Und was las sie da?
Zum einen, dass der Titel erst mit der Aushändigung der Promotionsurkunde getragen werden dürfe. Ausgehändigt würden die Promotionsurkunden bei der einmal im Jahr stattfindenden » Feierlichen Promotion « (eine Festveranstaltung mit ein paar Takten Musik vom Universitätsorchester, bei der die Rektorin Feierliches und Besinnliches von sich gibt, bevor die frischgebackenen Doktorinnen der Reihe nach namentlich aufgerufen werden, um sich ihre Urkunde abzuholen; es gibt weder Häppchen noch Getränke, dafür kostet die Veranstaltung aber auch keinen Eintritt …). Der Termin der nächsten »Feierlichen Promotion« sei beim Sekretariat der Universität zu erfragen, werde aber auch in der Presse bekanntgemacht. Ausnahmen von dieser Regelung seien nicht vorgesehen . Zum andern bedürfe es einer schriftlichen Erklärung des Verlags , dass die Dissertation in einer Auflage von mindestens 200 Exemplaren vorliege und im Buchhandel käuflich zu erwerben sei. Und: Die Verlagsausgabe müsse textidentisch mit der Fakultätsausgabe sein, die zur Beantragung der Doktorprüfung eingereicht wurde. Inklusive Vorsatzblatt (also inklusive der oben erwähnten eidesstattlichen Erklärung).
Dass sie den Termin für die jährliche »Feierliche Promotion« gerade um ein paar Wochen verpasst hatte, war nicht schlimm. Dann würde sie sich halt erst im nächsten Jahr Doktor ohne »des.« nennen können. Die erforderliche Erklärung seitens des Verlags war auch kein Problem (obwohl man über diese in der Promotionsordnung formulierte Bedingung schmunzelte, denn eigentlich müsste der Vertrag zwischen Autorin und Verlag ja als Beweis dafür, dass das Buch veröffentlicht wird, ausreichen). Wirklich schlimm war die Sache mit der Textidentität. Denn es ist bei gedruckten Dissertationen durchaus nicht mehr üblich, dass das Vorsatzblatt, das der Fakultät eingereicht werden muss, mitgedruckt wird. Dass ausgerechnet die für sie geltende Promotionsordnung (die inzwischen von neueren Promotionsordnungen abgelöst worden war, aber für ihr Promotionsverfahren eben immer noch galt) noch diesen altväterlichen Passus enthalten würde, wusste niemand. Man hätte eben mal reingucken sollen!
Kurzzeitig überlegte meine Freundin, den Verlag zu bitten, die gesamte Auflage einzustampfen und mit dem Vorsatzblatt neu zu drucken. Aber das wäre teuer geworden, zu teuer für diese Lebensphase. Die Lösung war am Ende einfach: Man druckte 300 Exemplare der eidesstattlichen Erklärung aus und klebte sie per Hand in die Bücher ein, die sich glücklicherweise noch alle im Lager des Verlags befanden.
Ein Jahr später nahm sie an der »Feierlichen Promotion« teil und hatte ihre Doktorurkunde in der Hand.
Und was lernen wir aus dieser Anekdote?
Besorgen sie sich frühzeitig die für ihr Promotionsverfahren gültige Promotionsordnung! Jede Fakultät hat eine eigene. Lesen Sie sie aufmerksam . Lassen Sie sich eventuell unverständliche Formulierungen erläutern. Nehmen Sie die Promotionsordnung später in ihrer Promotionszeit gelegentlich zur Hand , insbesondere, wenn es um die Koordinierung zeitlicher Abläufe vor und in der Prüfungsphase und um die Einreichungsbedingungen von Texten, Belegen, Zeugnissen, eidesstattlichen Erklärungen usw. geht. Und ganz wichtig: Lesen Sie sie noch einmal durch, bevor Sie Ihre Dissertation zum Druck geben!
Das war bereits ein gedanklicher Ausflug an das Ende des Promotionsverfahrens, der Sie erst mal nicht weiter beunruhigen sollte. Kommen wir zum Abschluss des Kapitels zum Organisatorischen noch einmal auf den Anfang zurück.
Sie haben sich entschieden zu promovieren. Sie haben Ihr Thema, Ihre Betreuerin und ihre Hochschule gefunden. Gut! Es bleibt nun nur noch die Frage zu klären, wovon Sie in den nächsten Jahren leben wollen.
Sie haben ein Millionenvermögen geerbt, oder Ihre Eltern oder ihre Partnerin sind so reich und zugleich so spendabel, dass Sie sich um die Finanzierung Ihrer Promotion keine Gedanken machen müssen? Herzlichen Glückwunsch! Dann können Sie den Rest dieses Kapitels überschlagen.
Alle anderen müssen sich wohl oder übel Gedanken über die Finanzierung der nächsten Jahre machen, die sie für ihre Promotion realistischerweise brauchen werden. Ich rede hier nicht von den geradezu reflexhaft genannten drei Jahren, die eine Promotion angeblich dauert. Diese Zahl ist eine Mystifikation, denn sie beziffert nicht die tatsächliche Dauer einer tatsächlichen Promotion, sondern die durchschnittliche Förderungsdauer (zwei Jahre plus 2 × 6 Monate Verlängerung), die eine Stipendiatin eines der 13 bundesdeutschen Begabtenförderungswerke erwarten kann. (Die Begabtenförderungswerke verwalten Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beziehungsweise des Auswärtigen Amts und haben dementsprechend die Richtlinien dieser Behörden zu befolgen; dazu später mehr.)
Realistisch sind vier Jahre (in »strukturierten Promotionsprogrammen«) und fünf Jahre bei individuellen Promotionen; in geisteswissenschaftlichen Fächern sind es durchschnittlich noch ein paar Monate mehr. Doch auch hier handelt es sich um gemittelte Zahlen. Ihre eigene Promotionszeit kann durchaus länger sein als dieser Durchschnitt!
Machen Sie zunächst eine Kostenaufstellung: und zwar nicht für den gesamten Zeitraum von fünf Jahren, denn dann würde Ihnen sofort schlecht werden; sondern eine Aufstellung der ungefähren monatlichen Fixkosten, die auf Sie zukommen. (Das ist ein überschaubarer Betrag, der nicht sofort Herzrasen verursacht.) Sie setzen sich zusammen aus folgenden Posten:
•Miete
•Mietnebenkosten
•Strom- und Heizkosten
•Steuern und Abgaben
•Versicherungen (insbesondere Krankenversicherung)
•Semesterbeitrag beziehungsweise Studiengebühr,
•Kosten für Arbeitsmittel, Kommunikationsmittel und Mobilität
•Lebenshaltungskosten (Nahrung, Kleidung, Körperhygiene)
Sie sollten sich unbedingt bei Ihrer Krankenversicherung erkundigen, ob sie die geltende Rechtslage, dass Promovierende keinen Rechtsanspruch mehr auf den vergünstigten Studierendentarif (»Ausbildungstarif«) haben, wörtlich nimmt. Denn die verschiedenen Krankenkassen gehen mehr oder weniger kulant mit Promovierenden um: Bei einigen können Sie sich bis zum Alter von 30 Jahren noch nach dem verbilligten Tarif versichern, bei anderen sogar bis 34 Jahre. Für den Fall, dass Sie ein Stipendium von einem der 13 Begabtenförderungswerke bekommen, sollten Sie auf jeden Fall eine Krankenkasse wählen, die das Stipendium als steuerfreies Einkommen anerkennt – dann zahlen Sie nämlich nur einen Krankenversicherungsbeitrag auf der »Mindestbeitragsbemessungsgrundlage«. Erkundigen Sie sich gleichzeitig bei Ihrer Krankenkasse, wie sich die Beitragsbemessung ändert, wenn Sie einen Uni-Job haben. Da die Krankenkassen immer von Wettbewerb reden: Machen Sie sich das zunutze und wechseln Sie zu der Krankenkasse, die Ihnen den besten Tarif bietet! Und wenn Sie verheiratet sind: Dann können Sie sich über die Ehepartnerin kostenlos »familienversichern«.
Zu Ihrem Überschlag der auf Sie zukommenden monatlichen Kosten gehören auch forschungsbedingte Ausgaben, die zum Teil nur einmal anfallen oder sich nur schwierig als Anteil an den monatlichen Kosten vorausberechnen lassen: Computer, Fachliteratur, Büromaterial, eventuell Kosten für Forschungsreisen und Kongressteilnahmen. (Sie können im Vorfeld nicht wissen, ob sie an dem Kongress XY, der in zwei Jahren stattfinden wird, teilnehmen sollten, oder ob Sie sich das sparen können. Ebenso kann Ihnen ein Forschungsaufenthalt im Ausland zu Beginn Ihrer Promotion überflüssig erscheinen und sich später als unbedingt notwendig herausstellen. Einen Computer haben Sie wahrscheinlich ohnehin schon, er kann aber unverhofft kaputtgehen, usw.
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