Rune Deis
MEHR ALS 6'
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2015
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1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
- Die Liebe ist stark -
1 + 1 = 1
1 – 1 = 1
Zwei Gleichungen, die schon von Erstklässlern als unsinnig abgetan werden.
Das Leben gibt ihnen jedoch Sinn. Sie stehen in der Partnerschaft für Liebe und Schmerz.
Wenn die Schmetterlinge den Bauch verlassen, dann kommt die Liebe.
Viele wollen nur die Schmetterlinge – andere noch weniger.
Sie nutzen ein Golfevent in Marokko. Er ist aus dem Westen unserer Republik angereist, sie mit Freundin aus dem Süden.
Nach einer Turnierrunde und einem erfrischenden Getränk auf der Clubterrasse fahren die Akteure ins Hotel zurück. Zwischen Kaffee und Abendessen verschafft sie sich durch zaghaft forderndes Klopfen Einlass in sein Zimmer.
Viele wollen keine feste Bindung, nur ein aufregendes, zufalls- und gelegenheitsbestimmtes Leben. Ihr Sinn steht nach aufregenden Wochenenden, Urlauben mit Wellness; jede Abwechslung ist willkommen.
Für Gleichgesinnte, die zudem keinen Zweifel daran lassen, dass sie keine verpflichtende Partnerschaft anstreben, bringt diese Lebensform, wie es scheint, auch eine Art Erfüllung.
Unsere Geschichte nun erzählt von einer anderen »Liebe«.
Eine Partnerschaft in tief empfundener Liebe entspringt nicht dem Grundsatz von »geben und nehmen– nehmen und geben«. Sie erwächst immer aufs neue aus gemeinsamem, gegenseitigem Beschenken, Freude und Glück empfangendem Leben und Erleben. Wenn beide so empfinden, dann gehen sie ihren Weg wie selbstverständlich, unbeirrt, glücklich und erfüllt.
Wer liebt, hat nicht nur Sex im Kopf.
Aus Achtung und Respekt voreinander sollte immer das ehrliche Wort am Anfang einer jeden Beziehung stehen. Unehrlichkeit verletzt, erzeugt unerfüllbare Erwartungen und nicht heilen wollende Wunden.
Nur die Liebe macht glücklich; sie ist selbstlos und erfüllt sich im erlebten Glück des Partners.
Kapitel 1
Siegt unsere Liebe ein weiteres Mal?
Es ist wieder soweit; wir haben es einmal mehr geschafft – es herrscht erneut Funkstille. Ist es diesmal das endgültige Aus einer tief empfundenen Liebe und hoffnungsvollen Zukunft, das Aus einer Beziehung, die das seltene Glück im letzten Lebensabschnitt verheißt?
Wir sind noch nicht alt, sie 69 Jahre aus Bayern, ich 72 Jahre aus Schleswig-Holstein. Der Kuss ist noch innig und aufwühlend, liebevoll, weil jetzt dankerfüllt. Das unfassbare Glück ist allgegenwärtig, in jedem Blick, jeder Geste, Handreichung, Berührung. Jeder Spaziergang, gemeinsames Einkaufen, die kleinste Aufmerksamkeit hat einen neuen Stellenwert von lebendiger Liebe begleitet.
Nein, es ist nicht aus, das kann und darf nicht sein. Unsere Liebe ist stark; unsere Herzen schlagen im selben Takt.
Dennoch gibt es immer wieder diese Aussetzer. Vernunft im Alter – wo bist du?
Nichtigkeiten, aus Überempfindlichkeit als Kränkung oder Verletzung empfundene Äußerungen führen immer wieder zu wochen- und sogar monatelanger Funkstille. Anrufe werden nicht entgegen genommen, auf sms' nicht reagiert. Diese kontaktfreie Zeit zermürbt, lähmt, quält Seele und Körper: Wie geht es ihr, ist sie gesund, wann werden wir uns endlich wieder in den Armen halten?
Dieses zermürbende Spiel sollte ein Ende haben. Wir wollten uns beweisen, dass wir nicht nur zusammen gehören, sondern auch zusammen leben können.
Eigentlich stand das für uns immer außer Frage. Jetzt wollen wir dieses Wagnis endlich gezielt angehen, ihm einen festen Rahmen geben. Die letzten beiden Monate 2012 sollten uns auf unserem Weg ein überzeugendes Stück voranbringen, den endgültigen Beweis liefern.
Wir wollen nur noch kurzzeitige Trennungen zulassen; das tägliche Miteinander soll uns weiter ermutigen. Wir wollen in unser gemeinsames Leben starten.
Die Gründe für unsere Zerwürfnisse sind schnell aufgezählt. Immer wieder wurden Absprachen nicht eingehalten: da habe ich nicht dran gedacht, für den Tag hatte ich mich schon vor Monaten mit x verabredet, da ist mir letzte Woche etwas dazwischen gekommen, Verabredungen wurden ohne Abgleich mit dem Terminplaner getroffen oder einfach ignoriert. Ein anderer Grund war, dass wir uns nicht aussprachen, wenn Klärungsbedarf bestand, zumindest aus meiner Sicht.
Das führte zuweilen zu unzulässigen, vielleicht auch zu unterstellenden Schlussfolgerungen und Interpretationen.
Das alles dominierende Ereignis aber war für mich und mein daraus resultierendes Verhalten eine wie aus heiterem Himmel erforderliche OP, der ich mich unterziehen musste. Sie warf mich emotional fast aus der Bahn und war überdauernd die Ursache dafür, dass ich nicht immer ausgeglichen und souverän agierte. Ich sah unsere Partnerschaft einer übermächtigen Bedrohung ausgesetzt. Und schließlich hatten wir unsere Beziehung durch längere Trennungen immer wieder unnötigem Stress ausgesetzt.
Alles zusammen führte dann zu zermürbenden Sendepausen, die Sina immer wieder einlegte: Anrufe wurden nicht entgegen genommen, Bitten um Rückruf nicht befolgt. Diese Belastungen sollten ab sofort der Vergangenheit angehören, durch Verlässlichkeit in Absprachen, Reden bei Klärungsbedarf, keine Sendepausen und keine längeren Trennungen, zwei maximal drei Wochen.
Kapitel 2
Als ich am Reformationstag nach siebenstündiger Fahrt in Langwasser ankam und meinen Koffer im Flur abstellte, fiel mein Blick auf ein DIN A4-Blatt, das an der Schlafzimmertür klebte:
31. Oktober 2012 – Nürnberger Thesen!
Bis Ende des Jahres keinen Streit, kein Ausflippen!!
Sonst ist es für immer vorbei mit Rune und Sina.
Sina
Die scherzhafte, aber letztlich auf unseren Erfahrungen beruhende Mahnung sollte an unsere Vorgabe erinnern. Am Abend nehmen wir sie in der festen Überzeugung und mit den Worten ab »Wir schaffen es!«
So verlaufen auch die Tage. Wir genießen sie, wir sind wieder zusammen. Brombachsee, Happurger Stausee, Essengehen, auch mit Bekannten, Spaziergänge, Stadtbummel, Einkaufen, Dürerhaus, Museum, Tierpark, Kino, Tischdecken, Aufräumen, Abwaschen, Staubsaugen …
Es fühlte sich alles so selbstverständlich, erfüllt, erfüllend und lebendig an. Wir lebten einmal mehr unseren Traum. Den Traum, der uns fast auf den Tag genau bereits zwei Jahre lang begleitete. »Wir schaffen es!« – Es gab nicht den geringsten Zweifel.
Zwei Tage vor unserem Kurztrip am Samstag nach NRW – Sina wollte eine Freundin zu deren 70-igsten Geburtstag in Gelsenkirchen besuchen und ich Schwager und Schwägerin (Schwester meiner vor fünfeinhalb Jahren verstorbenen Frau Jutta) in Gladbeck – saßen wir in Nürnberg in einem urigen Café, im ersten Stockwerk eines Blumenladens. Es war mehr ein Provisorium, das aus mit klobigen Ledersesseln ausgestatteten Räumen bestand.
Wir fanden an einem kleinen Tisch in der Nähe des Treppenaufganges Platz, wo wir uns dennoch ungestört unterhalten konnten. Der Kaffee war heiß, und die selbst gebackenen Torten ausgesprochen lecker. Beiläufig kam Sina auf meine Heimfahrt zu sprechen und hielt Donnerstag für die richtige Wahl. Das wäre zwei Tage nach unserer Rückkehr aus NRW gewesen.
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