Jugend
Am 18. August 1936 wurde in der WAUKEGAN NEWS-SUN zum ersten Mal ein Text von Ray veröffentlicht, und zwar ein Gedicht, das er anlässlich des ersten Todestages des Radiostars Will Rogers geschrieben hatte. Es war vielleicht nicht sehr gut, aber es war immerhin seine erste Veröffentlichung.
Ray war ein recht guter Schüler, nur Mathematik lag ihm überhaupt nicht. Er besuchte einen Schreibzirkel, wo er hilfreiche Tipps für seine Kurzgeschichten bekam. Da er selbst nicht über eine Schreibmaschine verfügte, nutzte er jede Gelegenheit, um in den Schreibmaschinenraum der Schule zu gehen und Texte zu tippen. Bereits zu diesem Zeitpunkt verfasste er durchschnittlich eine Story pro Woche.
Im Herbst 1937 traf Bradbury in einer Buchhandlung auf die Werbung der »Los Angeles Science Fiction Society«, eines Klubs, dessen Mitglieder sich jeden Donnerstag trafen, um sich über Science Fiction zu unterhalten. Gründer dieses Klubs war Forrest J. Ackerman, der nur wenig älter als die anderen Mitglieder war. Bei Bradburys erster Teilnahme an einem Klubtreffen war unter anderem auch Henry Kuttner anwesend.
Von einem Klubmitglied kaufte Bradbury eine Schreibmaschine und konnte sie, da er nicht genügend Geld hatte, in kleinen Raten von einem Dollar pro Woche abzahlen.
Forrest J. Ackerman gab das Fanzine IMAGINATION heraus, in dem im November 1937 ein kurzer, humorvoller Text von Bradbury erschien, »Foolosofy & Scientificrax«, und im Januar 1938 seine allererste Kurzgeschichte (»Hollerbochen’s Dilemma«), die schrecklich schlecht war, wie sich Ackerman und Bradbury später erinnerten.
Im Juni 1938 verließ Bradbury die Los Angeles High School mit einem sehr guten Zeugnis, doch es war in dieser Zeit schwer, eine Arbeit zu finden. Bradbury konnte für eine hohe Abschlagszahlung von 80 Dollar an einer Straßenecke Zeitungen verkaufen. Das beschäftigte ihn nur einige Stunden am Nachmittag, sodass ihm noch ausreichend Zeit zum Schreiben blieb.
Anlässlich der Wiederaufführung von King Kong lernte Bradbury durch Forry Ackerman einen jungen Mann kennen, der sich mehr für die Vergangenheit als für die Zukunft interessierte, nämlich Ray Harryhausen, mit dem ihn eine lange Freundschaft verbinden und mit dem zusammen er später auch ein Filmprojekt verwirklichen sollte.
Im Sommer 1939 fand die erste World Science Fiction Convention in New York statt. Bradbury fuhr mit dem Greyhoundbus nach New York und war sehr aufgeregt, denn dort trafen sich ca. zweihundert Fans, Autoren und Herausgeber der noch sehr jungen Science-Fiction-Szene. Die meisten Besucher waren Teenager. Bradbury hatte viele seiner Erzählungen dabei und versuchte, einen Agenten zu finden. Er lernte Julius Schwartz kennen, der schließlich kurze Zeit später sein Agent werden sollte. Bradbury hatte auch sein erstes eigenes Fanzine, FUTURIA FANTASIA, im Gepäck und verteilte es eifrig unter Interessenten (siehe Kapitel 2.1). Ein Erfolg war zumindest, dass er den Herausgeber von WEIRD TALES aufsuchte und ihm die Bilder seines Freundes Hannes Bok vorstellte, der dadurch seine Karriere als professioneller Titelbildzeichner starten konnte.
Wenige Monate nach der World Science Fiction Convention war der zu diesem Zeitpunkt weitgehend unbekannte Robert A. Heinlein mit seiner Frau Leslyn zu Gast bei der Los Angeles Science Fiction Society. Bradbury schloss Freundschaft mit dem Ehepaar und konnte Heinlein überreden, einen Beitrag für FUTURIA FANTASIA zu schreiben.
Die Heinleins gründeten selbst eine Art Science-Fiction-Klub, den sie »Mañana Literary Society« nannten und bei dem sich im Haus der Heinleins samstags Leute wie Henry Kuttner, Edmond Hamilton, Leigh Brackett, Jack Williamson und C. L. Moore trafen. Auch Anthony Boucher und L. Ron Hubbard waren gelegentlich zu Gast. Ab und zu wurde Bradbury eingeladen. Heinlein verhalf ihm zu seiner ersten professionellen Veröffentlichung im Literaturmagazin SCRIPT, und obwohl Bradbury kein Honorar erhielt, war er überglücklich und Heinlein mehr als dankbar.
Im Jahr 1941 vollendete Bradbury jede Woche eine Story. Julius Schwartz konnte zwei dieser Geschichten, die Bradbury zusammen mit seinem Freund Henry Hasse geschrieben hatte, an Pulp-Magazine verkaufen. Nach diesen Veröffentlichungen hat Bradbury beschlossen, lieber allein arbeiten zu wollen. Diesen Umstand hat Hasse ihm nie verziehen und die Freundschaft beendet.
Leigh Brackett, die Mitglied der Los Angeles Science Fiction Society und ebenfalls bei Julius Schwartz unter Vertrag war, wurde zu einer guten Freundin und Mentorin. Sie war fünf Jahre älter als Bradbury und hatte bereits mehrere Geschichten an PLANET STORIES und ASTOUNDING verkauft. Die beiden trafen sich fünf Jahre lang an so gut wie jedem Sonntagnachmittag am Muscle Beach in Santa Monica, spielten gemeinsam Volleyball, gingen baden und lasen vor allem gegenseitig ihre Storys. Bradbury sagte später, dass er nie von jemand anderem so viel über Plot und Aufbau einer Geschichte gelernt hat wie von Brackett. Besonderen Einfluss hatte sie auf seine Kriminalgeschichten, die ab 1944 in verschiedenen Krimi-Pulps erschienen. Die Novelle »Lorelei of the Red Mist« (Sommer 1946 in PLANET STORIES) hatte Brackett nur zur Hälfte geschrieben und aufgrund anderer Projekte keine Zeit, sie zu beenden. Sie fragte Bradbury, ob er die zweite Hälfte schreiben wolle. Man merkt der Geschichte nicht an, dass zwei verschiedene Autoren daran gearbeitet haben, so gut hatte sich Bradbury auf ihren Stil eingestellt.
Am 16. Juli 1942 wurde Bradbury zur Musterung bestellt. Doch ohne seine Brille war er so gut wie blind, und daher wurde er, zu seiner großen Erleichterung, ausgemustert. Bradbury wäre aufgrund seiner pazifistischen Einstellung ohnehin nicht für den Krieg geeignet gewesen, während Robert Heinlein, der zuvor bereits Offizier war, wegen gesundheitlicher Probleme ebenfalls ausgemustert wurde, dies aber sehr bedauerte. Diese unterschiedlichen Ansichten führten zum Zerwürfnis zwischen Bradbury und Heinlein, die daraufhin für Jahrzehnte nicht mehr miteinander sprachen. Dennoch trug Bradbury seinen Teil bei und arbeitete ehrenamtlich für das Rote Kreuz, indem er Werbetexte für Zeitschriften und Radiospots schrieb, in denen zur Blutspende aufgerufen wurde.
Am Tag nach seiner Musterung verkaufte Bradburys Agent Julius Schwartz die Geschichte »Promotion to Satellite« an das Magazin THRILLING WONDER STORIES, womit er in einem der für ihn zu diesem Zeitpunkt erstrebenswertesten SF-Magazine erschien. Um die gleiche Zeit schrieb er zwei heute sehr berühmte Geistergeschichten, mit denen er seine ganz eigene Stimme fand: »The Lake« und »The Wind«. Allerdings war es schwierig, diese Geschichten zu verkaufen, denn sie waren den Pulp-Herausgebern viel zu modern; altmodisch erzählte Storys fanden viel schneller einen Käufer. Bei »The Lake« dauerte es ganze zwei Jahre, bis sie erschien. Aber immerhin konnte er 1942 drei Geschichten verkaufen, im Jahr danach sogar zwölf, darunter die heutigen Bradbury-Klassiker »The Crowd« und »The Emissary«. Das nahm er zum Anlass, seinen Job als Zeitungsverkäufer hinzuwerfen, und beschloss, hauptberuflich Schriftsteller zu werden.
Endlich Schriftsteller
In den Jahren 1943 und 1944 zementierte Bradbury seinen Ruf als ungewöhnlicher Pulp-Autor, insbesondere als im Mai 1944 die Geschichte »The Lake« in WEIRD TALES erschien. Er arbeitete fleißig und schrieb weiterhin eine Geschichte pro Woche, und im Jahr 1944 konnte er bereits 22 Texte verkaufen. August Derleth vom Kleinverlag Arkham House wurde auf den jungen Autor aufmerksam und bat ihn um eine Geschichte für eine Anthologie – so wurde »The Lake« Bradburys erste Erzählung, die in Buchform erschien.
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