Sie sahen Eric eine Weile schweigend an. Ernest nickte. »Ich werde Sie aber im Auge behalten«, sagte er mit ernster Miene an Michelle gewandt.
»Wir müssten Sie noch bei der Raumflugkontrolle anmelden«, sagte Eric.
»Ich werde das übernehmen. Wir treffen uns in anderthalb Stunden im Raumhafen in der Bar, in der ich mich mit Mark getroffen habe. Ihr wisst ja, wo das ist. Seid bitte pünktlich. Ich werde in der Zwischenzeit noch mal versuchen, Mark zu erreichen.«
Kaum war Ernest wieder in seinem Zimmer, setzte er sich mit einem alten Freund bei der Terrestrial Security Agency in Verbindung.
»Hallo Thomas. Kannst du mir einen Gefallen tun?«
»Worum geht‘s denn diesmal? Doch nicht schon wieder um irgendeine Verletzung von Sicherheitsbestimmungen?«
»Nein. Du kannst dich beruhigen. Du sollst mir nur Auskunft über eine bestimmte Person geben.«
»Offiziell oder inoffiziell?«
»Am besten ohne den ganzen administrativen Kram.«
»Dann inoffiziell. Aber du weißt, dass es mir Ärger einbringen könnte?«
»Und du weißt, wie verschwiegen ich bin.«
»Zum Glück, sonst würde ich es nämlich nicht tun. Also, wer ist die Person?«
»Michelle Evans, wohnhaft in Geneva, etwa fünfundzwanzig bis dreißig Jahre alt. Arbeitete bis vor kurzem bei Norris & Roach.«
»Dauert nur ein paar Sekunden.«
12.
Christopher und Michelle saßen in einem Taxigleiter und ließen sich zu ihrem Apartment fahren. Das Gefährt wurde vollautomatisch gesteuert. Man brauchte lediglich über ein Touchscreen-Display das gewünschte Fahrziel einzugeben und die Bezahlung abzuwickeln.
Fahrzeuge wurden durch Leitsysteme gelenkt. Das manuelle Steuern war nur noch auf privaten Grundstücken oder auf Nebenwegen möglich, wo es keine Leitsysteme gab.
Michelle blickte immer wieder aus dem Rückfenster, um sich zu vergewissern, dass sie nicht verfolgt wurden. Doch bisher schien das nicht der Fall zu sein.
Nach einer halben Stunde Fahrt erreichten sie ihr Ziel und stiegen aus. Michelles Apartment lag etwas außerhalb des Stadtzentrums in einem ruhigeren Viertel.
Als sie die Tür öffnete, bot sich ihnen ein chaotisches Bild. Die Wohnung bestand aus einem großen Raum, der als Schlaf- und Wohnzimmer diente, und einer zusätzlichen kleinen Kochnische. Im Hintergrund gab es ein kleines Badezimmer mit einer Dusche.
Michelle hatte diese möblierte Wohnung mit wenigen Gegenständen gemütlich eingerichtet gehabt, doch nun lag alles verwüstet und wild verstreut auf dem Fußboden. Schranktüren standen offen, Schubladen waren herausgezogen.
Eine Weile blieben sie in der Tür stehen und sahen sich das Durcheinander an. Dann machte sie den ersten Schritt, bückte sich und hob ein paar Gegenstände auf, die anscheinend noch intakt waren.
Wenn man vom Chaos absah, waren bei diesem Einbruch erstaunlich wenige Gegenstände kaputt gegangen.
»Da hat jemand anscheinend etwas ganz Bestimmtes gesucht«, unterbrach Christopher die Stille. »Hast du eine Ahnung, was das gewesen sein könnte?«
»Nein, ich besitze nichts Wertvolles und auch nichts, was so besonders wäre, dass man es stehlen müsste.«
»Ein gewöhnlicher Einbruchdiebstahl war das bestimmt nicht. Ist dir schon aufgefallen, ob etwas fehlt?«
»So auf den ersten Blick gesehen vermisse ich nichts.«
»Vielleicht wollte sich der Einbrecher nur vergewissern, ob du im Besitz eines bestimmten Gegenstandes bist.«
»Ich wüsste nicht, was das sein sollte.«
Michelle hatte damit begonnen, ihre Sachen zusammenzusuchen und sie in eine Tasche zu packen. Da sie nicht viel besaß, war dies schnell erledigt.
Nach einer knappen halben Stunde standen sie auf der Schwelle der Wohnungstür und ließen ihre Blicke noch einmal durch den Raum gleiten. Für Michelle bedeutete dies der Abschied von einer Umgebung, in der sie für eine gewisse Zeit gelebt hatte. Aber es machte nicht den Anschein, als würde sie ihr nachtrauern.
»Gehen wir«, sagte sie kurz und emotionslos und schloss die Tür. Sie packten die beiden Taschen und verließen das Haus.
Der Mann saß in einem geschlossenen Gleiter mit getönten Scheiben. Er beobachtete, wie Michelle und Christopher das Haus betraten und es nach einer halben Stunde wieder verließen.
Unmittelbar bevor sie hier eingetroffen waren, hatte er das Apartment durchsucht, den bestimmten Gegenstand jedoch nicht gefunden. Er nahm an, dass sie ihn bei sich trug. Er hatte damit gerechnet, dass sie hier auftauchen würde und sich das Problem einfach lösen ließ. Dass sie aber in Begleitung erschien, verkomplizierte die Sache.
Als er sah, wie Michelle und Christopher mit dem Taxigleiter losfuhren, folgte er ihnen in sicherem Abstand. Vielleicht ergab sich später noch eine weitere Gelegenheit, ihr den Gegenstand abzunehmen, denn er durfte das Ziel auf keinen Fall erreichen.
13.
Als sie mit dem Taxigleiter auf dem Rückweg waren, stellte Christopher fest, dass Michelle immer wieder durchs Rückfenster blickte. Irgendwann sagte er zu ihr: »Beruhige dich. Wir sind bald da. Es wir schon nichts passieren.«
»Ich glaube, wir werden verfolgt«, erwiderte sie sorgenvoll. »Da ist ein anderer Taxigleiter mit getönten Scheiben. Er stand am Straßenrand, als wir losfuhren und fährt seither hinter uns her.«
»Das könnte Zufall sein.«
»Er stand aber schon da, als wir bei meiner Wohnung ankamen.«
Christopher drehte den Kopf und sah so unauffällig wie möglich nach hinten. Tatsächlich konnte er das von Michelle erwähnte Fahrzeug sehen. Anscheinend gab sich der Fahrer große Mühe, sich hinter anderen Fahrzeugen zu verstecken. Zudem waren auch die getönten Scheiben, die er bei einem Taxigleiter bisher noch nie gesehen hatte, ein verdächtiges Indiz.
Spontan befahl er ihrem automatisch gesteuerten Taxigleiter, bei der nächstmöglichen Gelegenheit anzuhalten. Als sie wenig später am Straßenrand standen, blickte Christopher erneut unauffällig aus dem Rückfenster. Das verdächtige Fahrzeug hatte ebenfalls angehalten und wartete. »Du hattest recht. Wir werden tatsächlich verfolgt. Der andere hat ebenfalls angehalten.«
»Glaubst du mir jetzt, dass irgendjemand hinter mir her ist?«, sagte Michelle.
»Ja, aber es ist noch lange nicht gesagt, dass Mark dahintersteckt.«
»Er ist es bestimmt.«
Christopher gab ihrem Taxigleiter die Anweisung mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit zum Flughafen zu fahren. Doch kaum waren sie gestartet, setzte sich auch das andere Fahrzeug wieder in Bewegung. Michelle wurde immer unruhiger.
Ihr Verfolger gab sich nun keine Mühe mehr, seine Absicht zu verbergen. Mit riskanten Überholmanövern verringerte er den Abstand zu ihnen mehr und mehr.
»Das kann unmöglich ein automatisch gesteuerter Taxigleiter sein, so wie der fährt«, sagte Christopher als er einmal mehr durchs Rückfenster geschaut hatte. »Dieses Fahrzeug wird manuell gesteuert. Es scheint jemand am Steuer zu sitzen, der das sehr gut beherrscht.«
Nach einigen weiteren Fahrminuten befand sich der Verfolger direkt hinter ihnen und ignorierte jeglichen Sicherheitsabstand.
»Kann denn unser Taxi nicht etwas schneller fahren?«, fragte Michelle verzweifelt.
»Es hält sich an die Verkehrsregeln, was man von unserem Verfolger nicht behaupten kann.«
Durch die Aufforderung an ihr Taxigleiter, möglichst schnell zu fahren, nutzte das Fahrzeug jede sich bietende Möglichkeit, andere Fahrzeuge zu überholen und anhand von laufenden Verkehrsanalysen die derzeit schnellste Route zu wählen. Doch all das hinderte ihren Verfolger nicht daran, sich an ihre Fersen zu heften und unmittelbar hinter ihnen zu bleiben.
Bodengleiter schwebten zwar über den Boden, konnten aus Sicherheitsgründen jedoch lediglich eine maximale Höhe von anderthalb Meter über dem Boden erreichen, was es ihnen unmöglich machte, vertikale Überholmanöver auszuführen.
Читать дальше