»Es lebt eine Stadt von Ift-ar.« Kainofer führte sie zum Geflügelhaus.
»Verstehst du jetzt, was Necho diese Fahrt bedeutet?«, fragte Neferheres. »Deine Fahrt ward noch nie gefahren, mit solchem Lohn ward noch nie belohnt. Steig mit mir dort hinauf!«
Sie blickten von einem der Ecktürme in das Land. Ift-ars Grün zog sich in das Delta, als verweigere es sich dem heißen Atem des Sanddrachens. Gott Hapi trug seine Boote zu den Zielen, die wenigen Befehle ihrer Führer brachen kaum die Stille des Mittags.
»Träumst du, meine Schöne? Beruhige den, der weint, gebieten eure Götter. Werden wir hier in Frieden leben?« Abdiashirta stellte sich die Ausbreitung der Felder vor, auf denen Bursa, die Seestadt, Platz fände. Er sah Neferheres und die vertrauten Barken. War Ift-ar bisher ein Wort, hatte dieser Tag das Ziel zum Leben gerufen.
»Hathor, stärke mich mit deiner Macht. Es wartet der Lohn eines Gottes.« Das sagte er in einer Sprache des Ostens, die sein Großvater ihn gelehrt hatte.
Gardisten mit rußgeschwärzten Gesichtern waren über den Abend durch die Gassen gezogen, nun schlief die Stadt hinter verriegelten Toren. Vor dem halb gefüllten Mond stieg der Rauch von Wachfeuern in den Himmel und löschte die Sterne aus.
Das Fensterleinen war geöffnet, ein Luftzug trug den Duft der Blüten zum Lager, die Neferheres in der Stunde der Rückkehr von Ift-ar auf die Kleidertruhe gestellt hatte. Abdi-ashirta richtete sich auf. Dieser Wind vom Inneren Meer, der über die Lotosblüte nach Menfe wehte, verband die Villa mit Zor, seiner Stadt und mit dem Haus unter der Mauer, von dessen Dach ihm Talaya zugelacht hatte. Die Sehnsucht nach den behüteten Jahren zeigte ihm die Gefährtin der Kindheit als Frau, die er so nie erfahren hatte.
»Du denkst nicht an mich, mein Seefahrer?«
»Ich denke an dich, meine Schöne. Es muss einen Gott geben, den ich nicht kenne, der mein Inneres mit Glück erfüllt. Gesegnetes Kemet, dessen Männer von Wesen wie dir geliebt werden.«
Neferheres beachtete diese Worte nicht. Sie starrte auf die Leinen des Südfensters, dessen Rot sich im Schein der Palastfeuer verstärkt hatte. Sie hörte das Wasser des Brunnens und Merit-Res Lachen, die Uliliya Gesellschaft leistete. »Von heute an wird die Vase nicht leer sein, als Zeichen meines Versprechens, mit dir zu leben.«
Die Zofe schloss die Tür, mit starken Schritten ging der Soldat davon. Abdi-ashirta fasste nach den Schultern der Frau.
»Chain! Chain hat geschrien! Hast du sie auch gehört?« Neferheres entglitt ihm. Als sie zurück kam, atmete er wie im Schlaf. Sie ging in ihre Kammer.
Neferheres Augen folgten den schwarzen Kreisen, die sich auf der gelben Wand zu bizarren Mustern verwirrten. Sie sah auf die Seerosen der bemalten Deckenbalken und öffnete eine der Truhen, die unter dem Schrein Bastets, der Katzengöttin, standen.
Vorsichtig entrollte sie einen Papyrus und streichelte den rot und gold bemalten Reiter, der einem grüßenden Mädchen Blumen reichte, beugte sich noch einmal über das Behältnis und legte die getrockneten Blütenblätter einer Seerose auf das Bild.
»Wenn die Soldaten deinen Namen rufen, wird das Toben des Pöbels zum Angstgeschrei«, sprach sie eine alte Inschrift im Herrscherpalast nach. »Hörst du mich Sothur, Held meiner Mädchenzeit, mein Gefährte. Abdi-ashirta von Zor – er sitzt als Gast auf meinem besten Stuhl. Er schläft in einem Zimmer, dessen Tür das Bild der Göttin Wadjet schützt, sein Bett steht auf den Beinen eines Stiers, seine Nahrung ist mit Thymian und Koriander verfeinert, wie mein Vater es wünschte und Pharao es befahl. Aber er ist nur ein Gast, der weiterzieht, sein Weg führt an meinem Herzen vorbei. Ich gehöre nur dir in dieser Welt und in der kommenden anderen. Ich habe zwei Väter in Kemet und gehorche dem einen, der aus dem Willen des anderen spricht.« Sie nahm einen Pinsel, rückte die Lampe zurecht und schrieb:
Im Totenreich ist man ewig
Und wer darüber klagt, ist töricht.
Wer es aber ohne Unrecht getan zu haben erreicht,
Der wird dort wie ein Gott sein,
Ungehindert wie die Herren der Ewigkeit,
Ungehindert wie du und ich, mein Geliebter
Sie rollte den Text zurück in das Bild, gab alles an seinen Platz und ging zum Fenster. Der Garten schickte kühlende Luft in das Zimmer. Auf den Türmen loderten die großen Wachfeuer, beleuchteten Brunnen und Bänke, die Zeugnisse glücklicher Tage. Die Macht Pharaos brach die Finsternis Menfes, und die Sehnsucht der Frau floh ins Gebet, das ohne Antwort blieb. Der brennende Himmel über Kemets Hauptstadt weckte Erinnerungen an geflüsterte Worte in den Nischen der Palastmauern, an die Stunden in diesem Zimmer, wenn Menfes Nächte dunkel blieben. In den letzten Dekaden wurde der Aufruhr geschürt. Die Offiziere durften die Garnison nicht verlassen. Neferheres drehte ihren Armreif, das alte kemetische Symbol ehelicher Treue, den der Gardist ihr angelegt hatte, als sie sich das heilige siebente Mal im Palastgarten getroffen hatten und er sie seine Frau nannte. Ich weine um dich, Sothur, sprach Neferheres zu den Palastfeuern, bete zu Ma’at, dass sie dir gnädig sei, denn die Göttin zählt die Tränen der Frauen, die den Geliebten nur heimlich sehen dürfen. Sie hörte die Schritte ihres Gastes. Das Licht verschwamm. Die Hände auf dem Sims zuckten.
Abdi-ashirta schloss die Pforte zum Hapi. Still trug der Fluss die heiligen Wasser zum Inneren Meer. Seine Ufer waren vertrauter als die Gemäuer der Königsstadt. Nach Mitternacht zu bedeckten Wolken den Himmel über Bast, der Wiege sidonischer Hoffnungen, dem Tor nach Süden, von kemetischen Priestern für immer verschlossen. Hell stand der Mondgott über dem Ostgebirge und wies dem Schatten des Sidoners den Weg zum Großen Palast.
III
Ho! Ho! Das ist der Admiral?
Janhamu
1
Zum dritte Mal in diesem Sommer trugen nubische Kolonnen bereits in Zor bearbeitete Gebalzedern den Handelsweg von der Lotosblüte über Per-sepa in die Siedlung am Lazurwasser. Abdi-ashirta stand auf seinem Wohnhaus, das nicht der Villa im heimatlichen Ostviertel glich. Die Regen dieser Zeit hatten die Wände ausgewaschen, das Dach war kaum zur Hälfte begehbar. Der schwere Sakinu hielt sich vorsorglich an den Rändern auf, deren mit der Wandung verbundene Balkenlage einen sicheren Stand bot. Ohne aufzublicken, erzeugten die dunkelhäutigen Träger mit Zunge und Lippen Schnalzlaute, von denen der Admiral auf dem Haus nicht wusste, ob es ein Gruß war oder der Hass auf den Mann sie gebar, für den die unbekannten Holzteile aus einem fremden Land an diese Küste geschleppt wurden. Die Transportschlitten hatten sich auf den unebenen Wegen fast jede Stunde festgefahren, die Hände schmerzen von den Verladearbeiten stärker als die Schultern in den Seilen. Der Wind aus dem Abendhaus wehte den Geruch von Schweiß und Holz zu Abdi-ashirta und seinem Beschützer, denen das aber vertraut und nicht unangenehm war. Abdi-ashirta war froh, dass Neferheres nach einem ihrer kurzen Aufenthalte, die nie länger als zwei Tage dauerten, zurück nach Menfe gereist war. Sie hatte den Bau der Schiffe für den Pharao gezeichnet und beschrieben. Bei vielen Gelegenheiten hatte Abdi-sirta sich gewundert, wie unbeeindruckt die hohe Frau mit den Zimmerleuten und Aufsehern umgegangen war, sie nach deren Herkunft fragte und sie oft ermutigte, ihre Meinung zu dem Willen des Palastes zu sagen. Die Andeutungen Kerifer-Neiths, die der Priester auf seine Fragen machte, hatte er nicht verstanden. »Eine starke Hand hebt den Vogel, der singt, in die Luft, dass sein Lied über den Hapi tönt. Vielleicht erzählen es dir einige der Männer auf deinem Schiff, was Neferheres antreibt, wenn sie dich einmal nicht die kemetischen Bräuche lehrt.«
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