Diese Fragen können Sie natürlich nur selbst beantworten, da es sich um subjektive und letztlich persönliche Gründe für oder gegen eine Promotion handelt. Um die Entscheidung ein wenig zu objektivieren, komme ich zu ein paar Aspekten, die Ihnen bei der konkreten Entscheidungsfindung helfen könnten, und die Ihnen vor allem auch dabei helfen können, Ihre Entscheidung gegenüber anderen als wohlerwogene Entscheidung zu verantworten; denn wie für fast alles gibt es auch für eine Promotion Gründe, die dafür und dagegen sprechen.
GRÜNDE FÜR UND GEGEN EINE PROMOTION
Pro Promotion:
•Sie ist notwendig für eine wissenschaftliche Karriere. Ohne Promotion ist eine unbefristete Festanstellung an einer Hochschule oder an einem Forschungsinstitut unmöglich.
•Sie ist in manchen Berufsfeldern, die eine akademische Ausbildung voraussetzen, oftmals die Grundbedingung dafür, später überhaupt in einem Arbeitsbereich beschäftigt zu werden, der annähernd Ihrem akademischen Bildungsstand entspricht. Vor allem für Geistes- und Kulturwissenschaftlerinnen ist der Doktortitel häufig die Voraussetzung, um eine adäquate Beschäftigung im Kultursektor zu bekommen.
•Sie gilt potenziellen Arbeitgebern als Ausweis für die Eignung als Führungspersönlichkeit, da Sie mit Ihrer Promotion zeigen, dass sie selbstständig arbeiten können, durchsetzungsfähig und belastbar sind, ausgeprägte analytische Fähigkeiten besitzen sowie Organisationstalent und Projekterfahrung. Auch in technischen Berufen geraten übrigens die Diplomingenieure zunehmend durch den »Dr. ing.« unter Druck.
•Sie erleichtert den Zugang zu höheren Gehaltsklassen beziehungsweise Besoldungsstufen im öffentlichen Dienst.
•Sie schadet nicht, wenn sie beim Gesellschaftsspiel der Elitenreproduktion mitspielen möchten (besonders der »Dr. jur.« und der »Dr. med.« sind für viele immer noch die Eintrittskarten in exklusive gesellschaftliche Kreise.
•Sie macht (möglicherweise) Ihre Eltern glücklich.
•Sie ermöglicht es Ihnen (unter der Voraussetzung, dass sie Ihre Finanzierung für drei und mehr Jahre gesichert haben), eine relativ sorgenfreie Lebensphase, die sie ganz einer (hoffentlich interessanten) wissenschaftlichen Forschung widmen können.
Contra Promotion:
•Sie ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend für eine wissenschaftliche Karriere. Ich muss es leider so deutlich sagen: Selbst wenn Sie während der Arbeit an Ihrer Dissertation noch so fleißig an Kongressen und Fachtagungen teilnehmen, Aufsätze in Fachzeitschriften veröffentlichen, als wissenschaftliche Hilfskraft an Ihrem Institut arbeiten, ist die Aussicht, eine langfristige Festanstellung an einer Universität zu bekommen, verschwindend gering . Wenn Sie nicht das Glück haben sollten, eine (zeitlich befristete) Juniorprofessur zu erlangen, steht Ihnen nach der Promotion nur der Weg der Habilitation offen – also weitere Jahre des unterbezahlten oder gar nicht bezahlten wissenschaftlichen Arbeitens. Und selbst wenn Sie sich nach der Promotion erfolgreich habilitieren sollten, ist das immer noch keine Garantie auf eine Professorinnenstelle, sondern häufig nur der Einstieg in ein ökonomisch prekäres Privatdozententum.
•Sie führt – vor allem für Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen – relativ häufig zu unsicheren Berufsperspektiven.
•Sie kann zu sozialer Ausgrenzung und Vereinsamung führen. Zum einen gibt es immer noch Menschen, die Vorurteile gegen Angehörige des akademischen Milieus haben. Zum anderen besteht die Gefahr, dass Sie durch die jahrelange Beschäftigung mit einem hochspezialisierten Thema zu einem Nerd werden, der nur noch wenige echte Sozialkontakte hat.
•Sie garantiert keinen gesellschaftlichen Aufstieg, da bei der Elitenreproduktion immer noch der Besitz ökonomischen Kapitals höher rangiert als der Besitz kulturellen Kapitals; sollten Sie aus »einfachen Verhältnissen« kommen, wird man Sie das unter Umständen auch trotz ihres Doktortitels spüren lassen.
•Sie bedeutet für mindestens drei Jahre Entbehrung, Verzicht auf viele Annehmlichkeiten und eine nicht zu unterschätzende geistige Anstrengung auf einem Gebiet, das nur ganz wenige Menschen interessiert.
•Sie birgt Gefahren für Partnerschaft und Familie. Eine Promotion bedeutet, in Vollzeit berufstätig zu sein. Frauen sind nach wie vor besonders benachteiligt, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Trotz aller inzwischen etablierten Hilfeprogrammen ist das Promovieren mit Kind immer noch eine besondere Belastung. (Auch als promovierender Vater haben Sie eine andere Belastung als kinderlose Kommilitonen.)
•Sie ist teuer. Wenn Sie die Wahl zwischen einer bezahlten Festanstellung und einer Promotion haben: Überlegen Sie gut! Da die Promotion auf jeden Fall eine ökonomische Belastung darstellen wird, ist es nicht verkehrt, sich sehr früh Gedanken über die Finanzierung zu machen, am besten noch bevor Sie die nächsten konkreten Schritte einleiten (vgl. dazu unten den Abschnitt »Finanzplanung«, S. 32).
Sie sehen: Die Entscheidung sollten Sie nicht dem Zufall überlassen, selbst wenn sie von einer Professorin darauf bereits angesprochen worden sind – gerade in einem solchen Fall nicht! Denn die schlechteste Ausgangsposition wäre die, dass sie von Dritten gleichsam zur Promotion gedrängt würden, und sie selbst sich nur wegen eines Mangels an Alternativen darauf einließen. Promovieren sollten Sie, wenn sie selbst es wollen, und nicht, weil Ihnen nichts Besseres einfällt.
THEMEN- UND BETREUERINNENWAHL
Ist die Entscheidung gefallen, sollten Sie als erstes eine doppelte Überlegung anstellen: Über welches Thema wollen Sie arbeiten? Und: An welcher Universität beziehungsweise bei wem würden Sie am liebsten promovieren? Wenn Ihr Entschluss zu promovieren primär aus dem Interesse an einem bestimmten Forschungsproblem entstanden sein sollte, zum Beispiel wenn sie darüber nachdenken, das Thema Ihrer Masterarbeit zu vertiefen, ist die Themenwahl zunächst einmal keine langwierige Angelegenheit. Und wenn der Plan aus Ihrer Bindung an ein Institut heraus gewachsen ist, dürfte auch die Frage, wo und bei wem sie promovieren wollen, leicht zu beantworten sein. Komplizierter wird die Sache, wenn sie von vornherein eine »externe« Promotion planen, also an einem Institut oder Seminar Ihre Arbeit schreiben möchten, das Sie noch gar nicht kennen.
Die Themen- und Betreuerinnenwahl sollten Sie nicht getrennt voneinander angehen. Da es keine Universalgelehrten mehr gibt, und da redlicherweise nicht einmal die »Koryphäen« eines Faches mehr behaupten können, Expertise zu sämtlichen Facetten ihrer Disziplin zu besitzen, sollten die Untersuchungsgebiete der zukünftigen Betreuerin schon einigermaßen nahe an dem sein, was Sie als Ihr Dissertationsthema anpeilen. Dabei muss es sich nicht um eine hundertprozentige Deckung handeln – schlecht wäre es aber, wenn Ihre zukünftige Betreuerin vom Thema, von der einschlägigen Fachliteratur und von den anzuwendenden Methoden überhaupt keine Ahnung hätte. Sammeln Sie also als erstes eine Namensliste derjenigen Wissenschaftlerinnen, die zu Ihrem Wunschthema affine Literatur publiziert haben. Auf den Personalseiten der Webauftritte der Forschungsinstitute beziehungsweise Fakultäten finden Sie eigentlich immer auch entsprechende Publikationslisten.
Es spielt letztlich keine Rolle, ob Sie die Auswahl Ihres Themas von der Entscheidung, bei Betreuerin X zu promovieren, abhängig machen, oder ob Sie mögliche geeignete Betreuerinnen nach der Entscheidung für ein bestimmtes Thema auswählen: Wichtig ist lediglich, dass Betreuerin und Thema zueinander passen.
Bei der Begutachtung der Liste der grundsätzlich für Sie in Frage kommenden Betreuerinnen gibt es mehrere Kriterien, nach denen Sie eine engere Auswahl treffen können:
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