Sie merken, dass der Appell in unserer Kommunikation eine wesentliche Rolle spielt. Wir wollen auf unseren Gesprächspartner mit Worten einwirken – meist positiv, manchmal auch manipulativ. Dazu sind Appelle ein legitimes Mittel. Es kommt jedoch darauf an, mit welchen Worten ich Appelle formuliere und mit welchen Ebenen ich Appelle verbinde: Mit lediglich „Bitte räume die Ordner weg“ werden die wenigsten auf Dauer erfolgreich sein. Verbunden mit anderen Ebenen ist die Erfolgsquote wesentlich höher.
Im Beruf und in der Partnerschaft treffen wir immer wieder auf einen autoritären Sprachstil. Beschuldigungen, Herabsetzungen und Beurteilungen stehen an der Tagesordnung. Wir sprechen dabei von Du/Sie-Aussagen.
BEISPIELE
„Du kommst immer zu spät.“
„Sie haben mir noch nie gute Arbeitsergebnisse geliefert.“
Du-Botschaften sind eindringlicher. Besonders bei sehr emotionalen Menschen bleiben Du-Botschaften lange im Gedächtnis. Ein persönliches Beispiel: Beim 10-jährigen Abiturjubiläum erzählten wir uns viele Geschichten aus unserer gemeinsamen Gymnasialzeit. Dabei bemerkte ein Schulkollege: „Ich kann mich noch gut an eine Kritik erinnern, die du mir bei einem Fußballspiel im Turnunterricht gabst.“ Ich sah ihn erstaunt an und fragte ihn nach meinen Worten. „Dick und unbeweglich bist du – als ein ‚Walross im Trockenen‘ hast du mich damals bezeichnet.“ Er zeigte mir dabei genau jene Stelle, an der ich ihn beschimpfte – drei Meter links neben der Eckfahne. Ich schluckte und fragte: „An das kannst du dich nach zehn Jahren noch erinnern?“ Ein bedrückendes „Ja, da hast du mich so richtig verletzt“, war seine Antwort. Wie hätte die Kritik in der Ich-Botschaft lauten können? „Ich bin über deine Schwerfälligkeit beim Fußballspielen enttäuscht“ oder ähnlich. Ich bin überzeugt, dass mein Schulkollege diese Bemerkung innerhalb weniger Stunden vergessen hätte.
Auf der Suche nach einer partnerschaftlichen Sprache führt an Ich-Aussagen kein Weg vorbei. Dabei steht folgende Grundaussage im Mittelpunkt: Ich teile dir mit, was dein Verhalten, deine Sprache bei mir auslöst. Dadurch mache ich mich transparent und öffne mich. Die Ich-Botschaft ist ehrlich, partnerschaftlich und menschlich.
Beispiel: „Rauchen“ bei Jugendlichen
Mit dieser Situation werden viele Eltern bei ihren Kindern konfrontiert. Meist erfolgt ein klarer Appell „Bitte rauche nicht!“. Betrachten wir nun verschiedene Kombinationen mit der Appellebene:
■ Die Sachebene hat die Wirkung, dass der Appell durch Information erklärt wird: „Laut der Studie sterben Raucher durchschnittlich elf Jahre früher. Ein Viertel der Raucher stirbt vor dem 70. Lebensjahr. Rauchen altert schneller die Haut. Viele Fakten, die gegen das Rauchen sprechen. Bitte nicht rauchen.“
■ Bei der Selbstmitteilung sind Selbsterfahrungen mit dem Appell verbunden: „Ich habe selbst 10 Jahre geraucht. Meine Haut war fahl und unrein. Ich habe mir daher zum Ziel gesetzt, gesund zu bleiben. Das tut mir gut. Daher mein großer Wunsch: Bitte rauche nicht!“
■ Bei der Beziehungsebene kann eine positive Bewertung über den Empfänger mit dem Appell verbunden werden: „Du hast mir schon mehrmals mitgeteilt, dass dir dein Aussehen sehr wichtig ist. Du hast eine reine Haut und einen ansprechenden Teint. Rauch bitte nicht, dann wirst du dein gutes Aussehen erhalten!“
RESPEKTVOLLES STREITEN AUF DER ICH-EBENE
Der respektvolle Streit wurde uns nicht in die Wiege gelegt. Oft machen wir unserem Ärger Luft und sprechen emotional die Beziehungsseite des Streitpartners an. Emotional beruhigt uns ein Zurechtweisen auf der Beziehungsebene. Jedoch entwickelt sich dadurch ein regelrechter Kampf der Beziehung und der Emotionen.
BEISPIEL
„Unterbrich mich nicht dauernd!“
Antwort: „Ich unterbreche dich doch nicht. Du bist derjenige, der immer unterbricht!“
Keiner wird in seinem Verhalten und Gefühlen gerne kritisiert.
Wie können wir nun antworten? Marshall Rosenberg spricht von gewaltfreier Kommunikation. „Gewaltfrei“ ist für mich allerdings nicht das passende Wort. Ich spreche von „respektvoller Kommunikation“. Wie kann dies gelingen?
Respektvolles Streitgespräch
emotionales Streitgespräch |
respektvolles Streitgespräch |
„Du unterbrichst mich dauernd!“ |
„Darf ich zu Wort kommen, damit ich dir meinen Standpunkt sage?“ |
„Das ist doch alles ein Blödsinn!“ |
„In diesen Punkt bin ich anderer Meinung!“ |
„Warum hast du die Unterlagen nicht fertig?“ |
„Wir haben vereinbart, dass heute die Unterlagen fertig sein sollen!“ |
„Du bist immer so unpünktlich!“ |
„Du kommst 15 Minuten zu spät. Ich finde es nicht höflich mir/den anderen gegenüber!“ |
„Stör mich bitte nicht durch diese Fragen!“ |
„Ich habe jetzt für deine Fragen keine Zeit. Bitte um 16 Uhr.“ |
„Lass bitte diese Untergriffe!“ |
„Ich finde, dass wir dadurch zu keinem Ergebnis kommen!“ |
Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, eine Botschaft zu senden. Ich lasse Sie nun eintauchen in Ihre Gedankenwelt. Denken Sie an Ihre Partner, Mitarbeiter, Kollegen etc. Wie reagieren diese auf die in den Beispielen beschriebenen Ebenen? Sie werden erkennen, dass die Reaktionen sehr unterschiedlich sind.
KOMMUNIKATIONSQUADRAT – EIN KLASSIKER
Ein Mann (zunächst Sender der Nachricht) und eine Frau (zunächst Empfängerin) sitzen beim von der Frau zubereiteten Abendessen:
Der Sender (Mann) sagt: „Da ist etwas Grünes in der Suppe.“
Sachebene: „Ich sehe etwas Grünes.“
Selbstmitteilung: „Ich weiß nicht, was es ist.“
Beziehung: „Du wirst es wissen.“
Appell: „Sag mir bitte, was es ist!“
Empfängerin (Frau) versteht: „Da ist etwas Grünes in der Suppe.“
Sachebene: „Er sieht etwas Grünes.“
Selbstmitteilung: „Ihm schmeckt das Essen nicht.“
Beziehung: „Er hält mich für eine schlechte Köchin.“
Appell: „Ich soll künftig nur noch kochen, was er mag.“
Die Frau antwortet also: „Wenn es dir nicht schmeckt, kannst du ja selber kochen!“
Dieses Beispiel zeigt, dass es drauf ankommt, mit welchem „Ohr“ Ihr Partner die Botschaft aufnimmt. Daher erweitern wir das Modell. Hat Ihr Kommunikationspartner ein „Sachohr“, ein „Selbstmitteilungsohr“, ein „Beziehungsohr“ oder ein „Appellohr“? Entsprechend seinem „Ohr“ möchte er auch angesprochen werden.
4.6 Die Ohren des Kommunikationspartners
Betrachten wir nun das Quadrat aus der Sicht des Empfängers. Biologisch haben wir es mit zwei Ohren zu tun, wir bräuchten jedoch vier Ohren: eines für jede Ebene. Jedoch ist bei vielen Empfängern ein Ohr besonders gut ausgebildet, ein oder mehrere andere Ohren weniger gut.
Betrachten wir die vier Ohren etwas genauer:
Manche empfangen am liebsten die Sachebene einer Nachricht. Mit dem Sachohr prüft der Empfänger, ob die Sachbotschaft die Kriterien der Wahrheit (wahr/unwahr), der Relevanz (für mich bedeutend/unbedeutend) und der Hinlänglichkeit (ausreichend/ergänzungsbedürftig) erfüllt.
Wenn Sie es mit reinen „Sachohren“ zu tun haben, geht es Ihnen vielleicht auch so wie mir mit einem guten Freund. Dieser hat ein ausgeprägtes Sachohr. Wenn ich ihm Informationen und Fakten liefere, merke ich rasch an seiner Aufmerksamkeit, ob diese für ihn von Bedeutung sind oder nicht. Falls sie für ihn von Bedeutung sind, kann er mir auch nach Wochen vollinhaltlich das Gespräch wiedergeben. Wenn nicht, folgt ein „Was, darüber haben wir gesprochen?“. Bei für ihn interessanten Themen kommen von ihm viele Fragen und es entsteht ein tief gehender Dialog. Falls das Thema für ihn unbedeutend ist, bin ich Alleinunterhalter.
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