I,3:Die Mutter bedauert, dass sich Leonhard, der Klara versprochen ist, schon längere Zeit nicht habe blicken lassen. Sie befürwortet die Verbindung. Klara äußert sich über Leonhard entschieden reservierter. In der Technik der sogenannten ›Mauerschau‹ blickt sie ihrer Mutter durchs Fenster nach und beschreibt deren Gang zur Kirche sowie die Begegnung mit dem Totengräber. Diese deutet Klara als Unheilvolle Vorzeichenverhängnisvolles Omen. Sie fühlt sich in ihrer evangelischen Konfession, die sie als rigiden Zwang zum Gehorsam gegenüber den christlichen Geboten versteht, nicht geborgen; katholische Gläubige könnten, anders als die Protestanten, die Gottesmutter Maria verehren, die Erbarmen, Gnade und Vergebung verkörpere.
I,4:Leonhards KalkülLeonhard erscheint. Er argwöhnt, Klara fühle sich nach wie vor zu ihrem Jugendfreund Friedrich hingezogen, der als Sekretär beruflich vorangekommen ist. Um sie unwiderruflich an sich zu binden, hatte er sie schon vor einiger Zeit genötigt, sich ihm hinzugeben. Voller Abscheu hatte Klara das erduldet; nun ist sie schwanger. Zu Hause hatte sie die Mutter erkrankt aufgefunden; seitdem misst sie sich wegen ihrer Sünde die Schuld an deren Krankheit zu. Leonhard verkündet unumwunden, wie er den Posten des städtischen Kassierers ergattert habe; um seinen Mitbewerber auszustechen, habe er ihn alkoholisiert, so dass dieser beim Bewerbungsgespräch versagt habe, und außerdem habe er die Zeit seiner Abwesenheit genutzt, um die missgestaltete Nichte des Bürgermeisters, dessen rechte Hand, zu umgarnen. Klara äußert Abscheu über Leonhards Machenschaften. Als dieser eine Heirat zur Sprache bringt, vermutet sie, ihr Vater werde einen zeitlichen Aufschub verlangen; er ahne nicht, dass sie (wegen ihrer Klaras SchwangerschaftSchwangerschaft) unter Zeitdruck stehe.
I,5:Meister Anton kommt vom Gottesdienst nach Hause. Gegenüber Leonhard legt er die Prinzipien seiner Antons LebensführungLebensführung dar: Aufrecht und unbescholten gehe er seinen Weg. Sein leichtlebiger Sohn Karl folge ihm hierin leider nicht. Leonhard deutet an, um Klaras Hand bitten zu wollen, und lässt durchblicken, dass er auf eine erkleckliche Mitgift spekuliere. Anton jedoch eröffnet ihm, dass Leonhard nichts dergleichen zu erwarten habe. Der kürzlich verstorbene Meister Gebhard habe Anton früher zu sich in die Lehre genommen und ihm so den Weg zu seiner gesicherten Existenz geebnet. Daher sei er ihm zeit seines Lebens zu Dank verpflichtet gewesen und habe ihn, als Gebhard einmal zahlungsunfähig gewesen sei, durch ein beträchtliches Darlehen vor dem Selbstmord bewahrt. Nie habe er die Verlorene MitgiftSumme zurückgefordert; den Schuldschein habe er in Gebhards Sarg gelegt. Das Geld sei somit verloren.
I,6:Die Mutter tritt ein und berichtet, der Totengräber habe auf Verdacht hin eine Grube ausgehoben, obwohl niemand gestorben sei. Der Zeitung ist zu entnehmen, dass beim Kaufmann Wolfram Karl – ein Juwelendieb?Juwelen aus dem Sekretär gestohlen worden sind. Da Karl kurz zuvor diesen bei Wolfram poliert hat, keimt in Anton sofort ein böser Verdacht gegen seinen ihm missliebigen Sohn auf. Die Mutter hingegen verteidigt den geliebten Sohn.
I,7:Zwei Gerichtsdiener erscheinen; einer, Adam, legt gegenüber Anton ein betont markiges, hämisches Auftreten an den Tag. Er erweckt den Eindruck, Karl sei des Diebstahls überführt, und schickt sich an, Antons Wohnung zu durchsuchen. Diese vermeintliche Schande trifft die Mutter Tod der Muttertödlich. Leonhard stiehlt sich weg; brieflich löst er die Verlobung, da Klara einer zwielichtigen Familie angehöre. Anton will sich wenigstens der Integrität Klaras versichern. Da er einen Eklat um sie nicht ertragen könne, erzwingt er von ihr den Eid, »dass du bist, was du sein sollst« (S. 60), d. h., dass sie tatsächlich so anständig sei, wie es die bürgerliche Tugend von ihr verlange. Klara wandelt jedoch den Sinn ab und Klaras Eidschwört lediglich, sie werde ihrem Vater nie Schande bereiten. Anton beanstandet die Nuance nicht.
II,1:Acht Tage später. Im Gespräch mit Klara hadert Anton mit seinem Schicksal. Ausgerechnet er als ehrsamer Bürger werde wegen seines missratenen Sohnes mit Erniedrigungen überhäuft: So habe sich etwa ein mehrfach vorbestrafter Dieb erdreistet, ihm auf der Straße die Hand zu reichen. An Klaras vorbildlichem Charakter allerdings sei für alle Bürger der Stadt zu ersehen: Nicht die Eltern trügen die Verantwortung für Karls Abgleiten. Stelle sich jedoch heraus, dass auch Klara aufgrund sittlicher Verfehlungen ins Gerede komme, werde er nicht zögern, sich unverzüglich die Kehle Anton droht mit Selbstmorddurchzuschneiden. In seinem moralischen Rigorismus will er einen tauben Einsiedler aufsuchen; wenigstens dieser, der von Antons Schande nichts erfahre, werde noch mit ihm reden.
II,2:Druck auf Klara wächstKlara, nun allein im Haus, sieht sich in einer ausweglosen Lage. Verzweifelt bittet sie Gott, ihr gnädig zu sein und sie zu sich zu nehmen, nur damit ihr Vater die Schmach ihrer öffentlichen Bloßstellung nicht ertragen müsse. Unter diesen Umständen blicke sie, obwohl sie die Schönheit und Lebendigkeit der Welt wahrnimmt, dem Tod freudig entgegen.
II,3:Der Kaufmann Wolfram tritt ein und berichtet, seine Juwelen seien aufgefunden worden: Seine geistesgestörte Ehefrau sei Kleptomanin – dies hatte Wolfram vor der Öffentlichkeit geheim zu halten versucht – und habe den Schmuck entwendet. Karl ist unschuldigKarl zu inhaftieren entbehrte demnach jeglicher Grundlage. Wolfram bedauert zutiefst die Entehrung Karls und seiner Familie. Allerdings habe er den Gerichtsdiener Adam gebeten, nur behutsam nachzuforschen; doch Adam habe gehöriges Aufsehen verursacht. Klara erläutert Adams Verhalten: Dieser habe einmal im Wirtshaus ihrem Vater zugeprostet, doch dieser habe das kameradschaftliche Ansinnen eines sozial verachteten Mannes empört zurückgewiesen. Adams Adams RacheRache habe ihre Mutter das Leben gekostet. Karl soll unverzüglich freigelassen werden. Wolfram begibt sich zu Anton, um auch ihn zu unterrichten.
II,4:Wieder allein, ist Klara von zwiespältigen Gemütsbewegungen hin- und hergerissen. Einerseits ist sie erleichtert, Karl unschuldig zu wissen. Doch nun ist sie es allein, die den nahenden familiären Skandal zu verantworten hat.
II,5:Der Der Sekretär – ein Hoffnungsschimmer?Sekretär Friedrich erscheint mit der Nachricht von Karls Freilassung. Noch immer liebt er Klara; er kann nicht nachvollziehen, wieso sie sich auf einen so zwielichtigen Charakter wie Leonhard habe einlassen können. In tiefstem Schmerz bekennt Klara, allein ihn, Friedrich, zu lieben; während seiner Abwesenheit habe sie den Spott der Mitmenschen, sie sei von ihm sitzengelassen worden, nicht mehr ertragen und sich, gleichsam unter Zwang, Leonhard zugewandt. Friedrich bittet sie, ihn zu heiraten, doch sie erklärt, ihr bleibe keine andere Wahl, als zu Leonhard zurückzukehren, obwohl dieser sich von ihr losgesagt habe. Nun versteht Friedrich. Statt seinen Antrag zu erneuern, sagt er den ausschlaggebenden Satz: Darüber, also über die uneheliche Schwangerschaft Klaras, könne kein Mann hinweg. Er verlässt Klara und beschließt, Leonhard zum Duell zu fordern.
II,6:Klara, erneut allein, Klaras Entscheidungentscheidet definitiv, ihren Vater nicht in den Selbstmord zu treiben, also ihre Schwangerschaft nicht augenfällig werden zu lassen: Entweder nehme Leonhard sie zur Ehefrau, oder sie begehe Selbstmord.
III,1:In seinem Zimmer bearbeitet Leonhard Akten. Er zeigt sich mit seinem Leben rundum zufrieden. Gegenüber Anton und Klara verspürt er einen Anflug von Mitleid, doch er gelangt zu dem Schluss, dass jeder nun einmal seine eigenen Probleme zu lösen habe. Für ihn gelte es nun, die Nichte des Bürgermeisters zu heiraten, um seine berufliche Stellung abzusichern.
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