Christa Burkhardt
Der Weg zurück
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Inhaltsverzeichnis
Titel Christa Burkhardt Der Weg zurück Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhalt Inhalt Der Weg zurück Christa Burkhardt Conrad Ferdinand Meyer Das Fundament Sei wahr und wirf ihn weit zurück den Schleier über deinem Blick! Sieh' dich wie einen andern an und nenn' all das, was du getan! Die Wahrheit ist ein scharfes Schwert, das mitten in die Seele fährt. Der Zauber weicht, es flieht der Schein, die Luftgebäude stürzen ein. Und wenn der Staub verronnen ist, so nimm dich selber wie du bist! Dann bau' erneut und bau' zu End' auf dies bescheidne Fundament!
1 Abflug
2 Wie ein Blizzard
3 Lisa
4 Am Teich
5 Marie
6 Auf dem Friedhof
7 Die Anzeige
8 Reif für die Insel?
9 Robert erzählt
10 Am Strand
11 Sind Sie ein Doktor?
12 Jour fixe
13 Entscheidungen
14 Philipp
15 Ist das Liebe?
16 Philipps Beichte
17 Ein paar Anrufe
18 Bei Gregor
19 Linda und Marie
20 Überraschungen
21 Immerhin etwas
22 Alltag
23 Purer Luxus
24 Abschied
25 Das erste Wochenende
26 Besondere Tage
27 Scarlett
28 Liebe und Tod
29 Allein
30 Gewissheiten
31 Wichtige Fragen
32 Die Glücklichen
33 Winterblues
34 Heimkehr
35 Wahrheiten
36 Mut
Impressum neobooks
Der Weg zurück
Christa Burkhardt
Conrad Ferdinand Meyer
Das Fundament
Sei wahr und wirf ihn weit zurück
den Schleier über deinem Blick!
Sieh' dich wie einen andern an
und nenn' all das, was du getan!
Die Wahrheit ist ein scharfes Schwert,
das mitten in die Seele fährt.
Der Zauber weicht, es flieht der Schein,
die Luftgebäude stürzen ein.
Und wenn der Staub verronnen ist,
so nimm dich selber wie du bist!
Dann bau' erneut und bau' zu End'
auf dies bescheidne Fundament!
Man hätte ihn für einen Kurgast halten können. Jeden Tag drehte er langsam seine Runde durch den Kurpark. Jeden Tag setzte er sich auf die gleiche Bank am Wasser, und während er die Sonnenstrahlen genoss und den Enten zuschaute, schweiften seine Gedanken in die Vergangenheit.
War es wirklich erst sieben Wochen her, dass er Linda verlassen hatte? Dass er das bequeme Bettsofa in ihrer Wohnküche gegen einen Sitz in einer Boeing getauscht hatte und nach Boston geflogen war, er, der Krüppel, der Schwerbehinderte? Er, der heute noch in diesem Krankenbett im Pflegeheim liegen würde, wenn Linda sich nicht ein Herz gefasst und ihn nicht nur besucht, sondern auch aus seiner Lähmung gerissen hätte.
Er konnte es nicht fassen. Die Boeing hatte ihn von einem Leben, das nicht seins war in ein anderes Leben katapultiert, das ihm ebenfalls nicht gehörte. Die Wochen in Boston bei seiner Tochter und ihrer Familie waren großartig und angefüllt mit Erlebnissen, Begegnungen und Gesprächen gewesen, von denen er Monate würde zehren können.
Bleib hier, Papa, hatte sie gesagt, wohin willst du denn zurück? Die Kinder lieben dich, Brian findet dich amazing, und ich will dich nicht schon wieder verlieren. Er hatte noch eine Woche drangehängt, aber dann hatte er seine kleine Reisetasche wieder gepackt. Lisa konnte es nicht fassen. Und er konnte sie gut verstehen.
Was zog ihn denn nach Deutschland? Er hatte nichts vor, er hatte keinerlei Verpflichtungen, die Wohnung in Boston war riesig, sie verstanden sich ausgesprochen gut, Brian hatte ihm einen hervorragenden Physiotherapeuten besorgt und er hatte weitere Fortschritte gemacht. Warum konnte er nicht bleiben? Wohin wollte er?
„Ich gehöre hier nicht her, Lisa“, hatte er gesagt, „das hier ist dein Leben, nicht meins.“ Ja, sie hatte geweint am Flughafen, aber sie hatte ihn nicht gefragt, was denn dann sein Leben war. Zum Glück nicht, denn er wusste keine Antwort. Sein Leben, das Leben, das er gewohnt gewesen war, hatte ein nächtlicher Verkehrsunfall beendet, bei dem etwas in seinem Rücken zerborsten war. Er konnte das Geräusch noch immer hören. Aber in diesem Leben war er nicht glücklich gewesen, auch wenn ihm das damals gar nicht so bewusst gewesen war. Glück hatte in seinem Leben selten eine Rolle gespielt.
In dem Leben als Patient und irreversibel Versehrter, das dem Unfall folgte, natürlich erst recht nicht. In seinem Leben mit Linda hatte es immerhin glückliche Momente gegeben. Und in den Wochen in Boston selbstverständlich auch. Aber beide Leben waren nicht seine. Als er im Mai Linda verlassen hatte, konnte er sich noch einreden, er befreie sie von einer Last, denn ihre ungewöhnliche, innige Zweckgemeinschaft war aus der Not geboren worden und alles andere als eine Dauerlösung.
Linda hatte ihre Wohnküche zurück und die Sorge um ihn los. Das war gut und richtig. Trotzdem dachte er ständig an sie. Was würde sie jetzt sagen? Was würde sie mir raten? Unwillkürlich spürte er ihre Hand auf seiner und sah sie lächeln. Er verdankte ihr alles. Dass er dieses Pflegeheim verlassen konnte, dass er an Krücken laufen konnte, dass er den Mut gefunden hatte seine Tochter anzurufen, dass er dieses neue Leben hatte. Auch wenn er nicht wusste, was er damit anfangen sollte. Linda hatte ihm ein Leben geschenkt.
Und seine Tochter Lisa? Sie konnte sich nach seiner Abreise wieder auf ihre Familie, ihre beiden großartigen Söhne, ihren Mann Brian, der sie auf Händen trug und, sobald Josh alt genug war, auf ihre Arbeit in der Notaufnahme konzentrieren, die sie über alles liebte. Auch sie brauchte ihren Vater sicher nicht rund um die Uhr in ihrem Leben, jede Nacht im Schlafzimmer nebenan.
Nein, nein, Leute, täuscht euch nicht, dachte er und schaute sich die Passanten in seiner Nähe an. Spaziergänger, Jogger, Mütter mit Kinderwagen, eng umschlungene Pärchen, Kurgäste. Nein, Leute, Dr. Felix Breitenbach sieht zwar fast so aus wie ihr und alle anderen auch, aber er ist es nicht. Und das liegt nicht an den beiden Krücken oder dem Rollstuhl, den er immer noch manchmal benötigt. Das liegt daran, dass er eine Hypothek trägt, die so schwer wiegt, dass er innerlich nach wie vor so gelähmt ist wie er es noch vor einem Jahr im Pflegeheim auch körperlich war.
Er war es Linda, er war es Lisa schuldig, nach der äußerlich sichtbaren nun auch diese innere Lähmung zu lösen. Es wenigstens zu versuchen. Langsam, Stück für Stück. Er hatte nur keine Idee, wie er diese Aufgabe anpacken sollte. Er hatte in Boston ein Flugzeug bestiegen, von dem er wusste, dass es ihn nach Frankfurt brachte. Aber Frankfurt war nicht sein Ziel. Als die Maschine gelandet war, wusste er immer noch nicht, wo er hin wollte.
Am Bahnhof hatte er kurz auf die Uhr, dann auf den Fahrplan geschaut. Der nächste Zug fuhr nach Wiesbaden. Er war eingestiegen. Lisa schrieb er, dass er gut gelandet war. Angekommen schrieb er nicht. Linda schrieb er gar nicht. Was auch immer die nächste Zeit bringen würde, er wollte, er musste es allein bewältigen.
Wir sind Seiltänzer, klang Linda in seinen Ohren. Ja, genau, das waren sie gewesen, ungeübte Artisten. Aber diese neue Nummer war ein Solo ohne Netz und doppelten Boden, und Linda hatte darin nichts zu suchen. Wollte er ihr jemals auf Augenhöhe begegnen, musste er das, was jetzt zu tun war, allein schaffen.
Der Taxifahrer brachte ihn zu einer netten Pension, behindertengerecht, denn er brauchte immer wieder seinen Rollstuhl, würde ihn immer brauchen. Wann war das gewesen? Vor vier Tagen? Vor einer Woche? Er wusste es nicht. Die Enten flogen laut schnatternd auf. Irgendetwas hatte sie wohl erschreckt. Was tat er in Wiesbaden? Hier kannte er keinen Menschen. Die Zeit musste helfen. Was ist das, dein Leben, Felix Breitenbach?, fragte er sich. Er wusste keine Antwort.
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