Die Kommunikation wurde zu Beginn durch Handzeichen gesteuert. Die Hand hatte jedoch auch andere Aufgaben: Wer seine Hände zur Arbeit benötigt, kann nicht gleichzeitig kommunizieren und arbeiten. Es wurden daher stimmliche Laute eingesetzt. Der Übergang von Handgesten zu stimmlichen Signalen war für den Menschen anstrengend, weil die Steuerung der Mundmuskulatur komplizierter als die Steuerung der Hände ist. Jeder, der schon einmal etwas zu viel Alkohol getrunken hat, kann sich an den gestörten Sprachapparat erinnern, während die Hände meist einwandfrei funktionierten.
In Ritualen wurden bei den Homo sapiens Bewegung, Rhythmus, Musik und Stimmlaute verschmolzen. Diese Rituale vollzogen sich jedoch nicht während der Jagd, Herstellung von Werkzeugen oder Waffen und auch nicht bei der Zubereitung von Nahrung. Sondern bei der Verteilung von Macht und Geschlechtspartnern. Beim Liebeswerben um den Geschlechtspartner wurde getanzt und gesungen.
Der kraftraubende Tanz war jedoch eine Domäne der Jugend. Für die Alten war der Tanz zu aufwendig. Daher verlagerte sich zunehmend die Bewegung zu lautlichen Signalen. Der Status der Alten wurde somit mit sprachlichen Mitteln erhalten. Mit sprachlicher Intelligenz war Macht und Ansehen verbunden. Die Laute bezogen sie nach und nach auf bestimmte Tätigkeiten und Objekte. Diese Lautketten wurden jedoch sehr unterschiedlich ausgesprochen. Emotionen beeinflussten die Länge und Stärke.
BEISPIEL
Begegnung mit einem Bär
Da-a-a-a-a-a-a: Lautkette eines emotionalen Menschen
Da-a: Lautkette eines emotionslosen Menschen
Objekte und Tätigkeiten sollten daher mit einem Wort bezeichnet werden, das für alle zum Standard wurde. Nach den Namen wurden bald Attribute vergeben. Damit konnten bestimmte Objekte und Tätigkeiten genauer unterschieden werden:
guter Bär – böser Bär – Mutterbär – schmutziger Bär – nasser Bär
Sprachwissenschaftler sprechen davon, dass es vor 80.000 Jahren zu einer regelrechten Benennungs-Euphorie gekommen ist.
1.1 Die Grammatik kam ins Spiel
Wörter und Äußerungen hielten sich ohne Grammatik über Tausende Jahre. Es bestand auch keine Notwendigkeit, diese Wörter in eine Struktur zu bringen. Denn während der Jagd ist es unsinnig, miteinander zu sprechen. Auch beim Anfertigen von Faustkeilen, Speeren oder Schmuck war die Sprache nicht notwendig. Nur Befehle wurden ausgetauscht, vergleichbar mit einem Chirurgen, der auf seine Arbeit konzentriert ist. Auch er gibt Befehle an seine Helfer: „Tupfer“, „Schere“, „Pinzette“. Aussagen wie „Frau Becker, wären Sie so nett, mir die Schere zu reichen?“ wären fehl am Platz.
Der evolutionäre Druck, Wörter in eine Struktur zu bringen, ergab sich erst, als die archaischen Homo-sapiens-Gruppen größer wurden und sich verschiedene Gruppen begegneten. Bei diesen sozialen Begegnungen war Sprache wichtig. Wenn wir mit fremdsprachigen Arbeitern und Gästen kommunizieren, fühle ich mich manchmal in die Zeit unserer Vorfahren zurückversetzt: „Du gehen“, „Du so machen“, „links-rechts-links: dann dort“, etc. ...
1.2 Die Erfindung der Buchstabenschrift
Die Phönizier waren die Erfinder der Buchstabenschrift. Dieser qualitative Sprung von der Bilderschrift zur Buchstabenschrift erfolgte um 1.000 vor Christus. Das phönizische Volk war zu klein, um andere Völker zu erobern. Daher konzentrierten sie sich auf den Handel, um damit Ruhm und Reichtum zu erzielen. Die Phönizier handelten mit Waren aus vielen Ländern. Sie kannten zwar Bilderschriften, ähnlich den ägyptischen Hieroglyphen beziehungsweise der babylonischen Keilschrift. Wie unterschieden Sie jedoch zum Beispiel Myrrhe aus verschiedenen Ländern? Mit vielen unterschiedlichen Zeichnungen? Nein, jedes Produkt wurde mit einem Namen versehen und auf Stein, Ton oder Papyrus niedergeschrieben. Für andere Völker hatten diese Buchstaben etwas Magisches. Das Handelsvolk gewann dadurch an Ansehen und Prestige.
Dieser Mehrwert der Alphaschrift ist zeitgemäß zu vergleichen mit Markenartikel und No-Name-Artikel. Wenn auf dem Produkt eine Schrift zu erkennen war, galt es als hochwertiger, obwohl der Inhalt gleich war. Sprache auf Material zu bringen, war bahnbrechend: Die Welt konnte nun mit unzähligen Wörtern begriffen werden. Wer damals einen großen Wortschatz hatte, sammelte Ansehen und Status. Das ist bis heute so geblieben.
1.3 Die Satzkomplexität nimmt ab
Die Sätze, die wir schreiben und sprechen, werden kürzer und kürzer. Das zeigt uns unsere Sprachgeschichte. Die modernen Kommunikationstechnologien zwingen uns auch zu verkürzter Kommunikation. Eine SMS, eine E-Mail sind nicht vergleichbar mit den handgeschriebenen Briefen der Vergangenheit. Regelrecht poetisch klingt die Sprache, wenn wir uns sehr alte Filme des beginnenden 20. Jahrhunderts ansehen. Actionfilme wie James Bond setzen bewusst auf kurze Sätze. Die Satzlänge des James Bond-Thrillers „Im Dienste der Majestät“ beträgt 11,4 Wörter. Kurze Sätze sind dynamischer und plakativer.
Durchschnittliche Anzahl der Wörter pro Satz:
■ 17. Jahrhundert: 36,3 Wörter
■ 18. Jahrhundert: 26,2 Wörter
■ 19. Jahrhundert: 23,4 Wörter
■ 20. Jahrhundert: 19,3 Wörter
■ 21. Jahrhundert: 16,3 Wörter
Boulevardzeitungen bieten ihren Lesern leicht lesbare und emotionalisierende Sätze. In der Bild-Zeitung umfassen die Sätze nur circa zwölf Wörter. Auch in der Prosa von bedeutenden zeitgenössischen Autoren wie Daniel Kehlmann, Martin Walser oder Günter Grass sind die Sätze viel kürzer als bei vergleichbaren Autoren der Vergangenheit.
Die Sätze unserer Amtssprache sind nachweislich noch ein Relikt alter Zeiten – und somit sehr lange. Ableitungen von Gesetzestexten führen zu schwer verständlichen Sätzen. Eine „Entstaubung“ dieser nicht einfach zu lesenden Satzkonstruktion wäre höchst an der Zeit. Gustav Radebuch sagte dazu pointiert: „Der Gesetzgeber soll denken wie ein Philosoph und reden wie ein Bauer.“
Als Beispiel eine Anzeige der städtischen Stadtwerke Passau GmbH in der Passauer Neuen Presse:
Sehr geehrte Kunden der Stadtwerke Passau GmbH!
Wir möchten Sie darüber informieren, dass wir Ihre bisherigen Netzanschlussverträge mit Wirkung zum morgigen Tag (8. Mai 2007) gemäß § 29, Abs. 1 Satz 3 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzungen für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (Niederspannungsverordnung – NAV) an die neue Rechtslage nach der NAV und/oder gemäß § 29, Abs. 1 Satz 3 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Gasversorgung in Niederdruck (Niederdruckanschlussverordnung – NDAV) an die neue Rechtslage nach der NDVA anpassen werden.
Quelle: Eroms, Hans-Werner: Stil und Stilistik – eine Einführung, Erich Schmidt-Verlag, Berlin.
Auch Werbetexte lassen gut den Trend zu kurzen Sätzen erkennen. Die Kürze wird oft künstlich erzielt, indem Sätze „zerschlagen“ werden.
BEISPIELE
„Die Allianz Unfall aktiv: Ein Unfall: Plötzlich können Sie vieles nicht mehr selber machen. Müssen Sie auch nicht. Anruf genügt. Wir sind für Sie da.“
Mediamarkt: „Ich bin doch nicht blöd.“
Kommunikation führt Menschen zusammen. Aus diesem Grund ist sie einer der wichtigsten Aspekte menschlichen Verhaltens. Kommunikation ist für die menschliche Existenz so ausschlaggebend, dass sie ununterbrochen stattfindet – obwohl wir uns dessen oft gar nicht bewusst sind. Wenn demnach zwei Menschen aufeinandertreffen, lässt es sich nicht vermeiden, dass sie sich etwas vermitteln. Dabei brauchen sie nicht miteinander ins Gespräch kommen. Bereits Blicke, Körperhaltung und der Gesichtsausdruck teilen dem anderen etwas mit. Dabei sprechen wir von nonverbaler Kommunikation. Wie der berühmte Sprachforscher Watzlawick bereits betonte: Man kann nicht nicht kommunizieren.
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