Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2018
Copyright Cartland Promotions 1985
Gestaltung M-Y Books
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Sir James Armstrong las einen Brief, dessen Inhalt ihn offensichtlich sehr befriedigte.
Er schaute lächelnd seine Frau an, die ihm gegenüber am Frühstückstisch saß.
»Denton kommt«, informierte er sie. »Wie nicht anders zu erwarten, konnte er einem Querfeldeinrennen nicht widerstehen.«
Ehe Lady Armstrong etwas erwidern konnte, stieß ihre Stieftochter Muriel einen kleinen Schrei des Entzückens aus.
»Lord Denton hat die Einladung tatsächlich angenommen, Papa?« rief sie. »Das ist ja wunderbar.«
»Ich dachte mir schon, daß du dich freuen würdest«, sagte Sir James.
»Ich bin entzückt«, versicherte Muriel. »Er hatte mir zu verstehen gegeben, daß er mich gern wiedersehen möchte.«
Sie senkte gespielt schüchtern die Augen. Als sie den Kopf hob und ihr Blick auf ihre Stiefschwester fiel, nahm sie plötzlich eine trotzige Haltung ein.
»Ich will Ilouka nicht hierhaben«, bestimmte sie in kaltem Ton.
Ihr Vater hob erstaunt die Augenbrauen. Lady Armstrongs schönes Gesicht drückte Besorgnis aus.
Seit sie zum zweiten Mal geheiratet hatte, bekümmerte sie die Feindseligkeit, mit der ihre Stieftochter ihrem Kind aus ihrer früheren Ehe begegnete. Dadurch herrschte im Haus zeitweilig eine gespannte Atmosphäre, die sie mit tiefem Unbehagen erfüllte.
»Ilouka muß verschwinden«, beharrte Muriel. »Ich lasse mir nicht wieder meine Chancen verderben, indem sie Lord Dentons Aufmerksamkeit auf sich zieht, wie sie es bei Frederick Holder getan hat.«
»Das war nicht meine Schuld«, beeilte sich Ilouka zu versichern. »Bitte, glaube mir, daß ich nichts dafür konnte.«
Ihre weiche und melodische Stimme unterschied sich erheblich von dem harten, aggressiven Ton, den ihre Stiefschwester anschlug.
Auf Sir James’ Stirn bildeten sich ein paar steile Falten.
»Meine Schwester Angela wird Ilouka sicher gern bei sich aufnehmen.«
»Dann wirst du sie dorthin schicken«, sagte Muriel schnell.
Ilouka, die schon protestierend den Mund öffnen wollte, wurde im letzten Augenblick durch einen warnenden Blick ihrer Mutter davon abgehalten. Es war eine stumme Bitte zu schweigen.
Als sie nach dem Frühstück gemeinsam die Treppe hinaufgingen, kannte jeder die Gedanken des anderen. Lady Armstrong trat in den kleinen Salon, der an ihr Schlafzimmer angrenzte. Ilouka folgte ihr und schloß die Türe hinter sich.
»Bitte, laß mich hierbleiben, Mama«, flehte sie inständig. »Ich habe keine Lust, zu Mrs. Adolphus Armstrong zu fahren; Du weißt, daß ich mich bei meinem letzten Besuch dort nicht wohlgefühlt habe. Sie hörte nicht auf, häßliche Bemerkungen über dich zu machen und mich zu kritisieren.«
Lady Armstrong seufzte.
»Die Verwandten deines Stiefvaters waren nun mal nicht damit einverstanden, daß er eine Witwe ohne Vermögen heiratete. Außerdem war ich zu alt, um ihm einen Sohn oder überhaupt weitere Kinder zu gebären.«
»Ich begreife nicht, daß sie ihre unfreundliche Haltung nicht geändert haben. Jeder kann sehen, wie glücklich er mit dir ist. Wenn es doch nur Muriel nicht gäbe!«
»Du hast ja recht, mein Liebling«, erwiderte Lady Armstrong mit ihrer sanften Stimme. »Vielleicht heiratet sie ja tatsächlich Lord Denton. Dann wären unsere Probleme gelöst. Wenn du allerdings während seines Besuches anwesend bist, sind ihre Chancen gleich null wie du sehr wohl weißt.«
Mutter und Tochter schwiegen. Es entsprach den Tatsachen, daß Ilouka eine starke Anziehungskraft auf Männer ausübte. In ihrer Gegenwart würde es Muriel nie gelingen, einen Mann ernsthaft an sich zu fesseln.
Dabei war sie eigentlich ein gutaussehendes Mädchen mit klarem Teint und braunen Haaren. Dazu paßten die braunen Augen, die sanft und liebenswürdig dreinblickten, wenn sie etwas haben wollten, aber kalt wie Eis wurden, wenn es nicht nach ihren Wünschen ging.
Aus ihrer Sicht hatte ihr Vater äußerst unfair gehandelt. Jahrelang hatte er anscheinend ganz zufrieden allein gelebt und den Frauen, die hinter ihm her gewesen waren, keinerlei Beachtung geschenkt. Doch ganz plötzlich hatte er sich dann in die Witwe eines Nachbarn verliebt.
Als Colonel Compton starb, hatte sich seine Frau so elend und verlassen gefühlt, daß ihr die Möglichkeit einer zweiten Ehe nie in den Sinn gekommen wäre.
Der Colonel war ein ausgezeichneter Soldat gewesen. Irgendjemand hatte einmal von ihm behauptet, daß er im kleinen Finger mehr Charme besäße als andere Männer im ganzen Körper.
Nur die Sparsamkeit hatte nicht gerade zu seinen Tugenden gehört.
Nach seinem Tode sah sich seine Witwe einem wahren Schuldenberg gegenüber. Voller Verzweiflung machte sie sich klar, daß sie Jahre benötigen würde, um alles zurückzubezahlen. Das bedeutete, sie und ihre Tochter mußten jeden Pfennig dreimal umdrehen, bevor sie ihn ausgaben.
Neue Kleider kamen nicht in Frage, auch keine Saison in London, die sich Mrs. Compton für Ilouka gewünscht hatte. Sie hatte so sehr gehofft, ihre Tochter als strahlenden Stern am Gesellschaftshimmel aufgehen zu sehen.
Sir James Armstrong besuchte sie, um ihr zu ihrem schweren Verlust, den er nachempfinden konnte, sein Beileid auszusprechen. Sie aber zeigte kein Interesse für ihn. Er ließ sich dennoch durch ihr abweisendes Verhalten nicht entmutigen und kam immer wieder, bis kein Zweifel mehr daran bestand, daß er ihr ernsthaft den Hof machte.
Natürlich ließ sich nicht übersehen, daß sie ein weit angenehmeres Leben führen würde, wenn sie seine Frau wurde. Sein prächtiges Haus inmitten riesiger Ländereien bildete den sozialen Mittelpunkt der Grafschaft. Jedermann ließ sich gern zu seinen Dinner-Partys und Gesellschaften einladen. Die Gäste strömten zu den Gartenfesten, die er im Sommer veranstaltete, wie auch zu den Jagdbällen, die während des Winters in »The Towers« stattfanden. Hauptsächlich, um ihrer Tochter Ilouka ein besseres Leben bieten zu können, rang sich Mrs. Compton schließlich dazu durch, Sir James’ Antrag zu akzeptieren, nachdem er immer heftiger und beharrlicher um sie geworben hatte.
Obwohl niemand den Platz in ihrem Herzen einnehmen konnte, den ihr Gatte innegehabt hatte, stellte sie zu ihrer Verwunderung fest, wie ihre Zuneigung zu Sir James von Woche zu Woche wuchs. Außerdem sehnte sie sich als sehr weibliche Frau danach, wieder beschützt und umsorgt zu werden. Auch der Gedanke, daß dann die Bürde unbezahlter Schulden, die ihr Mann ihr hinterlassen hatte, nicht mehr allein auf ihren Schultern lasten würde, erleichterte sie.
Nach Ablauf des Trauerjahres gestattete sie Sir James, ihre Hochzeit bekanntzugeben, die bereits in aller Stille nur in Anwesenheit zwei ihrer engsten Freunde stattgefunden hatte.
Die neue Lady Armstrong kehrte als strahlende Schönheit aus den Flitterwochen zurück. Sie trug kostspielige Kleider, wie sie sie nie zuvor im Leben besessen hatte. Dazu Schmuckstücke, mit denen Sir James seine Liebe deutlicher ausgedrückt hatte, als es Worte vermocht hätten.
Als erstes holte sie Ilouka zu sich ins Haus. Leider traf einen Monat später auch Muriel, Sir James’ Tochter aus erster Ehe, in Towers ein.
Zwischen den beiden Mädchen, die fast gleichaltrig waren, bestand ein unübersehbarer Kontrast.
Ilouka war ein bezauberndes Geschöpf. Ihre Schönheit verdankte sie weitgehend ihrer ungarischen Urgroßmutter, ebenso die Farbe ihres Haares, ein leuchtendes Dunkelrot, wie es in Ungarn häufig zu finden ist. Die großen grünen Augen mit den goldenen Flecken darin beherrschten das ganze Gesicht.
Sie besaß eine zierliche, aber überaus wohlproportionierte Figur. Ein Mann, der sie zum ersten Mal erblickte, ließ sie nicht mehr aus den Augen und vergaß zu Muriels Pech daß sich noch eine weitere Frau im Raum befand.
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