Mit 30 Jahren hatte Maria Montessori bereits außergewöhnlichen Erfolg und war in ihrem Gebiet eine anerkannte Größe. Jetzt gab sie nicht nur die Leitung der Schule auf, sondern auch die Medizin, um Anthropologie, Hygiene, experimentelle Psychologie und pädagogische Philosophie zu studieren! Kurz gesagt, alles, was ihr helfen sollte, die Gründe zu verstehen, warum so viele Kinder in der Schule scheiterten, obwohl diese ihnen eigentlich helfen sollte. Sieben Jahre lang forschte sie ohne Unterlass und vertiefte außerdem ihre Studien zu den Arbeiten von Séguin und Itard.
Das Kinderhaus – Casa dei Bambini
Im Jahr 1906 erlebte Maria Montessori im Alter von 36 Jahren eine völlige Veränderung ihres Lebens. Ein Immobilienmakler beschloss, Gebäude in einem armen Viertel von Rom, in San Lorenzo, zu erbauen. Von Beginn an war seine Vorstellung, »Hausschulen« zu errichten, weil er festgestellt hatte, dass die kleinen Kinder, während ihre Eltern arbeiteten, sich selbst überlassen waren und die Wohnungen verwüsteten.
Maria Montessori wurde vorgeschlagen, die Leitung dieses Projekts zu übernehmen. Dies führte schließlich zur Schaffung des ersten Casa dei Bambini , des ersten Kinderhauses. Maria Montessori fing an, diese Räumlichkeiten mit einem sehr kleinen Budget einzurichten. Sie ließ Tische und Stühle in einer für die Kinder geeigneten Größe herstellen, anstelle der Pulte, die in den herkömmlichen Schulen verwendet wurden. Zu diesem Zeitpunkt begann sie auch, Lehrmaterial zu schaffen, ähnlich demjenigen, das sie für die defizitären Kinder verwendet hatte. Am 6. Januar 1907 hielt Maria ihre Rede bei der Eröffnungsveranstaltung.
Das Wunder des Lehrmaterials
Maria Montessori brachte in das Kinderhaus das Lehrmaterial mit, das sie kreiert hatte, und zu dem sie sich von Itard und Séguin hatte inspirieren lassen. Von Freunden angebotene Spielsachen, Papier und Buntstifte kamen hinzu. Maria Montessori verstand schrittweise, wo man die Kinder bisher unterschätzt hatte.
Ihre Entdeckungen waren außergewöhnlich, vor allem in Hinblick auf das Verhalten der Kinder. Sie stellte fest, dass Kinder höchste Konzentration beweisen, wenn sie spontan das Lehrmaterial auswählen dürfen, mit dem sie arbeiten wollen. Sie bemerkte auch, dass sie immer wieder dieselbe Geste wiederholen musste, und schloss daraus, dass dieses Bedürfnis nach Wiederholung für die Kinder psychisch notwendig ist, ebenso wie das Bedürfnis nach Ordnung. Je genauer ihre Beobachtungen wurden, desto mehr schien sie zu verstehen. Und tatsächlich entdeckte sie durch die Beobachtung der Kinder die wichtigsten Prinzipien dessen, was zu ihrer Pädagogik werden sollte.
Im Laufe der Zeit zeigten die Kinder des Casa dei Bambini eine erstaunliche Disziplin. Sie arbeiteten konzentriert, wählten das Lehrmaterial und räumten es nach der Verwendung wieder auf. Sie waren freie Wesen, unabhängig, für ihre eigenen Handlungen verantwortlich und respektierten dennoch die Autorität.
Im April 1907, drei Monate nach der Eröffnung der ersten Schule, folgte ein zweites Kinderhaus in einem anderen Arbeiterviertel. Menschen aus der ganzen Welt, Lehrer, Journalisten und Religionsführer kamen, um die Kinder zu beobachten. In den nachfolgenden Jahren erweiterte Maria Montessori die Anwendung ihrer Methode auf ältere Kinder sowie auf Kinder aus mittleren und oberen sozialen Klassen.
War sie im Jahr 1906 noch relativ unbekannt, erwarb sich Maria Montessori schließlich internationalen Ruf. 1908 eröffnete sie ein Kinderhaus in Mailand, das erste außerhalb Roms, und 1909 schrieb sie ihr erstes Buch: Selbsttätige Erziehung im frühen Kindesalter . Es wurde sofort zu einem großen Erfolg und in zwanzig Sprachen übersetzt. Daraufhin trat sie von ihrer Position an der Universität zurück und gab ihre private Praxis auf. Im selben Jahr belegten mehr als hundert Studenten ihre Vorlesung, um Erzieher zu werden.
1911 wurde das Montessori-System offiziell in die öffentlichen Schulen in Italien und in der Schweiz übernommen. Nach Regierungsplänen sollte die Methode auch in England eingeführt werden. Zwei Schulen wurden in Paris eröffnet und Einrichtungen in Indien, China, Mexiko, Korea, Argentinien und Hawaii geplant. Die erste Montessori-Schule der USA entstand in New York, eine zweite in Boston.
Von Amerika in die schwarzen Jahre
Im Laufe der Jahre reiste sie unermüdlich, gab Unterricht in Spanien, Holland, Deutschland, Frankreich und Australien und betreute die Gründung neuer Schulen. Maria Montessori hinterließ überall großen Eindruck, denn sie erwies sich als beste Fürsprecherin des Kindes. Sie glaubte, dass ihre Entdeckungen mit der Zeit über den Bereich der Kindheit hinausgehen und die Gesellschaft als Ganzes erreichen und verbessern würden. Um sicherzustellen, dass ihre Gedanken gut verstanden werden, beschloss sie, viel zu schreiben. Sie verließ sich mehr und mehr auf ihren Sohn Mario, der ihr ebenbürtig wurde und sie vor all denjenigen beschützte, die versuchten, auf die eine oder andere Weise mit ihr in Kontakt zu treten. Maria Montessoris Wunsch nach Weitergabe ihres Wissens schien unersättlich zu sein.
1913: Maria Montessori unternimmt ihre erste Reise in die USA. Graham Bell, Erfinder des Telefons, gründet eine Montessori-Gesellschaft, deren Vorsitzende die Tochter von Präsident Wilson ist. Der Gesellschaft treten rund 5.000 Menschen bei, um an einer von Maria Montessoris Konferenzen teilzunehmen. Danach entstehen etwa 100 Montessori-Schulen in Amerika.
1914: Sie veröffentlicht ihr zweites Buch über ihre Methode: Mein Handbuch .
1915: In New York wird das Buch Praxishandbuch der Montessori-Methode veröffentlicht.
Die Ausstellung »Das neue Kind«
Anlässlich der Weltausstellung in Kalifornien richtet Maria 1915 eine Montessori-Klasse in einem Glasbau ein. Sie wird von Helen Parkhurst geleitet, einer ihrer früheren Studentinnen. Die Besucher können sich setzen und die Kinder durch die Glaswände beobachten. Diese Ausstellung besuchen mehr als 18 Millionen Interessierte. Diese Initiative, die »das neue Kind« zeigt, gewinnt zwei Goldmedaillen der Ausstellung in der Kategorie Ausbildung und bringt Tausende von Fachleuten im Bereich Ausbildung zusammen.
1917: Ihr Sohn Mario bleibt in den USA und eröffnet eine Montessori-Klasse in Kalifornien, in die auch die Kinder amerikanischer Stars wie Douglas Fairbanks und Mary Pickford gehen. Maria reist nach Los Angeles, wo sie einen Kurs gibt und 1917 die Hochzeit ihres Sohnes mit seiner ersten Frau besucht. Anschließend verlässt sie die USA für sehr lange Zeit.
1919: Maria Montessori ist 49 Jahre alt und lebt in Barcelona, reist aber ohne Unterlass. Sie unternimmt ihre erste offizielle Reise nach London und leitet dort sieben internationale Vorlesungen zur Ausbildung für 250 Studenten.
1922: Eröffnung eines Kinderhauses in Wien durch Anna Freud, die Tochter des berühmten Psychoanalytikers. Maria Montessori besucht die Schule 1923, im Jahr des Erscheinens von Das Kind in der Familie .
1926: Maria verbringt den Herbst in Südamerika, wo sie eine Reihe von Konferenzen abhält und durch ihre Anwesenheit die Montessori-Bewegung in Argentinien anregt. Im selben Jahr spricht sie vor dem Völkerbund in Genf über »Erziehung und Frieden«. 1929: Es wird offiziell: Maria gründet mit ihrem Sohn Mario die AMI (Association Montessori Internationale), die alle Aktivitäten der Montessori-Schulen und -Gesellschaften auf der ganzen Welt regelt, ebenso wie der Schulung der Lehrer. Maria Montessori ist die Vorsitzende. Der Sitz der Gesellschaft ist in Berlin. Die Gesellschaft gestattet ihr, die Kontrolle über die Montessori-Bewegung zu behalten, damit diese Methode nicht verwässert oder von anderen eingenommen wird. Maria und Mario sind der Meinung, dass die Methode von den Regierungen akzeptiert und in öffentlichen Schulen unter der Leitung von Maria Montessori unterrichtet werden muss.
Читать дальше