Friedrich Schiller
Wilhelm Tell
Lektüreschlüssel XL
für Schülerinnen und Schüler
Von Martin Neubauer
Reclam
Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe:
Friedrich Schiller: Wilhelm Tell. Schauspiel . Hrsg. von Uwe Jansen. Stuttgart: Reclam, 2013 [u. ö.]. (Reclam XL. Text und Kontext, Nr. 19020.)
Diese Ausgabe des Werktextes ist seiten- und zeilengleich mit der in Reclams Universal-Bibliothek Nr. 12.
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Lektüreschlüssel XL | Nr. 15520
2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2020
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961678-0
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015520-2
www.reclam.de
Autor |
Friedrich Schiller, 1759–1805, Militärarzt, Dramatiker, Historiker, Professor für Geschichte, freier Schriftsteller |
Entstehungszeit und Veröffentlichung |
Entstehung: 1801–1804 → nach der Französischen Revolution, während der Napoleonischen Kriege möglicher Impuls für Drama: Französische Besetzung der Schweiz durch Napoleon 1798 Uraufführung: 17. März 1804 am Weimarer Hoftheater |
Gattung |
Drama |
Quellen |
Die alte Tell-Sage sowie die Geschichte von der Entstehung der Schweizer Eidgenossenschaft; Quellen für letzteren Stoff: Chronicon Helveticum (1734–1736) von Ägidius Tschudi und die Geschichten Schweizerischer Eidgenossenschaft (1786) von Johannes von Müller |
Ort und Zeit der Handlung |
Anfang des 14. Jahrhunderts: Die Schweizer Kantone Schwyz, Uri und Unterwalden gründen die Schweizer Eidgenossenschaft, um sich gegen die Willkürherrschaft der Vögte von Habsburg aufzulehnen. |
Kernthemen |
Freiheitskampf der Schweiz Entwurf eines positiven Gegenmodells zur Französischen Revolution Ambivalenz des Helden Tell, Problematik des Tyrannenmords |
Im Gegensatz zu Goethe kam Schiller in seinem Leben nicht weit herum. Was er an fremden Gegenden und Naturerscheinungen beschrieben hat, entnahm er Büchern oder mündlichen Berichten. Schiller hatte nie das Meer gesehen, dennoch vermochte er in seiner 1797 entstandenen Ballade »Der Taucher« aus eigener poetischer Anschauung die aufgewühlte See sprachgewaltig darzustellen. Auch die Schweiz kannte Schiller nur indirekt – und trotzdem hat sein Schauspiel Wilhelm Tell wie kein anderes das Bild geprägt, das sich folgende Generationen über dieses Land machen sollten.
Darüber, wie Schiller sich zur Arbeit an einem Tell-Drama entschlossen haben soll, existieren zwei Varianten. In der ersten ist es eigentlich Anregung durch GoetheGoethe gewesen, der vorgehabt hatte, den Stoff um den Schweizer Nationalhelden dichterisch zu bearbeiten. Dreimal besuchte Goethe die Schweiz, und gleich beim ersten Mal, im Jahr 1775, lernte er den Schauplatz der Tell-Sage kennen, die Gegend um den Vierwaldstättersee. In einem Brief von seiner letzten Reise 1797 äußerte er den Vorsatz, den Stoff später in einem Hexameter-Epos behandeln zu wollen,1 doch trat der Plan später zugunsten anderer Projekte in den Hintergrund. Goethe gab den Stoff freiwillig an seinen Freund Schiller ab – und hat später seinen Anteil am Werden des Erfolgsstücks wiederholt hervorgehoben, etwa wenige Jahre vor seinem Tod seinem Mitarbeiter Johann Peter Eckermann gegenüber: »In Schillern lag dieses Naturbetrachten nicht. Was in seinem Tell von Schweizerlokalität ist, habe ich ihm alles erzählt; aber er war so ein bewundernswürdiger Geist, daß er selbst nach solchen Erzählungen etwas machen konnte, das Realität hatte.«2
Die andere Variante berichtet von dem Kuriosum, Schiller habe sich für die Gestaltung eines Dramas erst entschieden, als er gerüchteweise hörte, dass er bereits daran arbeite.3 Wie auch immer: Erste Indizien für seine Auseinandersetzung mit dem Tell-Stoff datieren aus der Zeit nach dem Abschluss seiner romantischen Tragödie Die Jungfrau von Orleans , also aus dem Jahr 1801; intensiver wurde die Arbeit am Wilhelm Tell allerdings erst 1803 nach Beendigung der Braut von Messina .
Wie immer hat sich Schiller gründlich in den historischen QuellenstudiumHintergrund seines gewählten Sujets vertieft. Seinen Verleger Cotta und seinen Freund Körner bat er, ihn bei der Materialbeschaffung für seine Arbeit zu unterstützen. Goethe berichtet davon, wie Schiller sein Zimmer mit Landkarten der Schweiz austapezierte und intensiv bis zur Erschöpfung schrieb, sich mit Kaffee wach hielt.4 Die aufwendige Quellenarbeit schlug sich auch auf die Themenwahl seines lyrischen Schaffens nieder; so entstanden in jener Zeit Gedichte wie »Der Graf von Habsburg« (1803), »Berglied« (1804) und »Der Alpenjäger« (1804).
Am 18. Februar 1804 notierte Schiller in seinen Kalender die Fertigstellung des Schauspiels. Der Dichter konnte noch die lebhafte Aufnahme seines Theaterstücks miterleben; etwa ein Jahr nach der Uraufführung in Weimar starb er. Wilhelm Tell Schillers letztes vollendetes Dramaist nicht nur sein letztes vollendetes Drama geworden, sondern zusammen mit dem ersten Teil von Goethes Faust auch das volkstümlichste der deutschen Klassik.
2. Inhaltsangabe
Erster Aufzug
Erste Szene:Nicht nur ein aufziehendes Unwetter stört die beschauliche ländliche Idylle am Vierwaldstättersee, sondern auch ein Mann, der vor den Reitern des Landvogts auf der Flucht ist: Konrad Baumgarten hat den kaiserlichen Burgvogt erschlagen, als sich dieser an dessen Frau vergehen wollte. Er bittet den Fischer Ruodi, ihn an das andere Ufer zu setzen, doch dem ist die Aufgabe angesichts des Sturms zu gefährlich. Der zufällig vorbeikommende Tell rettet BaumgartenTell nimmt sich mutig des Verfolgten an und bringt ihn über den See. Die Schergen des Vogts haben das Nachsehen; ihre Wut darüber reagieren sie mit Brandschatzung und Zerstörung ab.
Zweite Szene:Zur selben Zeit am gegenüberliegenden Schwyzer Ufer des Sees: Vor seinem Haus verabschiedet sich Werner Stauffacher von Pfeiffer von Luzern, seinem Gast. Dieser warnt ihn vor dem Haus Habsburg und mahnt, sich ans Reich zu halten. Stauffachers SorgeStauffacher ist sich sehr wohl bewusst, dass er in Glück und Wohlstand lebt, diese Sicherheit aber trügt, weil er dem Landvogt Geßler ein Dorn im Auge ist. Stauffachers Gattin Gertrud rät ihrem Mann, er solle sich zusammen mit anderen Unzufriedenen aus den Kantonen Uri und Unterwalden absprechen, wie man einem Schlag des Vogts zuvorkommen und das Joch der Tyrannei abstreifen könne. Stauffacher schaudert es beim Gedanken an die Verheerungen eines bewaffneten Aufstandes, sieht aber letztlich keine Alternative dazu. So will er nach Uri aufbrechen, um sich dort mit seinem Freund Walther Fürst zu besprechen. Mittlerweile hat Tell das rettende Ufer erreicht und übergibt Baumgarten dem Schutz Stauffachers.
Dritte Szene:In Altdorf werden Stauffacher und Tell Zeugen, wie man die Schweizer auf Geßlers Befehl dazu antreibt, an der Errichtung seiner Zwingburg Uri zu arbeiten. Ein Ausrufer kündigt an, dass Geßler mitten im Dorf eine Stange mit einem Hut aufpflanzen werde, ein Symbol für die Hoheit der Habsburger, dem jeder Vorbeikommende unter Androhung schwerster Strafe seine Ehrerbietung zu erweisen habe. Stauffacher versucht Tell für ein Tell verweigert sich der gemeinsamen Sachegemeinsames Vorgehen gegen die Unterdrücker zu gewinnen, doch bleibt er damit erfolglos: Tell meint sich aus der Entscheidung heraushalten zu können, will aber im Ernstfall seiner Freundespflicht nachkommen. Sobald sich die beiden voneinander verabschiedet haben, versetzt ein Unfall die Arbeiter in helle Aufregung. Die spontane Hilfe des wohlhabenden Ritterfräuleins Bertha von Bruneck wird zurückgewiesen, da sie in den Augen der Schweizer zu den Unterdrückern zählt.
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