»Und warum kaufen wir uns nicht einfach Verkaufsoptionen?« Luke Donaldson konnte sich bequem zurücklehnen, Francois übernahm offenbar die ganze Diskussion mit Steve.
»Leerverkäufe sind die coolere Idee. Die müssen offengelegt werden, wenn sie 0,5 Prozent des Grundkapitals ausmachen. Ilan hat das ausbaldowert. Dann sehen andere Investoren, es gibt eine oder besser noch mehrere Shortpositionen am Markt und werden die Wertebank-Aktien meiden wie die Pest. Damit verstärkt sich deren Abwärtstrend noch.«
Steve Burner sah sehr selbstgefällig drein, bis sich Monterrin wieder meldete: »Und was ist, wenn einer dieser Investoren gegen uns spekuliert, die Aktien nach oben zieht und wir dann Hals über Kopf Wertebank-Aktien zurückkaufen müssen, um unseren Short zuzumachen?«
»Francois, was ist nur heute los mit dir? Wenn wir drei gemeinsam agieren, ist ein solches Szenario extrem unwahrscheinlich. Welcher Investor hat denn genug Volumen, um sich gegen uns zu stellen?«
»Warren Buffet zum Beispiel.«
»Also bitte, jetzt bleib mal ernst. Das Ganze ist doch eine todsichere Angelegenheit. Wir bauen unsere Shorts ja auch nicht für ewig auf. Wir könnten sie ja auf drei Monate terminieren, je nachdem, was gerade am Markt angeboten wird. Drei Monate sollten für unser Vorhaben mehr als ausreichend sein. Die Wertebank wird das schriftliche Aufkündigen der Bankenallianz in zwei bis drei Wochen bekommen. Dann müssen die eine Ad-hoc-Mitteilung herausgeben und damit die Börse informieren. Zeit genug, um uns entsprechend zu positionieren.«
Es war nicht zu glauben, aber der gute Francois hatte immer noch etwas zu sagen: »Dann sage mir, Steven«, wieder diese französische Betonung des Namens, »dann sage mir, warum wir uns mit Shorts begnügen sollen. Warum spekulieren wir nicht gegen die Wertebank mit dem Ziel, sie zu zerschlagen? Wir übernehmen die Mehrheit, setzen das Management an die Luft und verkaufen die Einzelteile an andere Banken oder bringen sie in einem neuen Gewand an die Börse. Dann verdienen wir doch doppelt.«
Dieser abgefeimte Kerl, dachte Luke Donaldson, der kann doch nie den Hals vollkriegen. Die Idee an sich hatte aber etwas Bestechendes. Zuerst mit den Leerverkäufen richtig Geld verdienen und dann dieses Geld für Aktienkäufe verwenden. Das war es wert im Hinterkopf zu behalten. Aber jetzt galt es erst einmal, seiner Rolle als Moderator gerecht zu werden. »Das ist eine hochinteressante Idee, Francois, die wir unbedingt noch weiter vertiefen sollten. Ich denke, unsere Assistenten sollen weitere Termine für Videokonferenzen ausmachen. Aber jetzt werden wir uns erst einmal auf das Naheliegende konzentrieren. Ich für meinen Teil muss zunächst meinen Research ankurbeln. Ich hoffe, Steve, du verstehst, dass für derartig weitreichende Aktionen ich meine eigenen Erkenntnisse brauche. Ich glaube, das gilt auch für dich, Francois. Wie wäre es mit einer weiteren Konferenz am, sagen wir nächsten Montag, um uns dann noch einmal auszutauschen und die weitere Strategie zu besprechen«, und nach einem zustimmenden Okay von allen Seiten, »gut, wir sollten dann aber später anfangen, damit Steve ausgeschlafen ist. Bis dann, mes amies.«
Luke Donaldson wartete nicht ab, bis die Monitore dunkel wurden, sondern stand sofort auf und ging zu seinem Schreibtisch zurück. Dann rief er nach Lydia. »Ich will sofort unseren Bankanalysten sprechen, der Pit soll alles stehen und liegen lassen und zu mir kommen.«
Der Pit hieß eigentlich Peter Steiner, war ein ausgesprochener Spezialist für Banken und arbeitete schon seit zehn Jahren für die TRIN. Er war auch sogleich zur Stelle. Wie alle in der True Investment wusste er, dass Luke Donaldson sehr ungehalten werden konnte, wenn seine Anweisungen nicht sofort umgesetzt wurden.
»Luke, wo brennt es?«
»Schau dir die Wertebank an. Da scheint etwas faul zu sein. Konzentriere dich insbesondere auf deren Bankenallianz. Ich brauche eine Analyse über die Auswirkungen, falls die auseinanderfliegt.«
»Hast du diesbezüglich irgendwelche Informationen?«
Donaldson zögerte einen Moment. »Schau dir das einfach mal an. Ist deren Geschäftsmodell auch ohne diese internationale Bankenallianz tragfähig? Was wären eventuelle Alternativen und wie schnell könnten die umgesetzt werden? Das sind so die Fragen, die mich interessieren. Und ich brauche möglichst schnelle Antworten.«
»Wie schnell?«
»Gestern.«
»Verstehe, dann ist es wohl besser, wenn ich hier nicht länger herumhänge.«
Donaldson machte eine zustimmende Handbewegung und rief etwas später Hank Morris, seinen Chef von der Handelsabteilung an.
»Hank, Luke hier, check mal die Bedingungen am deutschen Aktienmarkt für Leerverkäufe bei der Wertebank. Und der Teufel soll dich holen, wenn davon auch nur die leiseste Andeutung nach draußen dringt. Ich hoffe, wir verstehen uns.« »Vollkommen, Luke, wird erledigt.«
Luke Donaldson trank seinen letzten Schluck Kaffee und entspannte sich dabei ein wenig. Er hatte nun alle notwendigen Schritte unternommen und konnte jetzt nur noch auf die Ergebnisse warten. Die Entspannung war allerdings nur von kurzer Dauer.
»Der Washborne ist jetzt da.«
Donaldson sah Lydia Cummings zwar missbilligend an, winkte den Wirtschaftsprüfer aber in sein bescheidenes Büro. Es war offensichtlich, dass der mehr als nervös war. Das konnte nur extrem schlechte Nachrichten bedeuten.
»Also, Herr Washborne, was kann ich für Sie tun?«
»Nun, Herr Donaldson, wir haben über die Bewertungen Ihrer Fonds ja schon öfter gesprochen. Das Problem ist aber nach wie vor gegeben. Bei der Bewertung der Einzelpositionen in Ihren Fonds benutzen Sie für asiatische Werte die Schlusskurse des vorherigen Handelstages, für die europäischen Werte die Mittagskurse und für die amerikanischen Werte die Eröffnungskurse, da die Zeitdifferenz in die USA fünf Stunden beträgt. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass die Wertstellung der Fondsanteile willkürlich berechnet wird.«
»Aber das machen doch alle Fondsgesellschaften so.«
»Deswegen ist diese Methode aber nicht richtig. Wir brauchen ein Verfahren, welches zu einem bestimmten Zeitpunkt alle Kurse weltweit erfasst. Wie das genau aussehen soll, wird derzeit in einer Arbeitsgruppe des Finanzministeriums erarbeitet. Auch ich gehöre dieser Gruppe an und ich bin beauftragt worden, Sie zu fragen, ob Sie dieser Arbeitsgruppe beitreten wollen.«
»Na, wenn das Ihr einziges Problem ist, dann ist das einfach zu lösen. Selbstverständlich werde ich dabei mitarbeiten. Vielleicht ersetzt mich hier und da einer meiner Mitarbeiter, aber im Prinzip bin ich natürlich dabei.«
Jake Washborne ignorierte die unausgesprochene Verabschiedung, er hatte offensichtlich noch etwas auf dem Herzen. »Herr Donaldson, wir sollten uns dann auch überlegen, wie wir folgendes Problem aus der Welt schaffen. Wie gesagt, Sie bewerten mittags unserer Zeit mit allen Unzulänglichkeiten, über die wir ja schon gesprochen haben. Veröffentlicht werden die Preise für die Fondsanteile aber manchmal erst um 16 Uhr. Dazwischen liegen also mehrere Stunden, in denen faule Orders abgewickelt werden können.«
»Wollen Sie damit andeuten, dass bei unseren Fonds unsaubere Handelspraktiken angewandt werden?«
»Ich will gar nichts andeuten. Ich will nur darauf hinweisen, dass, wenn jemand den Wert der Mittagsberechnung kennt, dieser dann aber erst Stunden später veröffentlicht wird, er mehrere Stunden Zeit hat, nämlich bis zur Veröffentlichung, daraus einen Nutzen zu ziehen.«
Der Tag war zwar erst wenige Stunden alt, aber Luke Donaldson fühlte sich bereits unendlich müde.
»Danke, Herr Washborne, ich werde das zunächst mit meinen Mitarbeitern diskutieren und komme dann auf Sie zu.«
Das war ja ein hoch interessantes Telefonat gewesen, sowohl was das Gespräch an sich als auch den Inhalt und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen anging. Dieter Krämer schlürfte seinen heißen Frühstückskaffee und rekapitulierte das soeben Gehörte.
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