1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 So, das bin ich, kurz zusammengefasst. Ich sorge mich um all die Regeln und breche schließlich in Panik aus, weil es keine eindeutige Antwort auf alles gibt.
Ich hatte ihm noch nicht geantwortet. Aber er war nicht wütend oder aufgeregt. Er wartete einfach.
Tief einatmend antwortete ich. »Ich bin ängstlich, aber das bin ich immer. Setzen wir uns auf eure Veranda. Das Bananenbrot hört sich gut an.«
Er entspannte sich. »In Ordnung. Gehen wir.« Er ging in Richtung Haus, redete aber weiter und drehte den Kopf ein wenig, damit ich ihn verstehen konnte. »Sie macht zwei Sorten. Eine mit Walnüssen und eine ohne. Ich mag keine Walnüsse im Essen. Die Konsistenz ist zu seltsam. Du kannst aber das Brot essen, das du möchtest. Aber sie wird wahrscheinlich darauf bestehen, dass wir Wasser trinken.«
Ich nickte, stellte jedoch schnell fest, dass er es nicht sehen konnte, weil er mich nicht wirklich ansah, also sagte ich: »In Ordnung.«
Emmet redete weiter und erklärte die Zutaten des Bananenbrots und wie unterschiedlich sich die Aromen beim Backen verhielten, dann die Bindungsfähigkeiten von Eiern im Vergleich zu Gluten und ich hörte einfach nur zu, obwohl ich größtenteils nachdachte. Ich hatte noch nie jemanden wie Emmet getroffen. Er erinnerte mich an einen Jungen aus unserer Klasse, Kyle, der eine Zerebralparese hatte. Manchmal gab es bei ZP Hirnschäden und manchmal nicht, aber die körperlichen Beeinträchtigungen machten ihn anders. In der Mittelschule waren Kyle und ich Freunde, aber er zog in der neunten Klasse um. Kyle war nicht dümmer als ich. Aber man vergaß leicht, dass sein bellendes Lachen, die seltsamen Geräusche, die er von sich gab, und die fuchtelnden Gesten nicht sein Innerstes widerspiegelten.
Mit mir ist es ebenso. Ich bin still und es fällt mir sehr schwer, meine Gefühle auszudrücken, aber ich fühle sehr viele Dinge und ich möchte Freunde haben. Mit Emmet war es jedoch ein bisschen knifflig. Normalerweise beobachtete ich die Menschen, um auf Zeichen zu warten, wie ich mich in ihrer Nähe zu verhalten hatte, und Emmet gab mir keines dieser Zeichen. Ich wünschte mir, ihn mehr über Autismus fragen zu können, aber ich hatte Angst, dass es unhöflich war. Ich wollte seine Gefühle nicht verletzen.
Als wir an der Veranda ankamen, deutete Emmet auf einen Stuhl. »Du sitzt hier. Ich stelle den Sonnenschirm auf und sage meiner Mom, dass wir bereit für einen Snack sind.«
Er drehte die Kurbel am Sonnenschirm, bis sich das Segeltuch über uns ausbreitete. Er beobachtete die Kurbel beim Drehen und ich glaubte, ihn einmal kurz summen zu hören. Als er fertig war, ging er jedoch nicht ins Haus. Er zog sein Handy hervor, schrieb etwas, legte das Telefon auf den Tisch und setzte sich schließlich.
»Ich lasse das Handy draußen, aber ich werde nur antworten, wenn es meine Mom ist. Sie hat vielleicht Fragen. Oh. Welche Art Brot möchtest du? Mit Walnüssen oder ohne?«
Einen Moment lang überkam mich Panik, während ich versuchte zu entscheiden, welche die richtige und welche die falsche Entscheidung war, aber es war schwer, nervös zu sein, wenn Emmet so harmlos war. Außerdem mochte ich auch keine Walnüsse. »Ohne, bitte.«
»Alles klar. Ich sage es ihr.« Er schrieb eine weitere Nachricht, dann schob er das Handy zur Seite. Er saß auf der Stuhlkante und ich hatte das Gefühl, dass er mit Absicht versuchte, nicht hin und her zu wippen. »Worüber sollen wir reden?«
Es war eine einfache Frage, aber es fühlte sich wie eine Landmine an, oder eher wie eine schnelle Rutsche, die mich einen Fluss hinunter in Gewässer schickte, die ich nicht kannte. Ich wusste nicht, worüber wir reden sollten. Das tat ich nie. Dieser Nachmittag würde ein Desaster werden. Ich schwitzte und fühlte mich unwohl und wollte nach Hause gehen. Dann fühlte ich mich schrecklich, weil ich so fühlte. Die dunklen Gewässer zogen mich tiefer hinab.
»Deine Schultern sind angespannt. Du bist ängstlich. Hab ich etwas Falsches gesagt?«
Seine Frage zog mich weit genug aus dem Morast, um überrascht zu blinzeln. »Was? Nein. Ich… Es tut mir leid. Ich bin nicht gut darin.«
Emmet richtete seinen Blick auf die Sonnenschirmkurbel. »Das ist nicht konkret. Das Wort darin ist ein Adverb, aber du hast mir kein Bezugswort genannt. Worin bist du nicht gut?«
Er war so intensiv. Ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte. »Ich bin nicht gut in vielen Dingen. Es fällt mir schwer, mit Menschen zu reden.«
Emmet nickte. »Mir auch. Ich möchte mit Menschen reden, aber sie verstehen mich nicht. Sie werden oft böse. Oder sie werden gemein, was noch schlimmer ist. Das liegt an meinem Autismus, warum ich es nicht verstehe. Ich kann Gesichtsausdrücke nicht deuten und die Leute sagen verwirrende Dinge. Du hast gesagt, ich bin nicht gut darin, aber du hast mir nicht gesagt, was darin ist, also verstehe ich dich nicht. Ich versuche, eindeutig und genau zu sein, wenn ich spreche, aber manchmal ist das schlecht. Mit Menschen zu sprechen, ist knifflig für mich. Was ist für dich schwer?«
Es dauerte eine Sekunde, bis ich verdaut hatte, dass er so zwanglos über seine Behinderung gesprochen hatte wie über einen Mückenstich. Außerdem hatte er mir so viele Informationen über sich gegeben, hilfreiche Informationen. Intensiv und direkt. Ganz ehrlich, es war erfrischend.
Ich fragte mich, ob ich es wagen konnte, ebenso zu sein.
»Wenn ich etwas Falsches sage, tut es mir leid«, sagte Emmet. »Wenn du mir sagst, was schlecht war, werde ich es nicht mehr zu dir sagen.«
Ich zwang mich, ihm ins Gesicht zu sehen, als ich antwortete. »Es ist in Ordnung. Ich versuche nur, die richtige Antwort zu finden. Das ist einer der Gründe, warum es mir so schwerfällt, mit Menschen zu sprechen. Ich mache mir Sorgen, dass ich das Falsche sagen könnte und manchmal bedeutet das, dass ich überhaupt nichts sagen kann. Ich brauche sehr lange, bis ich auf eine Frage antworten kann.«
Emmets Gesicht hellte sich auf. »Deswegen können wir gute Freunde sein. Wenn du etwas Falsches zu mir sagst, kann ich dich darauf hinweisen. Dann kannst du aufhören und alles ist gut.« Er wippte auf seinem Stuhl und es war ganz eindeutig eine unbewusste Handlung. »Danke, dass du mir gesagt hast, dass du manchmal Zeit zum Antworten brauchst. Ich werde versuchen zu warten. Du wirst mir nur sagen müssen, ob ich nicht geduldig genug war.«
Bei ihm klang es so einfach. »Ich möchte dich aber nicht verärgern, auch wenn es aus Versehen passiert.«
»Unfälle passieren. Selbst wenn wir alle uns an einen Zeitplan halten, die Welt ist unvorhersehbar. Manchmal komme ich wegen des Verkehrs zu spät zu einem Termin. Manchmal fällt der Strom wegen eines Sturms aus oder die Straßen werden wegen des Wetters geschlossen. Es bringt mich durcheinander, aber ich kann nicht zulassen, dass es mein Leben ruiniert. Falls du etwas Falsches sagst und mich aus der Fassung bringst, würde ich es dir sagen und dann würdest du aufhören und es würde nichts mehr bedeuten, dass du etwas Falsches gesagt hast. Wir sind Freunde. Freunde vergeben einander.« Er begann, sich stärker zu wiegen, hörte jedoch wieder auf. »Stört es dich, wenn ich wippe? Manchmal stört es die Leute, aber es beruhigt mich.«
»Es macht mir nichts aus.« Ich beobachtete, wie er sich sachte hin und her wiegte. »Bist du nervös?«
»Ja, und ich weiß nicht warum, was mich nur noch nervöser macht. Aber ich will nicht, dass unser Date schon vorbei ist. Also beruhige ich mich.«
Je länger ich mit Emmet zusammen saß, desto faszinierender wurde er. Im Prinzip sprach er genau das aus, was ich fühlte, aber anstatt sich, wie ich selbst, zu schelten und unwohl zu fühlen… wippte er. Oder griff nach einer Art von Pragmatik, von der ich nur träumen konnte.
Ich wollte allerdings auch nicht, dass unser Date schon vorbei war. Obwohl es mir zu denken gab, dass er es Date nannte.
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