Otto war Soldat! Seit 10. Aug. nachm. 2 20Minuten. Er dachte es wenigstens er sei es! Man hatte ihm eine blaue Garnitur gegeben, ein Paar Stiefeln, ein Kuppel 1mit Seitengewehrtasche und Mütze. Beim Einkleiden auf Reg. Kammer wollte sich kein passender Leibriemen für ihn finden.
Nach längerer Zeit platzte angeblich dem Kammerserganten doch die Geduld, wie er zu sagen pflegte, brüllte Otto an wie folgt: „Was?! Du Schwein! Dir will kein Kuppel passen. Wir wärn dir den Balg schon dünne machen. Hier Nr. 100 paßt.“
Befehl ist Befehl, das Ding mußte passen! Otto stand da wie vom Blitze getroffen und war froh aus dem Hause des „guten“ Tones sich verabschieden zu können. Kaum hatte er sich draußen erholt von seinem Schrecken, bemerkte er das Unglück, daß er in der Schnelligkeit zwei verschieden große Stiefeln hatte.
„Nun brat mir aber einen Storch und die Beine recht knusperig“ dachte Otto. „Soll ich noch mal zu diesem Kompanieknüppel?“ 2
Nein lieber den Tod als in der Knechtschaft sterben! Und so mußten die zweierlei Stiefeln über 8 Tage lang passen. Endlich als er sich die Füße wund gelaufen hatte, bekam er durch Vermittlung seines Unteroffiziers andre Stiefeln.
Die Ausbildung beim I. Rekruten-Depot 106 ging rasch vorwärts. Jeden Tag waren Schieß- und Felddienstübungen in der Nähe der Garnison. Es war bereits Oktober geworden. Der Dienst war zu Ende. Vorm Wegtreten hatte der Kompaniefeldwebel 8 Freiwillige für das Battl. „Eidam“, das dem Regt 243 eingereicht wurde und noch im Oktober nach dem Westen gehen sollte. Längst schon hatte Otto den Kasernenstil satt und eiligen Schrittes meldete er sich freiwillig. Ha, sollte das etwas Schönes werden, endlich sein Wunsch, auch mit Franzosen totschießen zu können, ging in Erfüllung. Die Flammen der Begeisterung lohten wieder hoch über ihn auf.
Um 1h sollte er die Ehre haben in einer neuen feldgrauen Uniform zu stecken. Was würden die anderen ihn beneiden, daß er schon rauskommt. So ähnlich waren Ottos Gedanken. Ja, ja lieber Otto, der Mensch denkt und ein Andrer lenkt. Es kam ganz anders. Gegen 12h trat ein Langer in Ottos Stube und teilte diesem mit, daß er (Otto) von der Freiwilligenliste gestrichen sei, und ein andrer für ihn eingesetzt worden sei. Otto wurde wütend und sprang dem Sprecher an den Hals, hätte diesen bestimmt erwürgt wenn ihn seine Stubengenossen nicht davon abhielten. Der Tag verging, auch die Nacht! Am anderen Morgen war Otto zu der Überzeugung gelangt, daß es eigentlich ganz gut sei, mit seinen alten Kameraden zusammen geblieben zu sein. Mit der Feldgrauen war es eben noch nichts geworden, das ärgerte ihn am meisten. So mußte er bei der 2. Komp. bei der er sich seit 14 Tagen befand, in der blauen Uniform seinen Dienst weiter tun.
Eines Tages war wieder mal der Dienst zu Ende. Man wußte nicht wie es kam, aber es war so, die 16. Korporalschaft war bei der Dienstausgabe zuletzt gekommen und mußte sich am weitesten links anstellen. Nach Erlassen des Dienstes für den kommenden Tag, verlangte der Feldwebel 16 Freiwillige als Krankenträger. Kein Mensch meldete sich.
Otto vor seiner ersten Wache!
Krankenträger! Knochenbrecher! Nicht dran zu denken. Wir wollen Franzosen totschießen! So war jeden sein Gedanke. Als sich nach wiederholter Frage niemand meldete, kam die liebe Kompaniemutter von rechts nach links und zählte die ersten Rotten für diesen Beruf ab. Natürlich, wer war wieder mit dabei, – Otto. „Es ist doch zum Verrücktwerden“ sagte er zu seinem Nebenmann, dem Fleischer Hesse, „alles geht gegen den Strich!“ Der Feldwebel kommandierte „Links um, ohne Tritt marsch“ und Otto mußte, wenn auch mit Mißmut im Inneren, sich beim Sanitätsfeldwebel melden.
Jetzt begann nun jeden Tag eifrige Ausbildung im Gebirgsschritt, Verbände wurden angelegt usw. Nur kurze Zeit noch lag die Krankenträger-Ausbildung in der 106er Kaserne, dann wurde sie verlegt nach dem Balletablissment „Schloß Drachenfels“ Äußere Hallische Straße.
Der Traum Ottos, als Infantrist hinaus zu ziehen in den Kampf fürs Vaterland und recht viel Franzosen zu erschießen, war zunichte geworden, das Schicksal stellte ihn an einen Platz, wo man auch dem Vaterlande Nutzen bringen kann. An eine Stelle wurde er gestellt, die, wenn sie recht erfüllt wird, eine recht segensbringende ist. Denn kann es etwas edleres geben als Wunden zu heilen und Schmerzen zu lindern, tut nicht schon der dankerfüllte Blick eines Halbverschmachteten nach Reichung eines Labetrunkes wohler als andere irdische Getändel? Diese hohe und edle Sache wollte Otto anfangs nicht einsehen. Nach und nach fügte er sich in das Unabwendbare und ließ sich vom Schicksal treiben.
Otto bei der Krankenträger Abteilung nach d. Übungsschießen.
Endlich nach 4 wöchentlicher Ausbildung wurde die Abteilung zu einer Kompanie zusammen gestellt und kam zur weiteren Fertigstellung nach Markkleeberg in der Nähe Leipzigs. Otto telefonierte schnell nach Hause und bat seine Eltern, ihn doch mal zu besuchen, da der Abmarsch in Kürze stattfinden könne. Am Reformationsfest kamen Vater und Mutter und brachten noch viele Sachen mit. Die gute Mutter hatte auch nicht das Geringste vergessen was ihr Junge gebrauchen konnte.
Otto bei der Krankenträger-Abteilung Inf. Regiment Nr. 106. 1914 Otto Meißner ist in der Mitte
Manchmal ging es Otto im Kopf herum wenn er sah wie Vater und Mutter sich um ihn sorgten. Oft dachte er „Wie soll das bloß nun im Felde werden, wenn ich die Mama nicht mehr habe?“ Doch der Drang nach draußen verscheuchte auch diese Gedanken.
Otto bei der Krankenträger-Abteilung Inf. Regiment Nr. 106. 1914
Da am Reformationsfest dienstfrei war, Ottos Eltern von Markkleeberg schon gegen Mittag wieder abfuhren, beschloß Otto sie bis zum Hauptbahnhof zu begleiten. Dort überlegte er, daß er erst am Montag zum Dienst zu sein brauchte. So fuhr er mit den Eltern nach Hause. Ich weiß was ihn zog. Er konnte doch nicht so ohne Weiteres ins Feld gehen ohne von seiner l. Marie Abschied zu nehmen. So suchte er sie am Abend, konnte sie aber an all den bekannten Orten nicht finden. Erst wollte er wieder nach Hause, doch er faßte sich ein Herz und klopfte, wie schon so oft, ziemlich leise an einen der Laden wo Marie wohnte. Nach kurzer Zeit öffnete sich das Tor. Doch es kam statt der Tochter die Mutter. Otto gab seinem Wunsche Ausdruck und nach kurzer Zeit hüpfte ihm sein Mädel um den Hals. Der Abschied fiel herzlich schwer und nahm lange Zeit in Anspruch. Sie hatten sich ja auch so lieb, so lieb – sie hatten sich zu sehr lieb.
Otto vor dem Ausrücken November 1914
Frühzeitig mußte Otto von den Eltern wieder fort damit er zeitig genug zum Dienst kam. Der Vater schlief noch. In der Annahme, daß er nochmal Urlaub bekommen würde, wollte er den Vater nicht wecken um Lebewohl zu sagen. Leider wurde nichts aus dem Urlaub, und deshalb kam der liebe Vater kurz vor dem Abrücken der Kompanie nach M. um seinen Jungen nochmal die Hand zu drücken. Es waren leider nur wenige Stunden, die Vater und Sohn zusammen waren, da Otto infolge eines Dienstes mehrere Stunden abgehalten war.
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