Johnny Appleseed transportierte aber auch Setzlinge anderer Art. Stets hatte er Abschnitte aus Swedenborgs Schriften bei sich, die er an Familien im Grenzland verteilte. Richter Young aus Greensburg versorgte ihn mit Büchern für seine Missionsarbeit. Chapman teilte die Bücher in Kapitel, die er zu Broschüren heftete. Er trug sie auf seinen Wegen durch die Wildnis in seiner Ledertasche zusammen mit Saatpflanzen, wie eine ‚menschliche zirkulierende Bibliothek’. Er hinterließ Kapitel bei verschiedenen Holzhäusern, wenn er unterwegs war. Bei der Rückkehr sammelte er sie wieder ein und die Zirkulation ging weiter. Es war zweifellos eine unorthodoxe Methode, Swedenborgs Ideen zu verbreiten, und es war auf diese Weise auch eher schwierig, ein Buch von Kapitel zu Kapitel zu lesen. Er predigte und sprach zudem abends am Lagerplatz zu faszinierten Gruppen. Viele Familien des Grenzlands kamen so durch Johnny Appleseed in Kontakt mit Swedenborgs Gedanken und später auch mit der organisierten Neuen Kirche, deren Mitglieder sie häufig wurden, sobald sie sich in der Gegend entfaltete. Nachdem Ohio besiedelt war, zog Appleseed weiter nach Indiana, stets an der Spitze der Siedler. Er mochte es, über Swedenborgs Ideen vor jedermann zu predigen: von amerikanischen Ureinwohnern bis zu protestantischen Predigern. Er setzte seine Wanderarbeit bis zu seinem Tod mit 72 Jahren fort.161
In den 1830ern und 1840ern waren in den größeren Städten und auch in vielen kleineren Städten Gemeinschaften der Neuen Kirche bereits fest etabliert. Obgleich keine großen Gruppen, zogen sie doch immer wieder gut ausgebildete Anhänger an, die Swedenborgs Schriften ihrerseits kraftvoll verbreiteten und englische Übersetzungen verfügbar machten. Die primären institutionellen Zentren lagen dabei in Boston, Philadelphia, New York, Chicago, Cincinnati und Detroit, dazu kamen weitere, kleinere Gemeinschaften, die über die Oststaaten und den Mittleren Westen verbreitet waren. Obgleich es auch im Südosten in vielen Gegenden ein stärkeres Interesse an Swedenborg gab, entstanden dort keine organisierten Versammlungen und Gemeinschaften der Neuen Kirche.162
Mitte der 1840 er bestanden etablierte Gemeinschaften der Neuen Kirche im Osten und im Mittleren Westen Nordamerikas. Obgleich sie nicht groß genug waren, um die größeren Gruppen zu bedrohen, wuchs die Neue Kirche während der ersten vier Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Sie zog eine Reihe begabter Führungspersonen an, Menschen mit Talent, Ausdauer und Mitteln. Eine ihrer Hauptaufgaben bestand in der Verbreitung der Schriften Emanuel Swedenborgs. Dieses Ziel erreichten sie und sie verteilten seine Schriften über das Land, veröffentlichten weit verbreitete, periodisch erscheinende Zeitschriften und beeinflussten dadurch auch viele Menschen weit außerhalb der eigenen Gemeinschaften.163
5. EMERSON, DIE TRANSZENDENTALISTEN UND SWEDENBORG
Boston etablierte sich als ein Zentrum der Neuen Kirche, obwohl diese dort später als an anderen Orten entstanden war, denn obgleich es schon zuvor Interesse gegeben hatte, existierte die Bostoner Neue Kirche erst seit 1816, als sie mit der Familie Worcester begann. Das Haupt der Familie, Noah Worcester, DD, war ein Geistlicher der kongregationalistischen Kirche, und fiel dadurch auf, dass er die calvinistische Auffassung der Trinität ablehnte. Er war unabhängig im Denken und gab dies an seine Söhne weiter, die sich mit der Zeit zu Führungspersonen der Neuen Kirche in Neuengland entwickelten. Der ältere Bruder Samuel entdeckte die Lehren Swedenborgs 1815. Er hörte, dass Exemplare von Arcana Coelestia angeblich dem Harvard College übergeben worden waren, erzählte seinem dort studierenden jüngeren Bruder Thomas von den Büchern und reizte damit dessen Neugier, sich auf die Suche nach ihnen zu begeben. Thomas fand die Bücher in einem verstaubten Winkel. Er arbeitete sich durch die lateinischen Bände, wurde rasch zu einem begeisterten Student Swedenborgs und begründete schon bald darauf gemeinsam mit anderen interessierten Studenten, die ebenfalls eifriges Interesse an Swedenborgs Anschauungen entwickelten, eine Gruppe. Sie wurde vom College unterstützt, auch wenn die Mittel begrenzt waren, da es noch weitere Gruppen am College gab. Während Thomas in Harvard die Neugier schürte, begründete Samuel indes eine Gruppe der swedenborgianischen Neuen Kirche in Boston.164
Sampson Reed war ein wissensdurstiger Student der Harvard Divinity School und ein Kommilitone von Thomas Worcester. Er war der Sohn eines örtlichen unitarischen Geistlichen, der in Harvard einen Abschluss machen und selbst Geistlicher werden wollte. Als regelmäßiges Mitglied der Swedenborg-Studiengruppe in Harvard wurde er zugleich Gründungsmitglied der Bostoner swedenborgianischen Gemeinschaft. Worcester graduierte 1818 zusammen mit Reed und beide schrieben sich unmittelbar darauf an der theologischen Schule ein. Während Worcester dabei blieb und seinen Kurs beendete, schlug Reed einen anderen Weg ein. Er erkannte, dass es schwierig werden würde, mit seinen swedenborgianischen Überzeugungen als Geistlicher bei den örtlichen Versammlungen akzeptiert zu werden. Daher wechselte er die Studienrichtung, erwarb ebenfalls in Harvard einen Master of Arts und wurde Apotheker. Dennoch blieb er eine kraftvolle Stimme in der Gegend, sprach und schrieb über swedenborgianische Themen, arbeitete als Herausgeber des New Jerusalem Magazine und außerdem half er später dabei, die Zeitschrift The Swedenborg Messenger zu etablieren.165
Anlässlich seiner Abschlussfeier hielt er 1821 einen Vortrag mit dem Titel Rede über den Genius . Er sprach über swedenborgianische Themen, erkannte in der Liebe das wirkliche Leben des Menschen. Das geistige Wachsen des Individuums schließe eine Überwindung der Selbstbezogenheit ein und die Einschätzung, dass alle Wahrheit vom Herrn komme.
Er fuhr fort, die Wissenschaft zu beschreiben, deren festgelegte Gesetze Teil der Natur seien und von Gott stammten. Er stellte fest, dass nur dann, wenn das Herz von aller Selbstbezogenheit und Weltverhaftung gereinigt sei, der wahre Genius des Verstandes herabsteigen werde, um sich mit dem natürlichen Teil zu vereinigen. Und nur dann könne ein neues Zeitalter der Wissenschaft und des Geistes beginnen. An diesem Tag saß Ralph Waldo Emerson im Publikum; er erhielt seinen Bachelor of Arts und nahm als Klassendichter an derselben Zeremonie teil. Emerson war erstaunt. Er empfand, dass diese Rede eine der bedeutendsten sei, die er jemals gehört habe. Er beschrieb sie als ‚ursprünglich golden’. Er beschaffte sich umgehend eine Abschrift der Rede (von seinem Bruder, der Klassenkamerad von Reed war), die er wie einen Schatz betrachtete, auf die er sich oft in seinen Zeitschriften bezog und die er sogar in seiner Familie verbreitete. Reed sollte später ein Buch schreiben, welches auf dieser Rede aufbaute und 1826 als The Growth of the Mind veröffentlicht wurde.166 Emerson und Reed wurden persönlich miteinander bekannt und er las Reeds Essays, Artikel und insbesondere das Buch The Growth of the Mind . Emerson bejubelte das Buch als ‚Offenbarung’, was ihn 1827 dazu veranlasste, Sampson Reed als einen der ersten amerikanischen Vertreter des Transzendentalismus zu bezeichnen. Er las ferner Sampsons Artikel im Swedenborgian Messenger und erörterte persönlich mit ihm weitere Gedanken. Emerson lernte während dieser Zeit zudem Thomas Worcester und andere Swedenborgianer wie Reverend Dr. Artemas Stebbins kennen. Emerson führte selbst wiederum andere in Swedenborgs Schriften ein, darunter den zukünftigen Übersetzer und Gelehrten Dr. J. J. Wilkinson, der Swedenborgs wissenschaftliche Werke, darunter Regnum animale , später ins Englische übersetzen sollte. Über Wilkinson wurde ferner Henry James der Ältere mit Swedenborgs Werkes bekannt. Letzterer wurde in seinem ganz eigenen freigeistlichen Stil zu einem begeisterten Unterstützer Swedenborgs. Und er sollte Wilkinsons Übersetzungen als enger Freund Emersons unterstützen.167
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