Ernest sah den Jungen verwirrt an. Etwas in seinem Inneren sagte ihm, dass er auf weitere Fragen keine Antworten erhalten würde.
»Ich muss dir eine Botschaft übermitteln«, sprach der Junge weiter.
»Mir? Eine Botschaft? Warum gerade mir?«
»Diese Botschaft musst du in dir tragen und mit niemandem darüber sprechen.«
»Worin besteht dann der Sinn dieser Botschaft?«
»Wenn die richtige Zeit gekommen ist, wirst du den Sinn erkennen. Dann sollst du darüber reden, sie an andere Menschen weitergeben.«
»Wie weiß ich, wann es soweit ist?«
»Du wirst es merken.«
»Wie lautet die Botschaft?«
»Eine große Gefahr geht von deinem Heimatplaneten aus. Sie bedroht das gesamte Universum.«
»Was für eine Gefahr?«
Der Junge antwortete nicht, sah ihm nur in die Augen.
»Verstehe. Du kannst mir nicht auf alles antworten. Aber wie kann ich etwas gegen die Bedrohung tun?«
»Du wirst den Zeitpunkt erkennen, wann du diese Botschaft den Menschen mitteilen musst.«
»Wann wird das sein?«
Keine Antwort.
»Vielleicht lebe ich nicht lange genug, bis dieser Zeitpunkt eintritt.«
»Du wirst lange genug leben.«
Wieder starrte Ernest den Jungen verwirrt an.
Plötzlich streckte Ahen seinen Arm aus und zeigte mit dem Finger auf einen der skurrilen Türme. »Schau.«
Ernests Blick folgte dem Finger. Sofort sah er, was der Junge ihm zeigen wollte. Der Turm veränderte fortwährend seine Form.
»Was ist das? Ein Lebewesen?«
»Es ist dasselbe wie das, worauf du stehst.«
Sofort blickte Ernest nach unten auf die Plattform, dann zum Rand, der nach wie vor von Wellen überspült wurde. Auch dieser veränderte ständig seine Form, zwar nur minimal, aber doch deutlich erkennbar.
»Lebt dieses Material etwa?«
»Nein, aber es ist von Leben erfüllt.«
»Aber das ist doch …«
»… ein Widerspruch, wolltest du sagen.« Ahen bückte sich, legte seine flache Hand auf die Oberfläche der Plattform und wartete einen Moment.
Ernest starrte gebannt hinunter und sah, wie die Hand des Jungen bis etwa zur Hälfte in dem mattblauen Material versank, als würde es schmelzen. Dann hob er die Hand und hielt Ernest die Innenfläche entgegen. Sie war übersät mit einem feinen, blauen Pulver, das sich auf der Haut zu bewegen schien.
»Was ist das?«
»Leben. Behalte es gut in Erinnerung.«
Bevor Ernest seiner erneuten Verwirrung Luft verschaffen konnte, begann es um ihn herum zu flimmern. Erneut wurde er von Lichtpunkten eingehüllt, bis er von der Umgebung, dem hellleuchtenden Firmament, den skurrilen Türmen, den Plattformen und von Ahen nichts mehr sehen konnte.
Im nächsten Augenblick stand er im Gleiter vor dem großen Panoramafenster, als wäre nichts geschehen. Draußen schwebte die leuchtende Kugel, die sich langsam entfernte und wenig später aus seinem Blickfeld entschwand.
Der Gleiter tauchte wieder in den Hyperraum ein und setzte den Rückflug ungehindert fort.
15.
Weitere zweieinhalb Wochen später wurden die Überlichttriebwerke vom System automatisch abgeschaltet. Das Schiff verließ den Hyperraum. Auf dem Ortungsschirm war eine Sonne zu sehen, die von mehreren Planeten umkreist wurde.
Ernest und Eric saßen im Cockpit und betrachteten auf dem Kontrollschirm die Sternenkarte, die das TONGA-System und die gegenwärtige Position der Space Hopper zeigte.
»Der zweite ist unser Ziel.« Ernest zeigte mit dem Finger auf den Schirm. »Den äußersten haben wir bereits passiert.«
Christopher und Michelle betraten das Cockpit und setzten sich auf ihre Plätze. Christopher gab an seinem Terminal ein paar Befehle ein und blickte gespannt auf den Bildschirm, während Michelle sich ein Headset aufsetzte und den Funkverkehr überwachte.
»Alle Systeme arbeiten einwandfrei«, bestätigte Christopher kurz darauf.
»Bisher keine Kommunikationssignale auf den Normalfrequenzen«, informierte Michelle.
»Dafür sind wir noch zu weit weg«, erklärte Ernest.
Im Panoramafenster wuchs der Planet zu einer großen Kugel heran, die um den Äquator einen hellen Streifen besaß. An der West- und Ostküste des Kontinents gab es sowohl in der nördlichen wie auch in der südlichen Hemisphäre eine grünblaue Zone. Das Innere war ebenfalls hell, während die Polkappen weiß leuchteten. Der Rest des Planeten wurde von Wasser bedeckt.
»Wir kriegen Besuch«, meldete sich Michelle. »Ich empfange gerade die Botschaft einer Planetenpatrouille.«
»Schalte sie bitte auf die Lautsprecher.«
Michelle tippte auf der Tastatur den entsprechenden Befehl ein, worauf sich aus den Lautsprechern eine Stimme meldete, begleitet vom üblichen Funkrauschen.
»… Planetenpatrouille von Tongalen an unbekannten Raumgleiter, bitte identifizieren Sie sich. Commander Ferris von der Planetenpatrouille von Tongalen an den unbekannten Raumgleiter, bitte identifizieren Sie sich.«
»Transportschiff Space Hopper an Planetenpatrouille«, antwortete Michelle freundlich. »Wir können Sie empfangen und bitten um Landeerlaubnis auf dem Raumhafen von Tongala.«
»Bitte übermitteln Sie uns Ihre Transportdaten. Die notwendige Übermittlungsfrequenz und den dazugehörigen Code haben wir soeben an Ihr Bordsystem geschickt.«
Michelle gab ein paar Befehle ein und erhielt sofort die entsprechenden Daten auf dem Monitor angezeigt. Mit einem weiteren Befehl rief sie die Transportdaten vom System ab und leitete sie zusammen mit dem Code an die Übermittlungsfrequenz.
Die Lautsprecher blieben eine Weile stumm.
»Was machen die denn so lange?«, murrte Ernest ungeduldig. »Wenn Mark unseren Transport korrekt registriert hat, sollten sie die Daten im System haben.«
Kaum hatte Ernest den Satz beendet, erklang aus den Lautsprechern eine andere Stimme. Im Panoramafenster tauchte plötzlich ein Schiff ohne Kennzeichen auf und blieb in einer bestimmten Distanz vor ihnen stehen.
»Wir möchten Sie bitten, uns unauffällig zu folgen«, befahl die fremde Stimme.
»Was hat das denn zu bedeuten?« Ernest sah Eric verwundert an.
»Dürfen wir fragen, wer Sie sind und was Sie von uns wollen?«, erkundigte sich Michelle. »Wir haben eine lange Reise hinter uns und würden gerne landen.«
»Folgen Sie uns einfach, und es wird für Sie keine Probleme geben«, wiederholte der Mann. »Wir haben unsere Waffen auf Sie gerichtet. Wir wissen, dass Ihr Schiff nur über eine minimale Bewaffnung verfügt.«
»Jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr«, sagte Ernest gereizt.
»Ich glaube, wir sollten tun, was er sagt«, riet Eric. »Die sind stärker.«
Ernest wartete.
Wenig später meldete sich die fremde Stimme erneut. »Wir werden nun losfliegen und hoffen, Sie folgen uns. Ansonsten werden wir Ihr Schiff in den Traktorstrahl nehmen und hinter uns herziehen.«
»Darf ich Sie noch mal fragen, was das alles zu bedeuten hat? Sie sind doch nicht von der Planetenpatrouille«, wiederholte Michelle.
»Ich bitte Sie. Hören Sie auf zu fragen und folgen Sie uns. Sie werden noch früh genug erfahren, was wir wollen.«
»Piraten!«, hauchte Ernest. »Die wollen uns die Fracht abnehmen.«
»Die werden aber immer dreister«, schimpfte Eric. »Direkt vor der Haustür von TONGA-II.«
»Schnallt euch an und haltet euch fest!«, rief Ernest.
Blitzschnell betätigte er ein paar Schalter, worauf das Schiff nach unten absackte und stark beschleunigte. Die Gravitations-neutralisatoren konnten dieses Manöver nicht vollständig ausgleichen, weshalb die Crew unsanft durchgeschüttelt wurde. Dabei flogen auch einige Gegenstände durch das Cockpit.
»In unseren Kabinen wird es aussehen wie auf einem Schlachtfeld«, jammerte Eric und verdrehte die Augen.
Ernest, der das Schiff manuell steuerte und es mit einem waghalsigen Manöver aus dem Einflussbereich des fremden Schiffs gebracht hatte, blickte konzentriert aus dem Panoramafenster. Die grünblaue Gegend des Planeten rückte näher, während ein immer stärker werdendes Summen das Cockpit erfüllte.
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