Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2017
Copyright Cartland Promotions 1984
Gestaltung M-Y Books
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Susanna lief über die hintere Treppe und den Gang zu einem Wohnzimmer, das selten benutzt wurde. Dieser Weg zum Salon war ihr lieber als der über die vordere Treppe, wo ihr Erscheinen von Hibbert, dem Butler, bemerkt worden wäre, der darauf bestanden hätte, sie den Damen zu melden.
Nichts war Susanna peinlicher, als den Salon nach feierlicher Anmeldung betreten zu müssen, in dem sich sämtliche Freundinnen ihrer Mutter zum allwöchentlichen Klatsch bei Tee und erlesenem Gebäck eingefunden hatten.
Sobald ihr Name fiel, würde augenblicklich Stille eintreten, aller Augen würden sich ihr zuwenden, kritische Blicke sie abschätzend mustern.
Dabei wußte sie selbst am besten, daß sie kein erfreulicher Anblick war. Sie war viel zu dick und sah selbst in dem neuen Kleid unvorteilhaft aus. Ihr mangelte es an der schlanken eleganten Taille, die ihre Mutter auszeichnete und zusammen mit anderen äußeren Vorzügen zu einer der gefeiertsten Schönheiten machte.
Lady Lavenham erregte überall, wo sie auftauchte, Aufsehen und Bewunderung. Wenn sie im Hyde Park spazieren fuhr, kletterten die Leute auf Parkbänke, nur um einen Blick auf sie werfen zu können. Die Zeitungen des Landes priesen sie als eine der schönsten Frauen Englands.
Damit wollten sie vor allem zum Ausdruck bringen, daß sie eine der Schönheiten war, die dem erlauchten Kreis um den König angehörten und von anderen Damen der Gesellschaft, die nicht die Ehre hatten, glühend darum beneidet wurden.
Ihr Kreuz, das sie zu tragen hatte, war, wie Susanna wußte, die betrübliche Tatsache, daß ihre zweite Tochter nicht hübsch, sondern ausgesprochen häßlich war.
Immer wenn Susanna ihr Spiegelbild betrachtete, fragte sie sich mutlos, was sie mit ihrem runden, dicklichen Gesicht anstellen sollte, in dem sich Augen, Nase und Mund viel zu klein ausnahmen.
Ihr Haar ließ auch zu wünschen übrig, es hatte weder den Goldton ihrer Mutter noch den gepflegten dunklen Glanz, der das Haar ihres Vaters auszeichnete; es war eher eine unscheinbare Mischung von beidem.
Eine solche kritische Betrachtung im Spiegel hatte stets zur Folge, daß Susanna zur Kommode ging, die Pralinenschachtel aus der oberen Schublade nahm und zu naschen begann.
Das süße Zeug bewirkte, daß sie sich zumindest vorübergehend besser fühlte.
Nur wenn sie sich mit Essen beschäftigte, entschädigte sie das irgendwie für die scharfen, abfälligen Bemerkungen ihrer Mutter und die deutlich zur Schau getragene Enttäuschung ihres Vaters über sie.
Wie anders war doch ihre Schwester May gewesen. Schon als Schulmädchen war sie schlank und liebreizend gewesen und hatte später als Debütantin auf glanzvollen Bällen Aufsehen erregt. '
„May ist so schön wie du damals, als ich dich das erste Mal sah“, pflegte ihr Vater zu sagen, und nur Susanna bemerkte das unwillige Stirnrunzeln ihrer Mutter, die keine Rivalin duldete, nicht einmal die eigene Tochter.
In dieser Hinsicht konnte sie ganz beruhigt sein. Susanna würde ihr nie den Rang streitig machen.
Auf dem Weg zum Salon kam sie an goldgerahmten Wandspiegeln vorbei und musterte ihr Aussehen. Plump wirkte sie. Ja, das war genau der richtige Ausdruck, fand sie.
„Unförmig wie ein Pfannkuchen“, sagte sie sich in einem Anflug von Galgenhumor.
Um ihre rundliche Taille schmaler erscheinen zu lassen, war sie so eng geschnürt, daß ihre Körpermassen formlos darüber und darunter hervorquollen.
Das neue Kleid aus zartgrünem Crêpe de Chine, das am Saum mit Seidenrüschen verziert war, hätte May in eine strahlende junge Göttin verwandelt. An Susanna wirkte es unansehnlich und matronenhaft.
„Dagegen kann man eben nichts machen!“ sagte sie sich trotzig und verspürte plötzlich einen Heißhunger auf die kleinen Baisers und die Törtchen mit dem rosa Zuckerguß, die im Salon serviert wurden.
Unwillkürlich beschleunigte sie ihren Schritt.
Sie wollte gerade den reich verzierten Türknopf betätigen, der sich an der Verbindungstür zum Salon befand, als drinnen ihr Name fiel. Regungslos verharrte sie und lauschte mit wachsendem Unbehagen dem Gespräch der Damen.
„In welchem Salon wird Susannas Debüt stattfinden?“ fragte jemand.
„Oh, im erstbesten“, erwiderte ihre Mutter. „Eine lästige Prozedur. Je rascher ich es hinter mich bringe, desto besser.“
„Und wie sehen deine weiteren Pläne mit ihr aus, Daisy?“ wollte eine andere Dame wissen.
Lady Lavenham ließ ihr silberhelles Lachen erklingen, das nach Aussagen ihrer Bewunderer wie Musik für ihre Ohren war.
„Verheiratet wird sie natürlich“, erklärte sie dann. „Sie muß so schnell wie möglich unter die Haube.“
„Du hast ganz recht“, pflichtete die erste Sprecherin, in der Susanna Lady Walsingham erkannte, der Gastgeberin bei. „Und wen hast du im Sinn? Auch einen Herzog?“
Die Frage löste spöttisches Kichern aus, dann sagte Lady Lavenham betont kühl: „Du hast es erraten, meine Liebe.“
Susanna spürte, wie sich ihre Finger um den Türgriff krampften.
„Welchen Herzog denn?“ wollte Lady Walsingham wissen. „Du mußt es uns unbedingt verraten, Daisy.“
„Da ich auf eure Hilfe hoffe, werde ich euch einweihen“, erwiderte Lady Lavenham. „Der einzige, der im Augenblick zur Verfügung steht, ist Southampton.“
Ein leiser Entsetzensschrei ertönte, dann folgte betretene Stille.
Lady Walsingham faßte sich als erste und wandte ein: „Aber, liebste Daisy, Hugh Southampton besitzt außer seinem Titel keinen Penny!“
„Eben“, entgegnete Lady Lavenham. „Genau deshalb wird er außer sich sein vor Entzücken, Susanna heiraten zu dürfen.“
Wieder blieb es eine Weile still, bis jemand lauernd fragte: „Willst du damit etwa sagen, daß Susanna vermögend ist?“
„Allerdings ist sie das“, erwiderte Lady Lavenham. „Ich dachte, es wäre euch bekannt, daß ihre Patentante, diese unausstehliche Person, ihr ein Vermögen hinterlassen hat.“
„Wie aufregend! Davon hatte ich keine blasse Ahnung!“ rief Lady Walsingham überrascht aus, und auch die übrigen Damen gaben ihrer Verwunderung über diese Neuigkeit lebhaften Ausdruck.
„Die arme Susanna wird jeden Penny bitter nötig haben“, fuhr Lady Lavenham seufzend fort. „Wir alle wissen ja, daß Hugh Southampton auf eine reiche Heirat angewiesen ist. Also ist das eine günstige Fügung.“
„In der Tat, das ist es!“ rief jemand. „Wirklich, Daisy, du bist ein Genie! Aber das warst du ja schon immer!“
Das klang ziemlich neidisch.
Die hohe gesellschaftliche Position, die Lady Lavenham bekleidete, hatte ihr zwangsläufig eine Menge erbitterter Feinde geschaffen.
„Es ist einfach nicht fair“, pflegten ihre Neider zu tuscheln. „Sie ist nicht nur schön und mit dem gutaussehenden Charles Lavenham verheiratet, der als brillanter Schütze hohes Ansehen in der Sportwelt genießt, sie ist auch noch gewitzt genug, um den König in ihren Bann zu schlagen und ihre älteste Tochter mit dem Marquis von Fladbury zu verheiraten, der nach dem Ableben seines Vaters Herzog von Haven sein wird.“
Sie trösteten sich damit, daß die zweite Tochter der lieben Daisy so dick und häßlich war, daß sie sich unweigerlich als Bremsklotz beim kometenhaften Aufstieg ihrer Mutter zu höchsten gesellschaftlichen Gipfeln, wo niemand sie mehr entthronen konnte, erweisen würde.
Und jetzt mußten sie erfahren, daß das häßliche Entlein eine reiche Erbin war. Das war einfach zu viel!
Die meisten der anwesenden Damen waren überzeugt davon, daß der Herzog von Southampton, dessen Familiensitz zusehends verfiel und der zudem noch hoch verschuldet war, nur zu gern bereit sein würde, seinen Adelstitel an eine Frau zu verkaufen, die reich und zudem noch Engländerin war.
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