3. Sogenannte metrische Begriffe setzen die Fälle in eine strenge Ordnung zueinander und erlauben Aussagen über die Abstände zwischen den Fällen. Dazu würde man beispielsweise Besitz in Euro messen und könnte damit die Abstände in genauen Beträgen angeben. Es sind also mehr Informationen in den Begriffen enthalten, die dann auch mehr und exaktere Aussagen über Zusammenhänge zwischen Begriffen und deren verschiedenen Ausprägungen bei den Fällen erlauben (A besitzt 100 €, während B nur 50 € besitzt. A ist daher nicht nur reicher, sondern um 50 € reicher als B, und damit doppelt so reich wie B.)
Für die Formulierung von Theorien über die Wirklichkeit und für wissenschaftliche Analysen ist es hilfreich, Begriffe mit möglichst hohem Informationsgehalt zu formulieren, da dadurch auch mehr und genauere Aussagen über die Wirklichkeit möglich sind. Dass das gerade in der Politikwissenschaft nicht so einfach ist, können wir wieder am Beispiel des Begriffs Demokratie sehen: Dieser ist zunächst ein klassifikatorischer Begriff und wird erst komparativ, wenn man den Begriff erweitert um das Kriterium des Verwirklichungsgrads. Ein metrischer Begriff wird er kaum werden können, denn auf welcher Basis können wir formulieren, welches Land doppelt so demokratisch ist wie ein anderes?
Wenn man Begriffen eine exakte Bedeutung zumisst, dann definiert man sie. Dabei beruht eine Definition immer auf sprachlichen Konventionen und kann daher nicht empirisch richtig oder falsch sein. Sie kann lediglich für einen Forschungsprozess nützlich oder nutzlos sein. Das erklärt einerseits, warum es von vielen Begriffen mehr als eine Definition gibt. Es wirft aber auch eine grundlegende Problematik der Wissenschaft auf. Denn wenn man verallgemeinerbares Wissen anstrebt, ist es wenig sinnvoll, immer und für jeden Begriff eine eigene Definition zu verwenden, die jedes Mal erläutert werden muss und den Vergleich mit anderen Forschungsergebnissen erschwert. Eine genaue Kenntnis des Forschungsfeldes und der verwendeten Begrifflichkeiten ist daher von zentraler Bedeutung, um nicht dem Fehler der geistigen »Provinzialität« (vgl. Sartori 1994) aufzusitzen. Es ist vorzuziehen, eine etablierte Definition zu verwenden, anstatt eine neue zu formulieren. Das ist nur dann sinnvoll, wenn man gut zu begründende Einwände gegen eine Definition hat, etwa weil deren Intension zu eng oder zu weit ist oder sie nur schlecht in messbare Größen übersetzt werden kann.
Definitionen können unterschiedliche Formen annehmen, wobei diese in unterschiedlichem Maße direkt für eine empirische Erfassung der Intension geeignet sind (vgl. Dreier 1997, 142–144). Nominaldefinitionen legen die Intension eines Begriffs dadurch fest, dass sie ihn mit einem anderen, schon bekannten Begriff oder mehreren Begriffen gleichsetzen. So könnte man Demokratie mit Joseph Schumpeter als den Wettbewerb zwischen Eliten um Stimmen bei Wahlen definieren. Bei Nominaldefinitionen müssen Intension und Extension gleichbleiben, wenn wir den zu definierenden Ausdruck mit dem definierenden Ausdruck vertauschen. Zudem dürfen durch die Definition keine neuen Informationen bezüglich des definierenden Ausdrucks hinzukommen.
Realdefinitionen umfassen Aufzählungen charakteristischer Merkmale des zu definierenden Ausdrucks. Eine Realdefinition von Wahlen könnte lauten: »Wahlen sind der Prozess der politischen Willensäußerung, in dem die Bürgerinnen und Bürger eines Staates per Abgabe einer Stimme auf einem Wahlzettel die Zusammensetzung der Legislative bestimmen«.
Operationaldefinitionen sind im Sinne empirischer Forschung die hilfreichste, aber auch anspruchsvollste Form von Definitionen. Sie legen die Intension eines Begriffs darüber fest, dass sie angeben, wie der definierte Begriff empirisch erfasst werden kann. Es werden also die einzelnen Schritte angegeben, die notwendig sind, um das Vorliegen des damit bezeichneten Phänomens zu messen. Eine Operationaldefinition des Begriffs politische Wahlen würde beispielsweise umfassen, dass es eine Wahloption bei der Bestimmung der politischen Vertreter:innen geben muss (gemessen durch die Anzahl der Kandidat:innen auf einem Stimmzettel), dass die Stimmberechtigten (gemessen an Staatsbürgerschaft und Alter) über diese Kandidat:innen abstimmen dürfen (gemessen an der Möglichkeit, diese Stimmzettel in einem Wahllokal auszufüllen und abzugeben) und dass die Ergebnisse dieser Abstimmung zur Auswahl der politischen Vertreter:innen verwendet wird (gemessen an der Anzahl der abgegebene Stimmen für die Kandidat:innen). Diese Definition bedürfte noch weiterer Präzisierung, zeigt jedoch bereits den Aufwand der Formulierung.
Der Begriff Variable wird definiert als »begrifflich definiertes Merkmal von Objekten beliebiger Art, die mindestens zwei Merkmalsausprägungen haben, welche eine Mengenzerlegung (Klasseneinteilung) des gemeinten Objektbereichs darstellen« (Dreier 1997, 134). Der Begriff ›politisches Regime‹ ist beispielsweise eine Variable, die die Ausprägungen ›Demokratie‹ und ›Diktatur‹ annehmen kann. Je nach gemessener Ausprägung lassen sich Länder der einen oder anderen Klasse zuteilen. Analog zu der bereits eingeführten Unterscheidung von Begriffen lassen sich Variablen in klassifikatorische, komparative und metrische Variablen unterscheiden (
Kap. 2.2.1).
Darüber hinaus können Variablen unterschieden werden nach (vgl. Westle 2009, 78):
• Art und Anzahl der Ausprägungen: Gibt es zwei separate Ausprägungen, spricht man von dichotomen, diskreten Variablen (Demokratie: ja/nein), bei mehreren separaten Ausprägungen von polytomen Variablen (Demokratietyp: präsidentiell, semipräsidentiell, parlamentarisch, direkt) und bei beliebig vielen stetigen Ausprägungen von kontinuierlichen Variablen (Einkommen, Gewicht).
• Beobachtungsstatus: Variablen können manifest oder latent, also direkt oder nur indirekt messbar sein (Einkommen vs. Vermögen). Wenn eine Variable latent ist, so wird man messbare Variablen definieren müssen, über die die Ausprägungen dieser latenten Variablen erfassbar sind. Dies sind sogenannte Indikatoren, die das Vorliegen und die jeweilige Ausprägung einer Variablen anzeigen.
• Status: Variablen können sich auf ein Merkmal eines Falles beziehen (absolut: Wahlbeteiligung) oder auf ein Verhältnis zwischen Fällen (relational: Macht).
• Merkmalsebene: Variablen können sich auf individuelle oder kollektive Merkmale beziehen (Wahlentscheidung vs. Höhe der Wahlbeteiligung).
Verwendet man eine Variable, um Fälle zu unterscheiden, erstellt man eine Klassifikation. Werden mehrere Variablen und damit Merkmalskombinationen verwendet, um Fälle zu unterscheiden, dann spricht man von einer Typologie. Gerade theoretische Begriffe wie Demokratie werden in der Regel über solche Typologien abgebildet. Es handelt sich also um Merkmalsbündel, die neue Variablen bilden. Ein Beispiel für eine einfache Typologie mit zwei Variablen ist die Kombination der dichotomen Variablen politische Aktivität und Parteimitgliedschaft zu einer Typologie politischer Partizipation (
Tab. 1). Es entsteht ein zweidimensionaler Merkmalsraum mit vier möglichen Kombinationen.
Prinzipiell können beliebige Variablen miteinander kombiniert werden. Diese müssen nicht dichotom, sollten aber diskret sein, also eine zählbare Anzahl von Werten aufweisen. Stetige Variablen können durch die Einführung von Schwellenwerten in diskrete Variablen (z. B. Einkommen: niedrig, mittel, hoch) umgewandelt werden. Denn sonst wird es schwierig, die Kriterien der Ausschließlichkeit und der Umfänglichkeit zu erfüllen, die für die Bildung von Typologien und Klassifizierungen zentral sind (vgl. Sartori 1970). Es können auch mehr als zwei Variablen zu einer Typologie verbunden werden, was allerdings in der Darstellung und in der Kombinatorik schnell recht komplex werden kann.
Читать дальше