Ein Temperaturanstieg allein, das dürfte aus dem Gesagten klar geworden sein, stellt kein Fieber dar. Wärmeerzeugung im Körperorganismus beruht nicht allein auf einer Zunahme der Gewebeveränderungen. Der Wärmeanstieg kann auch durch Kohlehydratoxidation entstehen. Aus physiologischer Sicht kann ein Temperaturanstieg erfolgt sein, ohne dass die Exkretionen, die einen verstärkten Gewebestoffwechsel darstellen, zugenommen haben. Der eigentliche Indikator für Fieber ist vielmehr die Modifikation des Wärmesteuerungsmechanismus.
Zu den Phänomenen eines Fieberzustands gehört in erster Linie der Abbau von Gewebe. Sogar dann, wenn das Fieber nicht hoch oder lang anhaltend ist, kommt es zu einem großen Gewebezerfall, was auch zu einer Blutveränderung führt, die ihrerseits eine Störung der Gewebeaktivität sowie Flüssigkeitsschwund bedingt, der sich z. B. in Durst und wenig Harn äußert. Ein weiteres Symptom für den Fieberzustand ist die gesteigerte Pulsfrequenz, verursacht durch den Temperaturanstieg und andere Veränderungen. Bei manchen Fieberzuständen, wie etwa Meningitisfieber, ist der Pulsschlag nicht erhöht. Die beschleunigte Pulsfrequenz lässt sich nicht vollständig mit der Zunahme arterieller Spannung und verstärkter Frequenz des Blutflusses erklären. In der Anfangsphase des fiebrigen Zustands ist für gewöhnlich ein heftiger, starker Puls bei großer arterieller Spannung feststellbar. Später tritt dann meist eine Entspannung ein und der Puls wird weicher. In diesem Zustand ist der Pulsschlag schnell, der schnelle Herzschlag drückt das Blut in die Arterien, ohne bei jedem Schlag die Kammer zu leeren, wodurch sich die Blutzufuhr verringert, obgleich Herz- und Pulsfrequenz erhöht sind. Diese geschwächte Herztätigkeit kann mit jenem Temperaturanstieg erklärt werden, der zum Gewebezerfall führt. Gleiche oder ähnliche degenerative Veränderungen finden in der Leber und in den Nieren statt, was zu einem geschwächten Rhythmus dieser Organe führt. Der verstärkte Herzschlag wird begleitet von einer verstärkten Respirationstätigkeit, bedingt durch die enge Korrelation von Herz und Lungen im Kontext der großen rhythmischen Regulationszentren im Gehirn. Die Beschaffenheit des Blutes bei Fieber vermag direkt auf die respiratorischen Zentren zu wirken, oder die toxischen Elemente im Blut rufen eine indirekte Reizung hervor.
Besonders beachten sollte man die zerebralen Phänomene. Neuronale Erregung und deliriöse Zustände weisen nämlich oft auf die Existenz von Reizzuständen hin. Dass dies nicht ausschließlich auf einem Temperaturanstieg zurückzuführen ist, sieht man schon daran, dass bei bestimmten Fiebern bereits eine Temperatur von 39,4° Celsius mit mentaler Störung oder komatösen Zuständen einhergeht, während eine Temperatur von 40,5° Celsius oder 41,1° Celsius diese Zustände zuweilen nicht hervorruft. Liegen entsprechende Fälle vor, sind sie gekennzeichnet von Benommenheit und mehr oder weniger auch von Erschöpfung und mentaler Trägheit wie bei Typhusfieber. Teils ist das bedingt durch die Wirkung der erhöhten Temperatur auf die großen Nervenzentren im Gehirn, teils aber auch durch die sedierende Wirkung im System verbliebener, in die Gehirnzirkulation gelangter toxischer Elemente auf diese Zentren. Bei einigen Fieberarten wie etwa Scharlachfieber tritt das Gegenteil ein, das heißt: Die Nervenzentren sind exzessiv stimuliert, was zu einem starken Herz- und Pulsschlag, rhythmischen muskulären Kontraktionen und gefährlichen Delirium-Formen führt. In der Mehrzahl der Fälle ist die Temperatur sehr hoch und die Haut gerötet. Sobald die Gehirnzentren erschöpft sind, neigt der Patient dazu, in einen komatösen Zustand zurückzufallen, und dem Koma können sogar Gehirnspasmen vorausgehen. Bedingt ist das zweifellos durch ein toxisches Element, welches in Kombination mit der gestiegenen Temperatur die Wärmeregulation sowie jene Funktionen stört, die speziell mit dem thermotaktischen Mechanismus verbunden sind.
Es ist klar, dass Fieber nicht nur eine erhöhte Temperatur bezeichnet, sondern vielmehr einen systemischen Zustand, erkennbar am Temperaturanstieg, an der Zunahme kardialer und arterieller Pulsaktivität, an einem verstärkten katabolischen Gewebestoffwechsel sowie an einer aus der Ordnung geratenen Sekretion. All diese Zeichen oder Symptome hängen von der Unordnung des Wärmeregulationsmechanismus und anderer funktioneller Zentren des Körperprozesses ab, die durch entzündliche, traumatische oder septische Einflüsse bzw. deren Produkte hervorgerufen werden. Auf welche Weise auch immer, ins Blut gelangte septische oder toxische Stoffe sind die Hauptursachen von Fieberzuständen. Bei der Verzögerung des Blutflusses gerät das Blut schließlich in einen statischen Zustand, das dynamische Prinzip geht verloren und das Blut devitalisiert und wird toxisch. So eine Stase als Ergebnis einer Verletzung, einer mechanischen Läsion oder einer Störung der vasomotorischen Einflüsse, die den Blutfluss regulieren, kann lokal oder generalisiert auftreten. Handelt es sich um eine leichte Form eines solchen Zustands, mag die Vitalität noch ausreichen, um ihn zu überwinden, sodass sich kein Fieberzustand entwickeln kann. Genügt jedoch die Störung, um die Funktion derart zu verändern, dass es zu einer Stase kommt oder auf reflektorischem Weg die kardialen, respiratorischen, sekretorischen oder metabolischen Funktionen verändert werden, dann gelangen toxische Elemente ins Blut und durch den Blutkreislauf zu den Gehirnzentren. Der Blutdruck verändert sich und die Blutverteilung gerät durcheinander, sodass die oberflächlichen und kleineren Gefäße dilatieren und größeres Quantum erhalten als normal. Die Dilatation dieser Oberflächengefäße impliziert einen inhibierenden Einfluss auf die kontraktile Funktion, sodass die elastische Tendenz der Fasern in diesen Oberflächengefäßen von der Tendenz zu dilatieren überwältigt wird, was zu einer Hyperämie an der Oberfläche führt. Daraus entstehen eine lokale Stauung und ein Verlust an Vasotonizität, was wiederum ihrerseits die gesamte Zirkulation, das Nervensystem und die davon abhängigen Funktionen betrifft. Das Ausmaß dieser Störungen wird dann abhängig von der Differenzialdiagnose der verschiedenen Fiebertypen bestimmt.
Ist der Temperaturanstieg physiologisch oder pathologisch? Ich glaube, er ist physiologisch . Leben ist der Kampf um Existenz. Wird der Körper durch Krankheit, Trauma usf. in Erregung versetzt, gerät der normale Wärmeregulationsmechanismus in Unordnung – und zwar durch den Versuch, toxische Stoffe auszuscheiden. Bei normaler Gesundheit hält dieser thermotaktische Mechanismus die Körpertemperatur innerhalb normaler Grenzen, weil der menschliche Körper einen selbstregulierenden Mechanismus repräsentiert. Sobald jedoch toxische Elemente das Körpergleichgewicht zu stören beginnen, versucht der Körper, sich selbst auf dem höchstmöglichen Standard zu halten. Mithin kommt es von der physiologische Seite her zu einer Zunahme des Stoffwechsels. Ein Beweis für diesen Vorgang ist die Tatsache, dass man den Körper unter bestimmten Umständen an diese verstärkte Stoffwechselaktivität und die entsprechend erhöhte Temperatur anpassen und es ihm somit ermöglichen kann, die Krankheit innerhalb der Grenzen der Körpervitalität zu bekämpfen.
Die Temperatur kann jedoch pathologisch werden und eine exzessive Temperatur führt zu Wärmestarre. Todesursachen sind in diesem Fall die Koagulation der Muskelsubstanz und die exzessive Verstärkung des Stoffwechsels bis zum Punkt der Zerstörung, erkennbar an beschleunigtem Herzschlag, Dyspnoe und an den rapiden Veränderungen im Nervengewebe des Gehirns, die zu Koma, Bewusstseinsverlust sowie zum Verlust der Kontrolle über die Körperfunktionen im Allgemeinen führen. Unmittelbar nach der thermogenen Muskelstarre kann jede der z. B. im Blut oder am Herzen hervorgerufenen pathologischen Veränderungen zur Todesursache werden.
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