Der heilige Baum von El Matarija Der heilige Baum von El Matarija Der Verdacht, dass die Ursachen und Hintergründe von „Marienerscheinungen“ bereits in vorchristlichen Epochen ihren Anfang genommen haben könnten, scheint mir nicht abwegig. Ein Indiz dafür liefert ein heiliger Ort, der nur zwei Kilometer von der Wallfahrtskirche in Zeitoun entfernt liegt: der Marienbaum von El Matarija. Der Legende nach ein weiterer Platz, wo die Heilige Familie auf ihrer Flucht aus Judäa eine Zeit lang wohnte: heute eine von Mauern umfriedete Gartenoase, die von Wachpersonal geschützt wird. Dank ägyptischer Begleitung dürfen wir in den heiligen Bezirk. Hier finden sich Spuren einer Süßwasserquelle sowie die Überreste des legendären Marienbaumes, der bereits Jesus, Maria und Josef Schatten gespendet haben soll. Der Urbaum soll vor über 2000 Jahren geblüht haben. Bereits Kleopatras Balsamgärten haben an diesem Platz verführerisch geduftet. Die Überlieferung erzählt, dass der Marienbaum mit jenem mythischen Baum identisch sei, unter dem bereits Jahrhunderte zuvor die altägyptische Isis (Göttin der Magie, Geburt und Wiedergeburt) den vom toten Osiris empfangenen Horusknaben gesäugt habe. Götterdichtung? Oder übernahmen orthodoxe Kleriker eine mystisch-fromme Vorstellung, die bereits lange Zeit zuvor an diesem heiligen Ort existierte? Statuette der altägyptischen Göttin Isis mit dem Horusknaben Vergilbte Postkarte aus dem 19. Jahrhundert: So hat der Baumriese einst ausgesehen. Seit 2015 keimt der Marienbaum wieder neu. Als wir vor dem Wunderbaum stehen, stockt uns der Atem: Leider war an der uralten, denkmalgeschützten Sykomore (auch „Maulbeer-Feige“ oder „Esels-Feige“) um 2013 ein grauenvoller Vandalenakt verübt worden, entweder im Auftrag der Behörden, von dilettantischen Stadtgärtnern oder fanatischen Islamisten. Irgendwann in diesem Zeitraum wurden von irgendjemandem große Teile des heiligen Baumes mittels Kettensäge abgesägt. Ein Frevel sondergleichen, der weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit geschah. Immerhin: Als wir die geschändete Stätte besuchen, keimen frische grüne Zweiglein auf dessen verstümmelten Überresten. Für uns ein kleines Wunder, denn der Baum galt bereits als abgestorben (siehe Farbteil Seite 67 unten) .
Kosmische Spuren Kosmische Spuren SESCHAT UND DER ISCHED-BAUM Der heilige Baum von Heliopolis mit Thot und der Göttin Seschat Sowohl die Erscheinungsstätte Zeitoun als auch der Marienbaum befinden sich auf geschichtsträchtigem Boden. Beide Plätze liegen innerhalb der legendären „Sonnenstadt“, die im Alten Testament „On“ genannt wird. Damit ist der uralte Verehrungsort Heliopolis gemeint, wo der Überlieferung nach die Weltschöpfung stattfand, der Sonnengott Re mit seinen Urgöttern erstmals erschien und später wieder zum Himmel zurückkehrte. Anders ausgedrückt: Hier in diesem Vorort von Kairo liegt der geistig-religiöse Anfang Ägyptens und seiner Götterwelt. Offenbar sind hier seit jeher himmlische Wesen erschienen – als befände sich in der Umgebung eine Art „Sternentor“ zu fremden Welten. Dazu gibt es eine mythologische Verknüpfung zu einer geheimnisvollen Göttin namens Seschat. Sie ist das weibliche Pendant des himmlischen Lehrmeisters Thot und wurde im Altertum als Göttin der Weisheit, der Schreibkunst und der Zeitmessung geschätzt. Sie wird auch „Herrin der Baumeister“ genannt, weil sie den vorbestimmten Bauplatz für Heiligtümer festlegte. Bei diesen Zeremonien spielte ein wundersamer Baum eine besondere Rolle, der schon zu Beginn der ersten Pharaonendynastien im Bereich des Sonnentempels von Heliopolis große Verehrung genoss. In den Mythen wird er als „Isched-Baum“ bezeichnet. Auf seinen Blättern sollen die Regierungsjahre der Könige verzeichnet gewesen sein. Neben der geografischen Gemeinsamkeit zum Marienbaum von Matarija gibt es auch eine kosmologische: „Der Name der Göttin Seschat ist ebenso wenig erklärbar wie der Gegenstand, den sie als Abzeichen auf dem Kopf trägt und der nach alten Darstellungen ursprünglich die Göttin selbst gewesen ist“, notieren die Fachexperten Wolfgang Helck und Eberhard Otto in ihrem „Wörterbuch der Aegyptologie“. Gemeint ist ein siebenstrahliger Stern, über dem sich ein mondsichelförmiger Halbkreis mit zwei senkrechten Spitzen erhebt. Was war ursächlich damit gemeint? Eine Art Heiligenschein? Seschat ist oft in einem Kleid abgebildet, das mit Sternenmotiven übersät ist. Dabei hält sie manchmal einen Stab in einer Hand, der als Zeichen für „Unendlichkeit“ und „Wiedergeburt“ gedeutet wird. Attribute, die man ebenso aus mancher Ikonografie der Jungfrau und Himmelskönigin Maria kennt.
STEINE DER HEILIGEN UND GÖTZEN Fieberstein
Von Himmelssteinen, Mirakelsteinen und versteinerten Launen in der „12-Apostel-Zeche“
Göttersteine und ihre Mythen
Die „Skystones“ aus Sierra Leone
Der Schwarze Stein an der Kaaba
Le Puy und der schwarze „Fieberstein“
Der rote Fridolin-Stein zu Rankweil
Der weiße Stein des heiligen Arbogast
Geheime Welt unter Klosterneuburg
DIE MACHT DER SCHWARZEN MADONNA
Sonderbare Schutzheilige, rabenschwarzer Marienkult und das fliegende Haus von Loreto
Dunkle Geheimnisse
Maria Magdalena und die Schwarze Sara
Heiligtümer, Himmelslichter und Montserrats Moreneta
Pilgerziel Loreto
Glaube und Wissenschaft
Als die Schwarze Madonna zum Mond flog
Das „Loreto-Kindl“ und die „Schwarze Kuchl“
Die Schwarzen Mädeln von Wien
PFORTE INS HÖLLENREICH
Pompejis Ruinen, Solfataras Schwefelwelt und die Blutwunder des heiligen Januarius
Urbilder der Hölle
Dante und die Phlegräischen Felder
Die versteinerten Toten von Pompeji
Römische Tempelmysterien
Solfataras brodelnder Supervulkan
Wunderglaube um San Gennaro
Abstieg in die Unterwelt
Lebendiger Glaubenskult
WUNDERSAME WALLFAHRTSORTE
Übernatürliche Souvenirs, UFOs in alten Kirchen und unruhige Knochen von Heiligen
Das „heilige Gesicht“ von Manoppello
Hier stand Maria!
Gemalter Himmelsspuk
Verborgene Kirchenschätze im Burgenland
Die Unverwesten
Barockjuwel mit bizarrer Reliquie
GÖTTLICHE BESCHERUNG
Das Wunder von Bethlehem, die Schätze von Santiago de Compostela und das „Jesusstern“-Sakrileg
Vorchristliche Weihnachten
Wundersame Geburtsgrotte
Auf nach Santiago de Compostela!
Heilige Kopfnüsse und der Botafumeiro-Effekt
Einzigartige Kunstschätze im Klosterhotel
Archäologiekrimi: ein Stern zu viel!
Schlusswort mit einem „Vergelt’s Gott!“
ANHANG
Quellen und Literatur
Bildnachweis
Weitere Bücher
Impressum

Wendeltreppe mit Engelsköpfen in Mariastein (Tirol)
Anstoß:
Wenn das Überirdische ruft!
„Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Kultur und Reisen. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist’s! Reise, reise!“
Wilhelm Busch (1832 – 1908), deutscher Dichter und Zeichner
Wenn einer eine Reise tut … ja, dann hat er natürlich immer etwas zu erzählen. Selbst Menschen, bei denen der Urlaub traditionell „im Sand“ verläuft. Jemand steigt versehentlich auf einen Seeigel, die Badehose wird gestohlen oder der versprochene Meerblick entpuppt sich als Hinterhofpanorama. Solche Dinge passieren und belustigen die daheim Zurückgebliebenen. Auch moderne Technologien bieten neue, faszinierende Möglichkeiten: Expeditionen in die Fremde werden vermehrt virtuell mittels Computer und 3-D-Brille unternommen. Letztlich bleiben es aber immer nur Ausflüge in unwirkliche Scheinwelten.
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