Barbara Cartland - Entführer meines Herzens

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Die junge Orina kann es nicht länger ertragen, ständig von Männern umworben zu werden, die es nur auf ihr Geld abgesehen haben. Sie tritt eine Reise nach Mexiko an, um sich in Ruhe Gedanken über ihre Zukunft zu machen. Doch von Ruhe kann keine Rede sein. Kaum in Mexiko angekommen, wird sie von einem geheimnisvollen Mann entführt, der sich Juarez nennt. Entsetzt stellt Orina fest, daß er nicht an einem Lösegeld interessiert ist, sondern einen noch grausameren Plan verfolgt: Er will sie zur Ehe zwingen, um in den Besitz ihres gesamten Vermögens zu gelangen. Verzweifelt sucht sie nach einem Ausweg, aber Juarez läßt ihr keine Chance. So findet sich Orina bald als Ehefrau dieses Mannes wieder, von dem sie nur eines weiß: daß sie ihn haßt… oder?

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Entführer meines Herzens

Barbara Cartland

Barbara Cartland E-Books Ltd.

Vorliegende Ausgabe ©2017

Copyright Cartland Promotions 1985

Gestaltung M-Y Books

www.m-ybooks.co.uk

1~ 1889

»Wenn Sie mich nicht heiraten wollen, dann bringe ich mich um!«

Der junge Mann sprach erregt, während er mit großen Schritten den Raum durchquerte. Am Fenster blieb er stehen und starrte auf die Fifth Avenue hinunter.

Orina Vandeholt, die auf dem Sofa saß, erstarrte.

»Aber Clint«, sagte sie, »wie können Sie nur solchen Unsinn reden!«

»Es ist wahr«, entgegnete er. »Ich liebe Sie seit vier Monaten. Ich habe Sie hundertmal am Tag gebeten, meine Frau zu werden. Aber nun bin ich mit meiner Geduld an Ende. Ich kann nicht mehr!«

Er verhielt sich so theatralisch, daß sich Orina vom Sofa erhob.

»Wenn Sie so reden«, sagte sie leise, »dann verlasse ich Sie.«

»Nein, nicht, hören Sie mich an! Ich liebe Sie! Ich liebe Sie doch! Ohne Sie kann ich nicht leben!«

Orina musterte ihn nachdenklich. Clint war ein sehr gutaussehender junger Mann. Und doch haftete ihm etwas Unausgeglichenes und Schwächliches an, das sie nicht mochte.

Im Grunde mochte Orina die meisten Männer nicht.

In den beiden letzten Jahren hatten sie sie unablässig verfolgt, was Orina nicht nur verschreckt, sonden auch mit tiefem Mißtrauen erfüllt hatte. Mit Männern, die ihr ihr Herz zu Füßen legten, so. dachte sie, stimmte doch irgend etwas nicht.

Orina war ausschließlich von englischen Gouvernanten aufgezogen und von englischen Lehrern in einem englischen Internat unterrichtet worden.

Von Männern verstand sie nichts und vom gesellschaftlichen Leben nur sehr wenig.

Ein Amerikaner hatte einst das Herz ihrer Mutter Lady Muriel Loth, Tochter des Grafen von Kinloth, bei deren erstem Londoner Aufenthalt im Sturm erobert.

Lady Muriels Eltern wäre es nie im Ttaum eingefallen, daß eine ihrer Töchter jemals einen Mann als möglichen Ehemann in Erwägung ziehen würde, der den Atlantik überquert hatte.

Eigentlich war Dale Vandeholt in England nur deshalb geduldet worden, weil er sehr reich war. Zufällig war er ebenfalls außergewöhnlich intelligent.

Er war nach England gekommen, um seine originellen Ideen über Maschinen-, Eisenbahn- und Schiffsbau vorzustellen, die überall auf großes Interesse stießen. Sogar der Kronprinz hatte ihm seine Anerkennung gezollt.

Vandeholt war ein äußerst gutaussehender, sympathischer junger Mann. Und dennoch war es den Eltern der heiratsfähigen Töchter nie in den Sinn gekommen, daß er in ihre Familie einheiraten könnte.

Lady Muriel war beim ersten Mal, da sie ihn sah, sofort klargeworden, daß er anders war als sämtliche Männer, denen sie bis dahin begegnet war.

Anläßlich ihrer Einführung bei Hofe hatte ihr Vater in der Saison zuvor einen großen Ball organisiert. Daraufhin erhielt sie von jeder Dame, die sie eingeladen hatte, eine Einladung zu deren Ball, und sie hatte überall außerordentlich viel Erfolg.

Sie war ein sehr schönes, zurückhaltendes junges Mädchen. Ihre ganze Familie zeigte sich daher äußerst überrascht, als sie mit fester Stimme erklärte, sie wolle Dale Vandeholt heiraten.

Ihr Vater hatte gewettert und ihre Mutter geweint. Ihre Verwandten hatten über den Amerikaner gespottet und Muriel inständig gebeten, ihn nicht zu heiraten.

Doch sie hatte auf ihrem Entschluß beharrt, den Mann zu heiraten, den sie liebte. Falls sich ihr Vater ihren Plänen weiterhin widersetzte, so hatte sie gesagt, werde sie von zu Hause fortlaufen.

»Von zu Hause fortlaufen« bedeutete in diesem Zusammenhang nicht etwa, nach Gretna Green zu gehen oder an einen anderen Ort auf den britischen Inseln. Nein, damit war der Weg über den Atlantik gemeint!

Schließlich gab der Graf seinen Widerstand auf.

Nur widerstrebend nahm die Familie an Lady Muriels Hochzeit teil. Noch auf dem Weg zur Kirche debattierten die junge Braut und ihr Vater miteinander, jedoch ohne sich näherzukommen.

Danach reisten Muriel und Dale Vandeholt nach New York.

Trotz allseitiger Befürchtungen entwickelte sich ihre Ehe ausgezeichnet, und die beiden wurden sehr glücklich miteinander.

Dale Vandeholt stellte sich als ein weitaus kultivierterer Mensch heraus, als die Engländer gemeinhin angenommen hatten. Er hatte die Klugheit vom Vater und den Charme von seiner Mutter geerbt. Dazu verfügte er über kraftvollen Schwung und Optimismus — Eigenschaften, die ihn stets unbeirrt seinen eigenen Weg gehen ließen.

Da er fest entschlossen war, seine Frau glücklich zu machen, kletterte Dale die Erfolgsleiter so leichtfüßig hinauf, daß jedermann, der ihn dabei beobachtete, außer Atem geriet.

Alles, was er anfaßte, schien sich in pures Gold zu verwandeln.

Als man schließlich auf seinem Land in Ibcas auf Öl stieß, lachte seine Frau übermütig.

»Nunmehr hast du alles erreicht, Liebling«, meinte sie, »mehr kannst du wirklich nicht verlangen.«

»Alles, was ich habe, gehört dir«, antwortete ihr Mann liebevoll. »Du wolltest, daß ich ein bedeutender Mann werde, und danach habe ich gestrebt.«

Dann hatte er sie zärtlich geküßt.

Lady Muriel hatte stets an ihn geglaubt, und dieser Glaube hatte ihn dazu angespornt, von Gipfel zu Gipfel zu stürmen. Oder besser gesagt, da es sich um Amerika handelte, von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer.

Das einzige, das Muriels und Dales Glück trübte, war die Tatsache, daß die Ärzte Muriel nach der Geburt ihrer ersten Tochter eröffneten, es sei besser für sie, wenn sie keine weiteren Kinder mehr bekäme.

»Die nächste Geburt bringt sie möglicherweise um«, warnten sie den Ehemann.

Dabei hätte Dale Vandeholt gerne ein Dutzend Söhne gehabt.

Da dies jedoch unmöglich war, rang er sich dazu durch, sich mit seiner Tochter Orina zu bescheiden.

Dann schlug das Schicksal zu.

Als Orina kaum zehn Jahre alt war, starb Lady Muriel.

Sie war an einer Bauchfellentzündung erkrankt, gegen die damals noch kein Mittel bekannt war, das die Kranken davor bewahrt hätte, zwar schnell, jedoch schmerzvoll zu sterben.

Dale Vandeholt brach es das Herz.

Er fühlte, wie angesichts des Verlustes seiner geliebten Frau alles, wonach er gestrebt hatte, wertlos geworden war.

Lady Muriels Vater, der noch kein alter Mann genannt werden konnte, schrieb ihm nach dem Tod der Tochter einen langen Brief und unterbreitete ihm folgenden Vorschlag:

Da meine Enkelin nun niemanden mehr hat, der sie anleitet, wäre es im Interesse des Kindes am besten, wenn Sie erlauben würden, daß sie in England, wenigstens ein paar Monate im Jahr, erzogen wird.

Ich bin sicher, daß Muriel — wäre sie noch am Leben — wünschte, daß ihrer Töchter die Anmut zu eigen wäre, die in einem solch neuen Land wie dem Ihren ein wenig fehlt, und daß sie den Mitgliedern der Familie begegnet, unter denen ihre Mutter aufwuchs.

Unter ihnen wird sie Freunde finden und natürlich auch einen zukünftigen Ehemann, wenn sie ihr Debüt macht. . .

Dale Vandeholt verstand genau, was sein Schwiegervater damit sagen wollte. Er wußte nur zu gut, warum er seine Frau so innig geliebt hatte: Sie hatte sich so wohltuend von jenen aufdringlichen und eher lauten amerikanischen Frauen unterschieden.

Er fand stets, daß es ihnen an Schliff fehlte und an dem, was der Graf die »Anmut« nannte, die englischen Frauen zu eigen war.

Also schickte er Orina — wenn auch schweren Herzens — zu ihrem Großvater nach England, jedoch erst nachdem Einverständnis darüber erzielt worden war, daß sie mindestens zwei Monate im Jahr zu ihm kommen konnte.

Der Graf war überglücklich.

Und auch Orina genoß es, im angestammten Haus der Familie in Huntingdonshire zu leben.

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