‚Einen schönen Hammer hast du da, mein zotteliger Freund‘, lenkte Nimrod ab. ‚Mit dem könntest du Angreifern sicherlich ordentlich eins überbraten.‘
Wieder weiteten sich die Augen des Yetis. ‚Ich bin Pazifist. Das Hammerwerfen dient nur der Abschreckung. Hört mal!‘
Padalupwe schwang den Hammer über seinem Schädel, ließ ihn sirren, swooshen, zischen und schmoschen.
‚Beeindruckend‘, musste Nimrod gestehen.
Auch Hogelgard nickte. ‚Du bist ja ein Wahnsinnskerl, Padalumpur … Padaradauz … Pada …‘
‚… lupwe‘, beendete Nimrod den Satz des Kobolds und fing sich beinahe einen Fausthieb ein. Im letzten Moment konnte er ihm noch ausweichen und ballte nun seinerseits die Fäuste.
‚Nanana!‘ Wieder streckte der Yeti die Arme nach den beiden aus, doch als diese sie wie zwei behaarte Keulen auf sich zukommen sahen, hoben sie beschwichtigend die Hände.
‚Schon gut, schon gut, alles gut. Siehst du? Ich bin ganz ruhig‘, sagte Nimrod.
‚Die Ausgeglichenheit in Person‘, pflichtete Hogelgard ihm bei. ‚Aber dir verpassen wir vielleicht lieber einen Spitznamen. Wie wäre es mit … Shmosh?‘
‚Hmm, ja‘, nickte Nimrod, ‚klingt gut.‘
‚Klingt nach einem Hammer, der durch die Luft saust‘, korrigierte Hogelgard.
Padalupwe, fortan genannt Shmosh, lächelte und nahm einen großen Schluck Honigharz aus seinem Schnabelbecher. ‚Punkt eins hätten wir geklärt, bliebe da nur noch das Problem mit der Pforte und wie wir sie am besten verteidigen.‘
‚Kleinigkeit‘, seufzte Hogelgard und ließ sich auf einem Stein nieder. Shmosh reichte ihm den Becher, den der Kobold gerade so mit beiden Händen umklammern konnte.
Dann ließ auch Nimrod sich nieder und sah mit den anderen beiden dabei zu, wie sich das Sonnenlicht in dem Gold des Tores spiegelte und flirrend zurückgeworfen wurde, während er den Honigtrunk entgegen nahm.
Am nächsten Morgen erwachten Hogelgard und Shmosh beinahe zeitgleich, nur um festzustellen, dass der verbogene Schlüssel samt seines Hüters verschwunden war.
‚Ha, wusst’ ich’s doch! Der Zwerg hat uns ausgetrickst‘, schimpfte der Kobold sogleich und wirbelte so schnell mit seinem Schwert herum, dass kein Auge ihm folgen konnte.
Shmosh gähnte. ‚Und was, wenn ihm etwas passiert ist? Wir sollten ihn suchen.‘ Er rieb sich die Augen.
‚Und unseren Posten verlassen? Das will er doch nur, dieser durchtriebene …‘
Ein Liedchen pfeifend, trat Nimrod hinter einem Gebüsch hervor und zog seinen Gürtel straff. ‚Na? Gut geschlafen?‘
‚Was hast du mit dem Schlüssel gemacht?‘ Hogelgard drückte ihm die Schwertklinge gegen die Kehle, noch ehe Nimrod sie kommen sah.
‚Ruhig Blut. Ich habe ihn vergraben. An einer sicheren Stelle.‘
‚Ich sagte doch, das würde nicht nötig sein‘, erwiderte Hogelgard und ließ widerstrebend die Klinge sinken, als er Shmoshs schockierten Gesichtsausdruck bemerkte.
‚Und ich gehe lieber auf Nummer sicher‘, antwortete der Zwerg.
‚Sicher, was soll das überhaupt heißen? Ist sie etwa unter dem Gebüsch.‘ Der Kobold ruckte mit dem Kopf in die Richtung, aus der Nimrod zuvor erschienen war.
Der schürzte die Lippen und sah in die Luft. ‚Wer weiß?!‘
‚Also ist sie dort. Ist ja lächerlich. Sicher.‘
‚Von wegen. Ich geb’ dir gleich lächerlich.‘ Aus seinem Stiefel beförderte Nimrod einen länglichen Gegenstand hervor. Seinem Glänzen zufolge musste er aus Metall sein. Er zog ihn auseinander wie ein Fernrohr und deutete schließlich mit der verlängerten Spitze auf Hogelgards Hals. Zumindest hatte er dorthin gezielt, aber wieder einmal die fixen Bewegungen des Kobolds mit seinem Schwert unterschätzt. Statt auf ihn zu deuten, steckte der Gegenstand nun mit der Spitze voran im sandigen Boden. Nimrod starrte noch auf seine leeren Hände, während Hogelgard laut lachte. ‚Eine Klapplanze! Nicht dein ernst! Die sind so von gestern! Die Qualität taugt auch nichts. Typisch Zwerg.‘
In Nimrods Augen loderte Zorn. ‚Wenn mich nicht alles täuscht, stammt deine Klinge ebenfalls aus Zwergenschmieden. Als wäre ein ritterlich mittelalterliches Schwert der neueste Schrei unter den Waffen.‘
Hogelgard ließ die Knöchel knacken, bis sie weiß anliefen und taub wurden. Zwischen zusammengebissenen Zähnen zischte er hervor: ‚Nimm deine schäbige Rostlanze und stell dich dem Duell, von Zwerg zu Kobold.‘
‚Jungs‘, versuchte Shmosh sich einzumischen.
Nimrod zog die Lanze aus dem Sand und ging in Angriffsposition. ‚Irgendwelche letzten Worte, Hogelbart?‘
‚Ich heiße Hogel gard !‘
‚Juhungs!‘
Nimrod machte eine wegwerfende Handbewegung. ‚Morgen wird dein Name ohnehin vergangen sein. Vom Sande verweht!‘
‚Grrr. Nein, deiner!‘
‚Also Jungs, bitte, wenn ihr …‘
‚Das wollen wir ja mal sehen.‘
Die beiden begannen sich zu umkreisen wie Wespen im Bikini bei einem Ringerduell, als der Yeti jeden von ihnen mit jeweils einer Hand packte und von der Pforte fort in Richtung Horizont drehte. ‚Jungs, wir bekommen Besuch, und der wirkt reichlich unerfreut auf mich. Bestimmt hat ihm seine Mutter niemals Kekse zum Geburtstag gebacken.‘
‚Ja, das wird’s sein‘, knirschten Hogelgard und Nimrod. Sie verstärkten den Griff um ihre Waffen und wappneten sich für den Kampf, während die Staubwolke unaufhörlich näher rückte. Einige Lanzenlängen entfernt verlangsamte sie sich und blieb unvermittelt stehen. Nachdem sich der Staub gelegt hatte, erkannten die Wächter endlich, was sich ihnen näherte. Das, was da auf spindeldürren Beinen auf die drei zuwankte, sah aus wie eine Mischung aus Stabheuschrecke und zerlumpter Steppdecke.
‚Ich glaub es nicht! Eine Steppschrecke‘, flüsterte Nimrod, und die drei Wachen rückten enger zusammen.
Ihr reichlich ramponierter Aufzug erklärte sich hauptsächlich aus Brandlöchern und jeder Menge loser Fäden, die von vielen vergangenen Kämpfen kündeten. Einer der Fäden diente zudem als Leine für das blutrünstigste Wesen aller Königreiche. Ein … weißes Kaninchen. Die Steppschrecke musste ein Magier sein! Nur jene wagten es diese Wesen mit ihrem Alltag unter einen Hut zu bringen. Das Kaninchen zog und zerrte an der Leine um seinen Hals und entblößte seine mümmelnden Schneidezähne. Sein Herr warf ihm zwei Möhren vor und die Wächter mussten mit ansehen, wie das Kaninchen das arme Gemüse binnen Sekunden zu Tode raspelte. Ein Tropfen Möhrensaft triefte von seiner weißen Schnauzen. Orange funkelte er in der steigenden Sonne.
Schließlich ertönte eine dumpfe Stimme aus den Eingeweiden der Steppdecke. Sie klang als habe der Sprecher sich ein Kissen auf die Zunge gelegt und Wattebäuschen in die Nase gestopft.
‚Schrecklich! Grauenvoll!‘, bibberte Shmosh und versuchte hinter dem winzigen Hogelgard in Deckung zu gehen, den Hammer vor die Augen gehoben.
‚Ich bin Ma Gier!‘
Hogelgard schnaubte und stieß Nimrod den Ellenbogen in die Seite. ‚Kein besonders einfallsreicher Name für einen Magier, oder?‘ Nur mit Mühe unterdrückte er ein Lachen.
‚Und ich komme“, fuhr Ma Gier fort, „die Herrschaft über das verborgene Königreich zu beanspruchen. Zunächst die Gewalt über das goldene Tor!‘
Shmosh vernahm eines seiner Stichworte und reagierte sofort. ‚Hey, Meister, Gewalt is’ nicht. Niemand tut dem Tor weh!‘
‚So, meinst du?‘, nuschelte Ma Gier zwischen ausgespuckten Flusen, beugte sich vor und ließ das Kaninchen von der Leine.
Vor Schreck verharrten die Wächter einen Moment lang wie gelähmt. Erst als sie das plüschige Tier mit seinem Puschelschwänzchen rasend auf sich zu hoppeln sahen, kam wieder Bewegung in ihre Glieder.
Nimrod reagierte als erster und präsentierte dem Kaninchen die Klapplanze, doch Ma Gier entriss sie ihm blitzartig wie ein Peitschenhieb mit einem seiner losen Fäden. ‚Wo ist der Schlüssel?‘, wisperte er halb erstickt.
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