David Pawn
Werwölfe und andere Sorgen
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Inhaltsverzeichnis
Titel David Pawn Werwölfe und andere Sorgen Dieses ebook wurde erstellt bei
Filmriss
Keine Haustiere
Rechtschreibprüfung
Das Geschenk
Leichte Beute
Impressum neobooks
Ich habe einen Filmriss. Es muss gestern Abend wieder hoch hergegangen sein, wenn ich davon ausgehe, an wie wenig ich mich noch erinnern kann und wie ich mich fühle. Die Sonne scheint hell ins Zimmer und ihr Licht blendet mich. In meinem Mund habe ich einen Geschmack, als wären in der Nacht mehrere Spinnen hineingekrochen und dort auf meiner Zunge verendet. Ich bin völlig bekleidet und liege auf dem Wohnzimmerfußboden. Das ist schon arg. Sonst schaffe ich es wenigstens, mich auszuziehen und ins Bett fallen zu lassen. Ich weiß nicht einmal mehr, wo ich gestern Abend war. Toms Bar? Das „Milk ‘n‘ alcohol“? Ich habe keinen blassen Schimmer.
Ich bin Reporter. Arbeite für eine von diesen Tageszeitungen mit großen Balkenüberschriften und wenig Fließtext. Wenn man das durchstehen will, muss man hin und wieder einen draufmachen, sonst schnappt man über.
Was riecht denn hier so seltsam? Das muss ich sein. Furchtbar. Ich glaube, ich muss kotzen. Ich erhebe mich mühsam, wanke auf Beinen wie aus Lakritz ins Bad und schaue in den Spiegel. Kein schöner Anblick. So einen Kater hatte ich noch nie. Ich bin unter den dunklen Bartstoppeln ganz blass. Die Stoppeln sehen aus, als hätte ich mich seit drei Tagen nicht rasiert. Habe ich etwa den ganzen Sonntag verpennt? Ist schon Montag?
Ich will ins Wohnzimmer zurückeilen, aber meine Beine gehorchen mir nicht richtig. Ich kann nur ganz langsam gehen. Mein Gehirn ist noch nicht völlig bereit, die Stelzen so zu steuern wie gewohnt. Also schleppe ich mich langsam ins Wohnzimmer zurück, so schlurfend, wie es meine angeschlagene Konstitution erlaubt, und schalte den Fernseher ein.
Frühstücksfernsehen! Und richtig, es ist Montag. Nicht nur der Samstagabend ist weg, auch der ganze Sonntag ist verschwunden. Scheiße! Ich darf nicht so viel saufen, sonst gehe ich eines Tages drauf.
Zurück ins Bad, rasieren, in der Redaktion anrufen, dass ich etwas später komme. Soweit der Plan.
Ich gehe ins Bad und setze mich erst mal auf die Schüssel. Was ’n das? 24 Stunden gepennt und ich kann nicht pinkeln? Das kann nicht gut sein. Aber ich kann keine Rücksicht darauf nehmen. Ich muss mich frisch machen und dann zur Redaktion.
Ich ziehe mein Hemd aus und stelle fest, dass es auf dem Rücken einen Riss hat. Meine Güte, was war das für ein Samstagabend? Das Unterhemd ist auch kaputt und außerdem blutverkrustet. Habe ich eine Kratzbürste an Land gezogen und vernascht? Aber doch wohl nicht in Klamotten?
Ich stopfe die kaputten Sachen in den Mülleimer und den stinkenden Rest von Klamotten in die Wäschetruhe. Die muss auch mal wieder abgearbeitet werden, stelle ich dabei fest. Eine Fliege kriecht auf meinem Arm herum, während ich das tue. Das Vieh scheint sich dort sehr wohlzufühlen. Ich scheuche es weg und es schwirrt um meinen Kopf, um sich schließlich auf meiner Stirn niederzulassen. Na Klasse!
Wedel, wedel!
Die Fliege fliegt auf und summt durchs Zimmer, während ich ins Schlafzimmer schlurfe, um mich mit frischer Wäsche zu versorgen. Danach verschwinde ich unter der Dusche, ehe noch mehr Fliegen auf mich aufmerksam werden.
Beim Rasieren schneide ich mich auch noch. Ist aber nicht so schlimm wie sonst. Blutet fast gar nicht. Ich klebe ein Pflaster drauf und gehe ins Wohnzimmer zurück. Dort rufe ich Carla an, unsere Redaktionsassistentin. Scharfe Braut, aber schon vergeben. Ich sage, dass ich ein bisschen später komme und Carla nimmt es ohne weiteren Kommentar zur Kenntnis. Das kommt immer mal wieder vor, auch bei anderen Reportern, aber wir haben alle so viele Überstunden, dass es lächerlich wäre, wenn sich einer drüber aufregen würde.
Fünfzehn Minuten später bin ich abmarschbereit. Ich hatte mir einen Kaffee gemacht und in der Küche stehengelassen. Hatte einfach keinen Durst. Den Appetit hat es mir auch verschlagen, aber zum Glück verspüre ich keinen Hunger.
Auf der Straße sehen mich die Leute komisch an. Ich wundere mich, ehrlich gesagt, nicht darüber, denn wenn ich immer noch so aussehe wie vorhin im Badezimmerspiegel, gehe ich durchaus als eine gute Figur aus einem B-Movie durch: Night of the Living Dead, Teil 324 oder so. Ich schlurfe auch so dahin wie eine von diesen lebenden Leichen. Ich wollte erst mit dem Wagen fahren, aber es ist ja nicht weit zur Redaktion und in meinem Zustand fahre ich noch gegen einen Baum und dann bin ich wirklich ex. Muss nicht sein.
Carla erwartet mich schon. „Mein Gott, wie siehst du denn aus?“, faucht sie. „Hast du nicht mal geduscht? Na egal, der Alte erwartet dich in fünf Minuten in seinem Büro.“
Nicht geduscht? Klar hab ich geduscht. Ich stampfe zu meinem Schreibtisch und schnuppere an meinem Hemd. Riecht tatsächlich komisch, nicht nach Schweiß, eher ein bisschen süßlich. Muss das neue Rasierwasser sein. Das wäre mir beinahe aus der Hand gefallen heute früh. Nicht nur meine Beine, auch meine Hände spielten bisher noch nicht so richtig mit.
Wenn ich nur wüsste, was der Christian von mir will. Es war irgendwas los am Freitag, aber auch daran kann ich mich nicht mehr so recht erinnern.
„Morgen Peter, Mensch, wie siehst du denn aus?“ Das ist wohl die Standardbegrüßung des Tages. „Muss ja ein übles Wochenende gewesen sein. Hast du wenigstens was rausgekriegt?“
Rausgekriegt? Ich blicke den Chef ein bisschen blöde an und er erkennt gleich, dass ich nicht weiß, wovon er redet.
„Sag nicht, du hast es vergessen. Sag das nicht.“ Er wird ein wenig lauter und schaut hinter seinem Schreibtisch wie ein angriffsbereiter Tiger hervor. „Wie kann man sich nur so das Hirn raussaufen, Mann?“
„Einen Moment, worum geht‘s denn überhaupt?“, versuche ich seine Wut ein wenig zu bremsen.
„Um den Schwulenkiller.“ Mein Chef guckt mich an, als käme ich gerade aus einem anderen Universum. „Du hast mir am Freitagabend hoch und heilig versprochen, dass du dich am Samstag umhören willst, damit wir es für morgen auf die Titelseite klatschen können. Und jetzt kommst du hier kalkweiß und wie ausgekotzt in mein Büro und weißt von nichts. Das ist stark, Mann, das ist selbst für deine Verhältnisse sehr stark.“
Ich stehe betreten in der Gegend herum und weiß nicht, was ich antworten soll. Ich muss wohl wirklich durch diese Schwulenbars gezogen sein, um mich umzuhören, aber offenbar ist nichts weiter dabei rausgekommen als dieser Kater des Jahrhunderts.
„Jetzt muss ich Jan schicken, vielleicht findet der ja noch ein paar Bröckchen. Aber wir waren doch davon ausgegangen, dass man gerade am Samstagabend viel erfahren kann, weil da die meiste Kundschaft in den Läden rumhängt. Wie kannst du mich so hängen lassen, Peter?“ Mein Chef schüttelt resigniert den Kopf und wedelt mich mit der Hand von seinem Schreibtisch weg. „Und dusch dich mal. Du riechst ja, als ob du verwesen würdest.“
Na, danke auch. Ich schlurfe aus dem Zimmer und frage mich, wie ich das hatte vergessen können. Eigentlich ist Christian nicht nur mein Chef, sondern auch ein Freund. Jedenfalls soweit ein Chef ein Freund sein kann. Das ist wohl einer der Gründe, warum er mich nicht gleich gefeuert hat nach der Nummer. Das, und dass ich sonst immer sehr gute Arbeit abgeliefert habe.
Carla erkennt sofort, dass es nicht gerade toll gelaufen ist beim Chef. „Ärger?“, fragt sie trotzdem.
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