin möglich machen, Herr Staatssekretär. Darf ich fragen, wie die Stimmung in Berlin ist?«
»Nun, zumindest bei uns, und insbesondere bei mir, haben Sie einen großen Eindruck hinterlassen. Nicht umsonst habe ich Ihnen schon nach dem letzten Treffen wohlwollende Zustimmung signalisiert. Ich denke, Sie haben gute Chancen, Ihr Projekt genehmigt zu bekommen, allerdings dürften 500 Milliarden gleich am Anfang ein wenig zu hoch gegriffen sein. Kleinere Tranchen sind da eher zielführend. Einen Hinweis hätte ich noch. Es wäre, glaube ich, für die gegenseitige Chemie besser, wenn Herr Pair nicht an dem Meeting teilnehmen würde. Insbesondere der Wirtschaftsminister könnte als Jurist daran Anstoß nehmen. Aber auch der Bundeskanzler sollte auf keinen Fall kompromittiert werden.«
»Wir respektieren Ihre Bedenken natürlich, aber ich möchte an dieser Stelle auf den untadeligen Lebenswandel, mit Ausnahme der Affekthandlung im Gerichtssaal, von Herrn Pair hinweisen.«
»Ich bin ja bei Ihnen, Herr Werner, aber die Dinge sind nun mal so, wie sie sind. Ich sehe Sie nächste Woche Freitag.« Niels Werner sah nach dem abrupten Ende des Gesprächs den Telefonhörer eine Weile nachdenklich an. Dem fragenden Blick der Stigel begegnete er mit einem resignierenden Öffnen der Arme.
»Wo zum Teufel steckt unser Chef, und wieso ist die Pauli nicht an ihrem Platz?«
Karin Stigels Gesicht war betont ausdruckslos. »Darauf kann ich mir auch keinen Reim machen.«
Werner sah sie nachdenklich an, ihr Gesicht war ihm irgendwie zu nichtssagend. Ihm fiel eine frühere Bemerkung von Peter Nehmer ein, der auf den intensiven Kontakt zwischen den jeweiligen Assistentinnen hingewiesen hatte. Er hatte sogar eine weitläufige Verwandtschaft der beiden erwähnt. Konnte es sein, dass die Stigel viel mehr wusste, es aber nicht preisgeben wollte?
»Na egal, wenn einer der beiden wieder auftaucht, informieren Sie sie über ein neues Meeting in Berlin, Freitag nächster Woche um 17 Uhr im Bundeskanzleramt. Details werde ich dann dem Nehmer persönlich mitteilen. Der Schwarzer brauchen Sie noch nichts zu sagen, ich weiß nicht, ob sie solche Sachen nicht ausplaudert.«
Karin Stigel wollte aus Solidarität mit ihrer Kollegin erst protestieren, überlegte es sich dann aber anders, zumal das Telefon schon wieder klingelte.
»Das war das Büro vom Bernhardt. Die Herren erwarten Sie dringend.«
Kein Wunder, er hatte mit dem Personalchef Jan Bernhardt die Details seines Bedarfs noch nicht besprochen.
»Okay, ich gehe gleich zu denen. In welchem Raum sind die?«
»Direkt beim Bernhardt im Büro.«
Niels Werner war doch sehr auf Kolinski gespannt. Er kannte den Personalberater ja nicht persönlich. Seine seinerzeitige Installation als trojanisches Pferd in der Wertebank durch den Berater war telefonisch erfolgt. Das galt auch für ihre Kommunikation untereinander. Er wusste, dass hinter Kolinski harte Zeiten lagen. Im zurückliegenden Jahr hatte er von der Wertebank, nachdem seine heimliche Verbindung mit Gerd Brauner publik geworden war, nicht einen einzigen Auftrag bekommen. Aber seine Personalberatungsfirma hatte in der Branche einen guten Ruf und Werner wusste selber nur zu gut, wie perfide der liebe Gerd vorgehen konnte. Es war Zeit für einen Neuanfang. Bei seinem Eintritt erhoben sich die beiden Herren, Bernhardt schien bei seinem Anblick sehr erleichtert, Kolinski leckte sich nervös die Lippen.
»Entschuldigen Sie mein spätes Auftauchen, ich hatte für unseren Chef noch etwas Eiliges zu erledigen. Herr Kolinski, ich freue mich, dass wir uns endlich einmal persönlich kennen lernen.«
»Ganz meinerseits, Herr Werner.«
Heinz Kolinski bot einen eher enttäuschenden Anblick. Mittelgroß, zur Fettleibigkeit neigend, hatte er etwas von einem Wiesel an sich.
»Waren Sie in der Lage, mit Herrn Bernhardt zu besprechen, warum wir Sie heute hierher gebeten haben?«
Hier schaltete sich Lars Bernhardt ein: »Ehrlich gesagt, konnte ich dazu noch nicht viel Erhellendes beitragen. Wir waren eher mit der Bewältigung der Vergangenheit beschäftigt.«
Niels Werner machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Vergangenheit ist, wie der Name schon sagt, vergangen. Ich hoffe, Ihre Firma ist noch so leistungsfähig wie früher?«
Heinz Kolinski konnte seinen Frust nicht so ganz verbergen.
»Sie wissen ja selbst, wie umkämpft der Markt in der Personalberatung ist. Da ist es besonders bitter, wenn der Hauptkunde seine Beziehung zu uns aufkündigt.«
»Wir haben sie nicht aufgekündigt, Sie haben nur keine neuen Aufträge bekommen.« Bernhardt war jetzt ganz im Fahrwasser des Personalchefs. »Das wäre auch gar nicht möglich gewesen. Durch die Änderung unseres Geschäftsmodells mussten wir Leute freistellen, an Neueinstellungen war da nicht zu denken. Das ist heute anders.«
Heinz Kolinskis Gesicht erhellte sich sichtbar.
»Heißt das, Sie brauchen Leute?«
»In der Tat, Herr Kolinski.« Niels Werner entnahm einer mitgebrachten Mappe ein Blatt Papier. »Ich habe es für Sie hier aufgeschrieben. Wir brauchen drei erstklassige Fondsmanager mit Expertise in europäischen Aktien und wir benötigen drei Spezialisten für Unternehmensanalysen.«
Als er das Papier entgegennahm und einen Blick darauf warf, glich Kolinskis Miene nunmehr einer aufgehenden Sonne.
»Darf ich fragen, wie dringlich die Angelegenheit ist? Und über welchen gehaltlichen Rahmen sprechen wir? Sie wissen, in dieser Branche ist es nicht leicht, Leute von Frankfurt nach München zu lotsen. Frankfurt ist halt der Nabel im Asset Management.«
»Der Einsatzort wird nicht in München sein, vermutlich eher in Frankfurt. Wir sind da noch unschlüssig, aber wir ziehen auch Berlin in Betracht.«
Kolinskis Kopf fuhr nach oben, seine Augen waren auf einmal hellwach. Da haben wir es, dachte Werner resigniert, es wäre besser gewesen, der Bernhardt hätte seinen Mund gehalten. Schnell versuchte er, die Möglichkeit Berlin als etwas Normales zu verkaufen.
»Nun, wir wollen unser Asset Management geographisch breiter streuen. Wie Sie wissen, haben wir ja bereits eine Gruppe in Frankfurt sitzen. In den Zeiten der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt ist das auch kein Problem mehr.«
Читать дальше