Inzwischen waren die Freunde im Hotel angekommen. Sie hielten sich aber nicht allzu lange auf, denn die Musik, die hier gespielt wurde, war nicht so ihr Geschmack. Alles nur alte Hüte! Also gingen sie bald wieder zurück ins Dorf und trennten sich bis zum nächsten Tag. Am Vormittag zur Rede des Bürgermeisters wollten sie sich auf der Festwiese treffen.
Als sie zu Hause waren, lief Laura schnell zu Julia. Die war gerade am Einschlafen. Da rüttelte Laura sie und sagte: „Ich habe vorhin mit Michael gesprochen.“
„Was …? Warum weckst du mich …? Was, mit Michael?“ Julia war hellwach.
„Ja. Er hat festgestellt, dass er dich zu Unrecht immer noch wie ein Kind behandelt hat. Morgen will er sich dafür bei dir entschuldigen.“
„Das hast du wirklich geschafft? Oh, Laura, wenn ich dich nicht hätte.“ Julia umarmte ihre Schwester.
Da sagte Laura: „Aber fall ihm nicht gleich um den Hals. Bleib ganz locker. Dann wird er dich schon beachten.“
„Ach, Laura“, seufzte Julia. „Bei dir klingt das immer so einfach.“
„Weil es einfach ist“, erwiderte Laura. „Aber glaub mir, ich habe auch meine Fehler gemacht und daraus gelernt. Deshalb sag ich es dir ja, damit du nicht die gleichen Fehler machen musst. Jetzt gehe ich aber wieder runter zu den anderen. Schlaf schön und träum vor allem etwas Schönes.“
„Das mache ich jetzt bestimmt.“ Julia sank zurück in ihr Bett und schloss die Augen.
Sonnabends gleich nach dem Frühstück ging Eva allein zur Festwiese. Hier wollte Olaf als Bürgermeister 10.00 Uhr seine Rede halten. Sie ging deshalb eher, weil sie mit sich allein sein wollte. Ihr Verehrer in Sonnenberg ging ihr nicht aus dem Kopf. Immer wieder versuchte sie sich vorzustellen, wer es sein könnte. Sie kam aber nicht drauf.
Plötzlich rief jemand: „Eva!“ Sie schaute sich um und sah, wie Michael angerannt kam.
„Was ist?“, fragte sie ihn.
Er holte dreimal tief Luft und fragte dann zurück: „Kannst du mir sagen, was mit Julia los ist? Mal ist sie richtig nett, dann ist sie zickig und dann wieder eingebildet. Kann das daran liegen, dass ich sie immer noch wie ein Kind behandelt habe? Laura sagte mir gestern so etwas.“
Eva lächelte. „Da wirst du wohl Julia selbst fragen müssen. Aber ich denke, ich kann dir schon sagen, weshalb sie so anders ist. Julia ist kein Kind mehr. Sie … sie hat dich halt gern.“
Michael zog die Augenbrauen zusammen. „Bist du dir da sicher?“
„Ja, fühlst du das denn nicht?“, fragte ihn Eva.
Michael schüttelte den Kopf. Da tat Eva es ihm gleich. „Ihr Jungs seid doch alle gleich. Ihr merkt nichts und fühlt nichts.“
„Und was soll ich jetzt machen?“, fragte Michael.
Erneut schüttelte Eva den Kopf. „Hast du sie gern?“
„Hm, irgendwie schon“, erwiderte Michael.
„Dann sag es ihr doch.“
„Was?! Nee … also, das geht nicht. Ich kann doch nicht einfach hingehen und sagen, ich habe dich gern.“
„Wenn du es so machst, dann musst du dich nicht wundern, wenn sie mit dir dumm tut. So darfst du das einem Mädchen nicht sagen.“ „Wie denn dann?“
Und wieder schüttelte Eva den Kopf. „Warum seid ihr Jungs nur so verklemmt? Kannst du nicht einfach sagen, was du empfindest?“ Michael wurde rot im Gesicht und schüttelte den Kopf. „Versuche es wenigstens und behandle sie so, als wäre sie deine Schwester. Das wirst du doch wohl können.“
Er zuckte mit den Schultern.
Eva setzte sich auf eine Bank und sagte: „Setz dich mal neben mich.“ Michael gehorchte. Sie legte ihren Arm um seine Schulter und meinte: „Das liebt jedes Mädchen, wenn sie den Jungen neben sich mag, sonst eher nicht.“
„Meinst du wirklich?“, fragte Michael.
„Bin ich ein Mädchen?“, fragte sie lachend zurück und boxte ihn leicht in die Seite.
Er sah sie prüfend von oben bis unten an, lachte und sagte: „Hm. Es sieht so aus.“
„Siehst du, Michael. So locker musst du sein. Der Rest kommt dann von ganz allein. Übrigens, betrachte nie so offen ein Mädchen von oben bis unten. Wir Mädchen fühlen uns da wie eine Ware und mögen das deshalb gar nicht.“
Erschrocken fragte Michael: „Bist du mir jetzt böse?“ „Aber nein. Bei dir war es doch nur Spaß. Im Spaß ist das erlaubt. Außerdem kennen wir uns doch schon so lange, dass wir fast wie Geschwister sind. Aber im Ernst solltest du das bei einem Mädchen nie tun.“
Er seufzte und meinte: „Das ist aber auch schwierig! Alles ist bei euch anders.“
Inzwischen kamen immer mehr Leute zur Festwiese und die beiden beendeten ihr Gespräch.
Olaf war seit drei Jahren Bürgermeister. Als solcher hielt er pünktlich seine Ansprache und anschließend begann das große Fest. Da aber das Wetter nur durchwachsen war, hatten die Schausteller an diesem Tag weniger Fahrgäste als am Vortag. Dafür boomte es im Erlebnisbad des Hotels.
Eva ging mit ihren Geschwistern gleich nach dem Mittagessen rüber zum Hotel, um wie viele andere das Erlebnisbad zu besuchen. Hier trafen sie auch all ihre Freunde wieder. Sie hatten sich nach der Bürgermeisterrede abgesprochen, nachmittags baden zu gehen.
Michael fühlte die innere Unruhe in sich. Die Gespräche mit Eva und am Abend mit Laura gingen ihm immer noch durch den Kopf. Als die drei Mädchen mit ihrem Bruder im Bad erschienen, wollte Michael auf sie zugehen und unbedingt locker sein. So wie es ihm Eva geraten hatte. Aber genau das war einfach nicht möglich. Michael fühlte sich total angespannt. Wie soll ich da locker sein?, fragte er sich. Geht das überhaupt? Und so hielt er sich erst mal zurück und wartete. Seine Schwester und die beiden von seinem Vater angeheirateten Brüder warteten schon auf die drei Schwestern und ihren Bruder.
„Ihr kommt recht spät“, meinte der neunzehnjährige Knut.
Laura entgegnete: „Sollten wir wegen euch etwa auf das Mittagessen verzichten?“ Sie vermied es, Junior die Schuld zu geben, der ewig nicht fertig geworden war.
Knut meinte locker: „Nein. Jetzt seid ihr ja da.“
„Woll’n wir gleich auf die Rutschbahn?“, fragte Arne.
Alle liefen los, außer Eva. „Willst du nicht mit?“, fragte Knut.
Sie schüttelte den Kopf.
„Warum nicht? Oder fühlst du dich schon zu alt dafür?“
„Nein, aber ich kann nicht ins Wasser.“
„Wieso?“, fragte er erneut.
„Weil es nicht geht.“
Knut zuckte mit den Schultern und ging den anderen hinterher, während sich Eva auf eine der vielen Bänke setzte. Da fragte Knut Laura: „Was ist denn heute mit deiner Schwester los?“
Obwohl Laura wusste, was Knut meinte, fragte sie: „Mit Julia?“
„Nein, mit Eva.“
„Tja! Hättest du mal in der Schule im Biologieunterricht besser aufgepasst, dann wüsstest du es.“
„Was? Was hat denn das mit … ach so. Na, da muss einer drauf kommen.“
„Für uns Mädchen ist das normal!“, sagte Laura lächelnd. Da meinte Knut: „Ja, eigentlich hätte ich auch dran denken können.“ Nun machten sie erst mal die Riesenrutsche unsicher. Dabei hatten sie alle großen Spaß. Selbst Eva freute sich auf ihrer Bank mit ihnen. Als sie nach zwei Stunden völlig außer Puste waren, überließen sie die Rutschbahn den anderen Badegästen und setzten sich zu Eva.
Bei der Gelegenheit fragte Michael Julia: „Kommst du mit rüber in den botanischen Teil?“
Julia nickte und sie verließen die große Halle, um sich in einen der ruhigen Räume zu setzen, welche die Halle umschlossen. Hier züchtete der Hotelgärtner außer Blumen auch Gemüse fürs Hotel. Da diese Räume nur Glaswände hatten und gleichzeitig mit dem Bad geheizt wurden, wuchs hier das ganze Jahr frisches Gemüse. Und wenn man im Winter ins Bad ging, konnte man sich hier sogar etwas sonnen, wenn die Sonne schien.
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