»Soll das etwa bedeuten, daß Sie meinen Antrag ablehnen?« fragte der Herzog fassungslos.
Er konnte einfach nicht glauben, daß er, der Herzog von Wrexham, soeben eine Abfuhr bekommen hatte. Verstört starrte er Malvina Maulton, die schöne und reiche Erbin eines riesigen Vermögens, an und sagte: »Nun ja, da habe ich mich aber ganz schön blamiert.«
»Tut mir leid«, erwiderte Malvina, »meine Antwort ist ein entschiedenes Nein!«
Der Herzog trat ans Fenster und blickte geistesabwesend in den Garten.
»Alle meine Freunde waren überzeugt, daß Sie meinen Antrag annehmen würden«, murmelte er, als redete er mit sich selbst.
»Freunde?« fragte Malvina erzürnt. »Meinen Sie die Nichtstuer aus dem White’s Club, die zu viel trinken und alberne Wetten abschließen? Vermutlich hat man Ihnen die größten Chancen ausgerechnet.«
»So ist es«, antwortete der Herzog verlegen. »Sie nahmen alle an, daß für Sie nur noch ein Herzog in Frage komme, da auch Waddington Ihnen nicht gut genug war.«
»Da irren Sie sich aber!« versicherte Malvina heftig. »Sie können Ihren Freunden ausrichten, daß es sehr töricht ist, für Wetten, die meine Person betreffen, das Geld ihrer Väter aus dem Fenster zu werfen.«
Mit diesen Worten verließ sie den Salon und schlug die Tür hinter sich zu.
Während sie die breite Treppe zu den oberen Gemächern hinaufging, wurde ihr das ganze Ausmaß dieser peinlichen Situation erst richtig bewußt.
Ja, sie war reich. Sehr sogar. Aber seit sie hier lebte, schienen die Londoner nichts anderes zu tun zu haben, als zu rätseln, wen sie eines Tages heiraten werde.
Sie ging durch den Korridor zum Boudoir ihrer Großmutter, der verwitweten Gräfin von Daresbury. Sie würde wie gewohnt nach der Mittagsmahlzeit ein wenig ruhen, deshalb öffnete Malvina nur leise die Tür.
Die Gräfin saß in einen kostbaren Schal gehüllt am Fenster und lächelte ihrer Enkeltochter freundlich entgegen.
»Da bist du ja!« rief sie aus. »Darf man gratulieren?«
»Natürlich nicht!« antwortete Malvina ärgerlich. »Ich habe ihm gesagt, daß mich sein Herzogstitel nicht interessiert. Vermutlich verschwindet er wieder nach London.«
Die Gräfin schrie entsetzt auf: »Malvina, du hast ihn abgewiesen? Wie konntest du nur so etwas Dummes tun?«
Besorgt betrachtete sie ihre Enkeltochter und dachte daran, wie ungerecht es eigentlich sei, daß Malvina nicht nur besonders reich, sondern auch noch auffallend schön war.
Malvina hatte sich neben ihre Großmutter auf das Sofa gesetzt. Die Mittagssonne zauberte goldene Lichter in ihr Haar, was ihren Liebreiz noch erhöhte.
Die Gräfin fuhr bekümmert fort: »Wie du weißt, mein liebes Kind, bist du jetzt schon zwanzig und hast während des ganzen vergangenen Jahres um deinen Vater getrauert. Ich finde, solltest dich endlich für einen Mann entscheiden.«
»Und weshalb?« fragte Malvina hastig.
»Ja, möchtest du nicht eines Tages heiraten?« erwiderte die Gräfin erstaunt.
»Irgendwann schon«, antwortete Malvina. »Aber ganz sicherlich nicht einen dieser verarmten Aristokraten, die nur auf mein Geld aus sind, für das Papa sein Leben lang schwer gearbeitet hat.«
Bei diesen Worten zuckte die Gräfin zusammen, und ihre Lippen wurden schmal.
Sie hatte es immer bedauert, daß ihr Schwiegersohn zwar ein tüchtiger Kaufmann war, aber kein Adliger, obwohl, und das mußte sie sich eingestehen, er sich wie ein echter Gentleman benahm. Aber Geschäftstüchtigkeit war nicht standesgemäß und wurde von einem Gentleman auch nicht erwartet. Sein Beruf hatte ihn bis in den Fernen Osten geführt. Niemand wußte so genau, welcher Art diese Geschäfte waren, die ihn so reich werden ließen. Zweifellos war er ein Finanzgenie. Unter seinesgleichen nannte man ihn im Scherz Mr. Zehn-Prozent, denn so viel verdiente er an jedem seiner Geschäfte.
Die Gräfin und ihr Gemahl waren sehr entsetzt gewesen, als ihre Tochter darauf bestanden hatte, diesen Magnamus Maulton zu heiraten.
Sie hatten sich unsterblich ineinander verliebt. Magnamus Maulton besaß in der Tat Fähigkeiten, die ein junges Mädchen aus gutem Hause beeindrucken mußten. Er sah gut aus und wirkte seriös. Er war nicht nur männlich-kraftvoll, sondern auch als charmanter Gesprächspartner bekannt.
Und so hatte er Lady Elizabeth im Sturm erobert. Leider war alles ein wenig zu schnell gegangen.
Nachdem sie in Eile geheiratet hatten, hatte Magnamus seine junge Frau mit sich in den Osten genommen, wo sie viele glückliche Jahre verbrachten und wo auch, fern der englischen Heimat, Malvina geboren wurde.
Vor sechs Jahren war er zurückgekehrt. Er erwarb das große, gediegene Haus in der Nähe von London, das er Maulton Park nannte. So konnte er sich auch weiterhin um seine Überseegeschäfte kümmern, ohne viel verreisen zu müssen. Sein Reichtum, und natürlich auch die Tatsache, daß seine Gattin eine Daresbury war, öffnete ihm bald alle Türen der feinen Gesellschaft von Mayfair.
Vor einem Jahr aber verließ ihn das Glück. Seine Frau, die er abgöttisch liebte, starb ganz unerwartet an einer geheimnisvollen Krankheit.
Die Ärzte vermuteten mit Recht, daß dieses merkwürdige Fieber mit den Handelsschiffen nach England eingeschleppt worden war, die zur Zeit wieder mit exotischen Waren aus dem Fernen Osten im Hafen lagen. Dort mußte Magnamus Maulton sich ebenfalls mit der tödlichen Krankheit angesteckt haben, die schon seine Frau dahingerafft hatte.
Malvina wurde über Nacht zur Waise. Verzweifelt weinte sie sich in dem großen, leeren Haus die Augen aus. Sie fühlte sich so verlassen, daß sie wünschte, sie wäre mit ihren Eltern gestorben.
Während dieser schweren Zeit stand ihr ihre Großmutter, die verwitwete Gräfin von Daresbury, tröstend bei. Dank ihrer Hilfe faßte Malvina neuen Lebensmut.
Sie hatte auch allen Grund, sich des Lebens zu freuen. Sie war jung, schön und vor allem reich, denn sie war die einzige Erbin des beträchtlichen Vermögens, das ihr ihr Vater hinterlassen hatte.
Ihrer Enkelin zuliebe verließ die Gräfin ihren Witwensitz, um mit Malvina in Maulton Park zu leben. Hier auf dem Land verbrachten sie das Trauerjahr, wo Malvina ungestört ausreiten und über den Tod ihrer Eltern hinwegkommen konnte.
Schließlich bezogen sie das Haus am Berkeley Square in London, das Magnamus Maulton kurz vor seinem Tode erworben hatte.
Malvina wurde sofort das wichtigste Gesprächsthema der sensationshungrigen Londoner.
Man redete viel vom Reichtum ihres Vaters und war nur allzu bereit, seine einzige Erbin in die feine Gesellschaft aufzunehmen, ohne zu wissen, wie Malvina aussah. Doch als bekannt wurde, daß sie auch noch sehr schön sei, lagen ihr bald die heiratslustigen, verarmten jungen Aristokraten zu Füßen. In den ersten zwei Wochen, die sie in London lebte, erhielt sie fünf Anträge, und es wurden immer mehr.
Ja, man schloß sogar Wetten ab, und so mancher Edelmann verlor dabei ein kleines Vermögen. Für einige Zeit galt ein Marquis als aussichtsreichster Heiratskandidat. Er brauchte dringend Geld für seinen Reitstall, seine Jagdhunde und seine anspruchsvolle Geliebte. Eine Millionenerbin wie Malvina hätte alle seine finanziellen Probleme gelöst.
Als sie ihn jedoch zurückwies, wurde er wütend und beschimpfte sie: »Ich bin Ihnen wohl nicht gut genug! Den Antrag eines Herzogs von Wrexham würden Sie bestimmt nicht ausschlagen!«
Mit diesen Worten verließ er sie. Malvina seufzte betrübt und beschloß, Menschen wie ihn einfach nicht zu beachten.
An Ostern reisten Malvina und ihre Großmutter nach Maulton Park zurück.
Als der Butler heute die Ankunft des Herzogs von Wrexham gemeldet hatte, wußte Malvina sofort den Grund seines Besuchs. Doch er hatte genauso wenig Chancen bei ihr wie der Marquis. Malvina hatte den Herzog bei verschiedenen Abendgesellschaften kennengelernt. Einige Male war er ihr Tischnachbar gewesen, und sie mußte auch mit ihm tanzen. Da er nur über sich selbst redete und keines ernsthaften Gesprächs fähig zu sein schien, fand Malvina ihn langweilig.
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