„Du kannst dich ja weiter wegsetzen, wenn dein feines Näschen mich nicht aushält“, erwiderte ich schnippisch.
„Warum springst du nicht kurz in den Pool, wenn dir duschen zu anstrengend ist?“
„Ich hab keinen Bikini darunter an.“
Daraufhin blinzelte er mich schelmisch an.
„Oh nein, das kannst du vergessen! Ich werd deine kranken Fantasien sicher nicht noch mehr anheizen und nackt baden, wenn du in der Nähe bist.“
Er drehte sich auf die Seite, seine Augen verfielen in den Schlafzimmerblick-Modus. Mit gesenkter Stimme fragte er: „Würdest du dich besser fühlen, wenn ich mit dir in den Pool steige?“
Clarissa gackerte begeistert los und bedachte uns mit einem zweideutigen Blick.
„Leck mich“, fauchte ich Christoph an.
Nein, er antworte nicht das, was man jetzt erwarten würde. Er zwinkerte mir lediglich zu, bevor er sich wieder auf den Rücken legte.
Nach einem weiteren Schluck stand ich auf und gab Clarissa ein Zeichen, mit mir zum Pool zu kommen. Ich setze mich an den Rand, um meine schmerzenden Füße im Wasser zu kühlen. Außerdem konnten wir dort ungestört reden, ohne dass Christoph dauernd dazwischen funken würde.
Eigentlich hatte ich meinen Freunden gar nicht erzählen wollen, wie es im Tierheim wirklich war, das hätte mich noch mehr gedemütigt. Stattdessen hatte ich es so geplant, ihnen in sauberer Kleidung und frisch geduscht gegenüberzutreten und lässig etwas von „Ach, alles halb so wild, ich sitze die meiste Zeit im Büro und trinke Kaffee“ zu erzählen. Für eine solche Show war ich nun viel zu erledigt.
„Ich musste das Hundehaus saubermachen“, platzte ich heraus. „Das war so ekelhaft! Einer hat auf den Boden gepinkelt; und überall diese Haare! Und erst der Hundefuttergestank. Was fütterst du deinem Fif ... deinem Kleinen eigentlich? Bei euch stinkt es nie so.“
Clarissa stutze. „Gibt es dort keine Putzfrau?“
„ICH bin die Putzfrau! Mein Gott, wenn ich das gewusst hätte, wäre ich an diesem einen Abend mit dem Taxi gefahren, dann wäre diese ganze Scheiße nicht passiert.“
Meine Freundin schlug die Beine übereinander und wippte mit einem Fuß. Das tat sie immer, wenn sie über etwas nachdachte.
„Wir lassen unsere Tiere nur hochwertiges Futter fressen“, sagte sie. „Meistens wird es in der Küche frisch zubereitet. Rassehunde darf man nicht mit so einem Müll füttern, der in billigen Dosen verkauft wird.“
„Hast du mir zugehört? Ich soll wochenlang diese widerliche Drecksarbeit machen!“ Clarissa wollte noch etwas sagen, aber ich redete ohne Pause weiter. „Den ganzen Vormittag bin ich angesabbert worden, dann ist noch ein Fressnapf umgekippt und alles hat sich über meine Schuhe verteilt. Ein kleiner Pinscher hat sich sofort auf meine Füße gestürzt und meinen rechten Schuh angeknabbert, danach hat ein anderer meine Jacke für eine Decke gehalten und darauf ein Schläfchen gemacht, während ich seine Kacke von meinem anderen Schuh putzen musste.“ Von den Wasserblasen an meinen Füßen sagte ich nichts, denn daran war ich ausnahmsweise ganz alleine schuld. Was musste ich auch gedankenlos Stilettos zu meiner Strafarbeit anziehen? Für den nächsten Tag erübrigte sich die Frage der Schuhauswahl, denn meine nagelneuen Lieblingsschuhe würden umgehend in den Müll wandern, zusammen mit dem, was von der Jacke noch übrig war.
„Du wirkst etwas überreizt, meine Süße“, stellte Clarissa unnötigerweise fest.
Danke, darauf wär ich selbst nicht gekommen.
„Roxy und ich machen morgen eine kleine Tour durch die Maximilianstraße, falls der Wetterbericht recht hat und wir kein Poolwetter bekommen.“ Sie gackerte eine Weile über ihren eigenen Witz mit dem Poolwetter. „Danach wollten wir noch im Wellnessbad vorbeischauen, die haben dort einen neuen Masseur.“
„Das ist schön, ich wünsch euch viel Spaß“, knurrte ich.
„Komm doch mit, ohne dich ertrage ich Roxys Temperament nicht den ganzen Tag.“
„Ich kann nicht, ich muss arbeiten.“ Meine Güte, ich hörte mich schon an wie mein Vater.
„Och, bittebittebitte“, säuselte sie und strich mir die Haare aus dem Gesicht. „Ich brauch meine kleine Lucille morgen. Lass dir eine Krankheit einfallen und pfeif auf die Sozialstunden.“
Nichts lieber als das, dachte ich, aber die Luft war schon extrem dünn für mich, ich wollte es nicht noch mehr auf die Spitze treiben.
„Ich kann nicht ... wenn mein Vater das rausfindet ...“
„Baby, du bist erwachsen! Er kann es dir nicht verbieten.“
Ich war vielleicht volljährig, aber mein Vater saß am Geldhahn. Einem Geldhahn, der jederzeit abgedreht werden konnte. Außerdem müsste ich ihn anlügen, das hatte ich zwar als Teenager noch okay gefunden, doch mittlerweile fühlte ich mich dabei verdammt unwohl. Ich konnte das nicht. Ich durfte und wollte nicht das letzte bisschen Vertrauen meines Vaters riskieren.
„Du solltest dir endlich ein schickes Appartement nehmen und dein eigenes Leben führen“, sagte Clarissa.
Ich verzog das Gesicht. Die Vorstellung von Unabhängigkeit klang zwar verlockend, aber deshalb eine Villa mit Pool, einem Garten von der Größe eines Parks und unser Personal aufgeben? Die meiste Zeit hatte ich das Haus ohnehin für mich, es wäre also idiotisch gewesen, nur aus einer Laune heraus auszuziehen.
Clarissa sah mir wohl an, was ich dachte, denn sie sprang wieder zum anderen Thema. „Also, kommst du morgen mit oder willst du dich lieber von wilden Tieren anpinkeln lassen?“
Am nächsten Tag
Jahrelang, wenn ich abends alleine an dem großen Tisch im Esszimmer gesessen hatte und meine einzige Ansprache in „Ja, schenken Sie mir nach“ bestand, hatte ich mir gewünscht, mein Vater würde nicht erst mitten in der Nacht wegen eines wichtigen Geschäftsessens zurückkommen, um dann todmüde in sein Zimmer zu schleichen. Ausgerechnet an diesem Tag saß er bereits um fünf Uhr nachmittags im Wohnzimmer. Und er war stinksauer.
Als ich gutgelaunt zur Tür hereinkam, ahnte ich davon natürlich noch nichts. Unser Butler öffnete mir mit dem üblichen Pokerface die Tür und fragte mich, wie mein Tag war.
„Herrlich! Sie sollten sich auch mal eine Massage gönnen. Dieser neue Masseur ist der Hammer, ich habe mich schon lange nicht mehr so entspannt gefühlt“, plauderte ich begeistert. Mit einer Hand stützte ich mich an Cornelius ab und schlüpfte aus den unbequemen Schuhen. Ein bisschen wehmütig dachte ich an die Saison zurück, in der Ballerinas der große Trend gewesen waren.
Ein laues Räuspern aus der geöffneten Tür neben dem Eingang ließ mich erstarren.
Oh oh ... Ich hätte wohl besser eine Jammertirade über die Schufterei im Tierheim loslassen sollen.
Mit verschränkten Armen stand mein Vater in der Tür und sah mich finster an. Über seinem Kopf schwebte eine imaginäre Wolke, die ein schweres Unwetter ankündigte. Mir fielen vor Schreck die Einkaufstüten aus der Hand.
„Schön, dass es dir besser geht“, sagte er kühl, seine Augen starr auf mich gerichtet. „Dieser Masseur muss wahre Wunder bewirken, wenn er deine schwere Magenverstimmung in wenigen Stunden geheilt hat. Ich sollte mir vielleicht auch einen Termin bei ihm geben lassen.“
„Ja ... das war ...“ Ich schluckte. Eine Lüge wollte sich einfach nicht den Weg aus meinem Mund bahnen. Es war eine Sache, Cornelius im Tierheim anrufen zu lassen, damit er denen was von einer angeblichen Krankheit erzählte, aber meinem alten Herrn eiskalt ins Gesicht zu lügen, dafür war ich nicht abgebrüht genug. Ich sollte mir darin Nachhilfe von Clarissa geben lassen, dachte ich. Keine konnte so vollendet ihren engsten Verwandten eine erfundene Story auftischen und ihnen dabei ungerührt in die Augen sehen, wie diese wohlerzogene Tochter aus gutem Haus.
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